«Heute sind Konzepte gefragt, welche die Erneuerbaren Energien mit den Zielen von Landwirtschaft und Umwelt vereinbar machen. Möglich macht dies Agro-Photovoltaik», sagte Mareike Jäger von der ZHAW Wädenswil an der ersten nationalen Agro-Photovoltaiktagung. Sie sprach von freistehenden Photovoltaikanlagen mit landwirtschaftlicher Nutzung. Das sei in Asien und Amerika längst Realität. Auch in Italien, Frankreich und Deutschland stehen schon seit 2011 solche Anlagen über Acker- und Spezialkulturen.

Energiepotenzial von Agro-PV

Mareike Jäger präsentierte die Resultate einer Machbarkeitsstudie. Dabei untersuchte sie die Stromproduktion von verschiedenen Anlagetypen auf drei Landnutzungssystemen. Das Resultat:

  • Im Ackerbau resultierten eine Jahresleistung von 1200 kWh/kWp und ein Flächenertrag von 735 MWh/ha.
  • Auf Dauergrünland erreichte die Anlage eine Jahresleistung von 1000 kWh/kWp und ein Flächenertrag von 293 MWh/ha/Jahr.
  • Mit Dauerkulturen ergaben sich eine Jahresleistung von 1170 kWh/kWp und ein Flächenertrag von 862 MWh/ha/Jahr.

Das Potenzial von Ackerbau und Dauerkulturen ist doppelt so hoch wie im Grünland. «Angenommen, die Schweiz hat in Zukunft einen Strombedarf von etwa 80 TWh/a und 10 Prozent davon kämen aus Agri-PV, benötigt man dafür etwa 11 486 ha Ackerfläche oder 27 914 ha Grünland oder 9 643 ha Dauerkulturen», so das Fazit von Jäger. Das zeige, mit welchem Potenzial solche Anlagen zur Energiewende beitragen könnten, aber auch den grossen Flächenbedarf.

Erträge und Qualität

Mareike Jäger präsentierte Studien aus dem In- und Ausland, die Vor- und Nachteile von Agro-PV für die landwirtschaftliche Produktion aufzeigen.

  • Weinbau: Die Photovoltaikanlage im Rebberg von Walenstadt SG reduzierte den Befall durch den Falschen Mehltau massiv und erhöhte aber tendenziell den Befall durch Echten Mehltau. Signifikant verzögerte sich die Reifeentwicklung, was aber keinen Einfluss auf die Ertragsbildung hatte.
  • Schattentolerante Pflanzen: Blattgemüse, Feldfutter (Gras-/Klee-Gemisch), verschiedene Arten von Kern- und Steinobst, Beeren, Beerenobst und andere Sonderkulturen (Bärlauch, Spargel und Hopfen) erscheinen sehr geeignet. Die Anlagen hatten eine ertragsstabilisierende Wirkung, vor allem in Trockenperioden.
  • Ackerbau: In Jahren mit hohen Niederschlagsmengen ist mit Ertragsminderungen bis zu –20 % bei Kartoffeln und Getreide zu rechnen.
  • Beeren: In den Niederlanden und Deutschland setzen mittlerweile Produzenten auf semitransparente kristalline Solarmodule, die genügend Licht zu den Kulturpflanzen durchlassen und gleichzeitig als Hagelschutzvorrichtung dienen. Die Erträge unter den semitransparenten Modulen sind zirka 20 % geringer als unter normalen Netzen.

Stand der Technik

Zukunftsmusik sind röhrenförmige PV-Module, die durch die Freiräume zwischen den Röhren licht-, wind- und wasserdurchlässig sind. Auch sogenannte organische Solarzellen sind eine Neuentwicklung. Sie sind im Druckverfahren applizierbar. Der grosse Nachteil dieser Module ist die geringe Lebensdauer und der tiefe Wirkungsgrad. «Die Degeneration dieser Module ist sehr hoch. Bei unseren Witterungsbedingungen und den Hagelzügel würden diese Leichtbaumodule nicht standhalten», sagt Christian Wolf von MBR Solar. Und weiter: «Alle bisherigen Entwicklungsfortschritte im Bereich Solartechnik basieren auf Optimierungen der herkömmlichen monokristallinen Solarmodule, die im übrigen auch die Firma Insolight nutzt.»

Insolight produziert in Renens Module, bei denen sich die Menge des durchfallenden Lichts je nach Bedarf der Kulturpflanzen regulieren lässt. Je heisser und trockener, desto mehr Beschattung und geringer der Wasserverbrauch. 

Forschung mit Pilotanlagen forcieren
Jürg Rohrer, Professor und Leiter der Forschungsgruppe Erneuerbare Energie bei der Zürcher Fachhochschule (ZHAW) meinte: «Wir müssen die jährliche Stromproduktion aus Photovoltaik dreimal rascher ausbauen, selbst um das ungenügende Ziel zu erreichen.» PV-Anlagen auf Gebäuden würden nicht reichen, es brauche auch grosse Anlagen, beispielsweise auf Freiflächen in den Alpen und Agro-Photovoltaik. Mit diesen gebe es Synergieeffekte zur landwirtschaftlichen Produktion. Auch seien die Kosten von PV-Anlagen auf Freiflächen eher geringer als auf Gebäuden. In der Tat sind aber noch viele Fragen offen. Laut Rohrer müsse man jetzt Erfahrungen sammeln, indem vier bis sechs grosse Projekte realisiert und wissenschaftlich begleitet würden. 

Save the date: Agroscope plant am 4. November 2022 eine Tagung für interessierte Bäuerinnen und Bauern. Das Thema lautet «Agri-Photovoltatik im Beeren und Obstbau».