Seit Jahrzehnten wird die Lebensgrundlage unserer Kulturen – der Boden – strapaziert: Schwere Maschinen rollen über den Acker und reissen ihn auf. Vernichten Bodenleben und entziehen ihm die notwendige Feuchtigkeit und Nährstoffe. Das bleibt nicht ohne Folgen: Wo der Boden übermässig belastet ist, zeigt sich vermehrt Erosion, Bodenverdichtung und erhöhter Unkrautdruck. «Deshalb ist es an der Zeit, unsere Böden wiederaufzubauen», sagte Inforama-Lehrer und -Berater Simon Jöhr mit Nachdruck. Er eröffnete vergangenen Donnerstag die Veranstaltung zum Thema «regenerative Landwirtschaft» auf dem Schwand in Münsingen BE. Ihre Entwickler, die deutschen Fachexperten Friedrich Wenz und Dietmar Näser, erklären wie der Boden mit einfachen Mitteln und neuen Denkansätzen wieder aufgebaut werden kann.

Humus – wichtige Grundlage

«Durch die intensive Bodenbearbeitung ist uns die Basis für hohe, stabile Erträge und die beste Erntequalität verloren gegangen – nämlich der Humus. Diesen wollen wir wiederaufbauen und damit beschäftigt sich die regenerative Landwirtschaft», erklärt Dietmar Näser, Pflanzenschutzexperte und Geschäftsführer der Firma «Grünen Brücke». Wird das Konzept der regenerativen Landwirtschaft so umgesetzt, wie folgt beschrieben, versprechen die beiden Experten:

  • Mehr Humusgehalt
  • Erosionsminderung durch höhere Wasserspeicherkapazität
  • Steigerung der Nährstoffspeicherkapazität
  • Widerstandsfähige Pflanzen und gesunde Böden durch mikrobielle Vielfalt
  • Minimale Nährstoffverluste
  • Weniger Dieselverbrauch, da Pflanzenwurzeln und Mikrobiologie die Arbeit erledigen
  • Schutz des Bodens vor Austrocknung und Überhitzung
  • Weniger Unkraut- und Schädlingsdruck

Zuallererst müsse aber das Zusammenspiel von Pflanzen und Boden verstanden werden. Beide versorgen sich nämlich gegenseitig mit Nährstoffen. Ist ein System gestört, funktioniert auch das andere nicht mehr.

Spatenstich zeigt Situation

Ob die Pflanzen-Boden-Interaktion wirklich funktioniert, könne man ganz einfach mit einem Spatenstich feststellen. Bessere Werte liefern eine Boden- und Pflanzenanalyse, die Dietmar Näser und Friedrich Wenz zusätzlich empfehlen. Draussen auf dem Feld rammt der Geschäftsführer der «Grünen Brücke» einen Spaten in den Boden, um eine Probe zu entnehmen. «Ein gesunder Boden ist krümelig», sagt Näser und zerbröselt einen Klumpen Erde in seinen Händen. «Wie Sie sehen, ist hier das Wurzelsystem stark ausgeprägt. Das zeugt davon, dass der Boden aktiv ist und der Pflanze genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen. Man sieht zudem Regenwürmer, die sich eher selten in einem kaputten Boden zeigen.» Ein geschädigter Boden hingegen sei verklebt und klumpig und weist kantige Erdbrocken auf, das Wurzelsystem ist meist flach und wenig ausgeprägt. «Was tun wir nun, um den kaputten Boden wiederherzustellen?», fragt Näser in die Runde.

Mikroben müssen wir füttern

«Wir müssen die Bodenmikroben füttern, genauso wie wir unsere Rinder füttern», löst Dietmar Näser das Rätsel und fügt an: «Weil wir sie zu wenig füttern, haben wir zu wenig Humus im Boden.» Der Boden solle deshalb möglichst lange mit wachsenden Pflanzen bedeckt sein. Denn Pflanzen versorgen die Bodenbiologie über Wurzelausscheidungen mit Energie, übernimmt sein Geschäftspartner Friedrich Wenz von der Friedrich Wenz GmbH das Wort. Ist ausreichend organische Substanz vorhanden, sorgen Mikroorganismen und Bodentiere für eine schnelle Rotte der Bodenbedeckung und den stetigen Aufbau von Humus.

Ein guter Anfang sei die vielseitige Untersaat. Diese beginnt zum Beispiel erst bei der Abreife des Getreides wegen des grösseren Lichteinfalls zu wachsen. Die Untersaat kann nach der Getreideernte mit einer Samenmischung ergänzt werden, was sie zu einer vielfältigen Zwischenbegrünung macht. So sei gewährleistet, dass immer aktive Pflanzenwurzeln mit entsprechender Bodenbiologie vorhanden sind. Alternativ kann auch unmittelbar nach der Ernte eine Gründüngung angelegt werden. In einem nächsten Schritt muss diese in Flächenrotte gebracht werden.

Verrottetes Gras einarbeiten

Auf dem Feld demonstriert Friedrich Wenz, wie das geht: Zuerst muss das hohe Gras mit dem Frontmulcher gemäht werden. Danach fährt die Fräse drüber und schält die oberste Schicht ab. Auf der Fräse steht ein 100-Liter-Tank. Man sieht während dem Fräs-Durchgang wie eine Flüssigkeit gleichzeitig auf das gehäckselte Gras spritzt. «Das ist ein milchsaures Ferment aus Mikroorganismen, der sogenannte Rottelenker. Er beschleunigt das Verrotten des Pflanzenmaterials, auch Flächenrotte genannt», erklärt Wenz. Damit würde der humusbildende Prozess im Boden gestartet werden. Nach Abschluss der Flächenrotte – zirka nach 10 bis 14 Tagen – kann die nächste Kultur auf dem Acker ausgesät werden.

Um die Komplexität des Themas besser verstehen zu können, bieten Näser und Wenz zusätzlich Bodenkurse in der Schweiz an. Am 13. Juni werden ihre Ansätze zudem nochmals am Schweizer Bioackerbautag auf dem Schwand in Münsingen BE präsentiert.