Dass im Internet bei jeder Sucheingabe Daten gespeichert werden, ist kein Geheimnis mehr. Dass dies allerdings für einmal nicht ärgerlich ist, sondern ein neues Standbein ermöglicht, hätte Daniel Sibold aus Wil-Mettauertal nicht gedacht. Heute hat er die erste Hagebuttenplantage in der Schweiz und ist Teilgeschäftsinhaber der Hagebutten-Schweiz GmbH.
Von der Ukraine in die Schweiz
Hagebutten enthalten unter anderem sehr viel Vitamin C und haben eine gesundheitsfördernde Wirkung. Das googelte Daniel Sibold während Corona, als er sich über alternative Stärkung des Immunsystems informierte. Er habe aber weder in der Schweiz noch in Deutschland einen grossen Hagebuttenproduzenten gefunden. So kam es, dass ihm die Anzeige von Dimitry Bondarenko angezeigt wurde. Bondarenko führt bereits in der Ukraine, nahe der Kriegsfront, eine Hagebuttenplantage. Als Bondarenko aus der Ukraine geflüchtet war und in der Schweiz Fuss fasste, suchte er nach Landwirten, die auch hier in der Schweiz Hagebutten anbauen würden. Bondarenko hat jahrelange Erfahrung in der Hagebuttenproduktion und nach über zehn Jahren Zucht von Wildrosen die Sorte Ark-1 patentieren lassen. Bondarenko, Willy Karrer und Marco Helfenstein, ebenfalls Landwirt und erfahren im Beerenanbau, gründeten gemeinsam die Hagebutten-Schweiz GmbH. Sibold war damals lediglich als Produzent beteiligt und konnte Anfang Jahr die Anteile von Karrer übernehmen. [IMG 4]
Schweizer Produktion
Im Herbst 2023 folgte dann der erste Hektar Hagebutten in Wil-Mettauertal auf dem durch Sibold in dritter Generation geführten Hof Oberegg. Die dazu benötigten Setzlinge waren beim Setzen nur wenige Zentimeter gross. Sie wurden bei Helfenstein selber produziert. Es bestünde auch die Möglichkeit, dies im Ausland günstiger züchten zu lassen, allerdings sei geplant, ein vollumfängliches Schweizer Produkt anzubieten. Die Wildrosen, sprich die Hagebutten produzierende Pflanze, werden in Reihen von mindestens 3 m Abstand und mindestens 50 cm Abstand zwischen den Pflanzen gesetzt. «Bei mir haben wir die Fläche voll ausgenutzt und somit ungefähr 6200 Setzlinge gepflanzt» meint Sibold.
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Die erste Ernte von zirka zwei Tonnen, dann sind die Hecken ungefähr einen Meter hoch, erwarte man im nächsten Herbst, sprich im zweiten Vegetationsjahr. Dies steigere sich dann bis ungefähr pro Pflanze drei Kilogramm ab dem fünften Vegetationsjahr. Es wäre auch möglich, die Reihen weiter auseinanderzupflanzen und die Zwischenräume – wo bei Sibold nun Gras wächst – anderweitig zu nutzen, beispielsweise als Agroforst, erklärt Sibold. Natürlich mit entsprechend weniger Ertrag, weil weniger Wildrosenpflanzen gesetzt werden. Sibold möchte sich beispielsweise, sobald die Pflanzen genügend gross sind, informieren, ob er das Gras von Schafen beweiden lassen kann. So hätte er das Gras in wertvollen Dünger verwandelt und müsste nicht mehr mulchen. Denn gerade zu Beginn sei es wichtig, dass man die Vegetation dazwischen kurz hält, damit diese den Setzlingen nicht das Licht streitig macht. Um die Pflanzen herum ist dies kein Problem, denn es wird wasserdurchlässiges schwarzes Bindegewebe verlegt und so das Unkraut verdrängt. Das Bindegewebe hat zusätzlich den Vorteil, dass die Vegetationszeit verlängert wird. Und die Feuchtigkeit, die mithilfe einer installierten Tropfbewässerung reguliert werden kann, verdunstet weniger.
Vorsicht vor Verbiss
Schädlinge indes gibt es kaum. Das grösste Risiko in seinem Falle seien die Rehe, sagt Daniel Sibold. Da habe er etwa 400 Pflanzen ersetzen müssen. Denn diese hätten die frischen Triebe der Setzlinge als Delikatesse angesehen und dabei teilweise die Setzlinge ausgerissen, erklärt er. Weiter habe er etwas Respekt vor Wildschweinen, falls diese merkten, dass unter den Bindegeweben Würmer zu finden seien. Letztes Jahr seien sie – die Plantage ist waldangrenzend – bis fast an die Pflanzen herangekommen. «Ich könnte die Anlage auch fest einzäunen und den Zaun mit Strom versehen, allerdings ist das ursprünglich nicht geplant gewesen.» Da es in der Ukraine bei der Plantage von Dimitry Bondarenko kaum Wild gebe, sei dies bei ihm im Aargau etwas ausser Acht gelassen worden. Sibold will die Lage weiter beobachten und gegebenenfalls entsprechend reagieren. Ansonsten sei es im Herbst bei sehr nasser Witterung noch der Mehltau, der die Pflanzen befallen könne. Aber auch dieses Problem könne man lösen, ist Sibold überzeugt. Er fügt hinzu, dass beim biologischen Anbau die Pflanzen innerhalb der Reihen etwas weiter auseinandergesetzt würden, um mehr Luft und somit eine bessere Trocknung und entsprechend weniger Mehltaudruck zu erreichen.
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Maschinelle Ernte
Was nebst der Anlage noch benötigt werde, sei ein Regenwasserspeicher, so Daniel Sibold. Denn die Hagebutten mögen es nicht, mit mineralangereichertem Frischwasser gewässert zu werden. Das bedeute auch, dass die Anlage eher nahe an Gebäuden gebaut werde, da dort Strom für die Wasserpumpe wie auch Dachflächen zur Wassergewinnung vorhanden seien. Dazu komme das Mulchgerät, und ansonsten seien – nebst dem Anlegen der Anlage – keine grossen Investitionen nötig. Auch das Anlegen erfolgt durch die Hagebutten-Schweiz GmbH. Für die Ernten sei geplant, die Erntemaschinen zu verladen und zu den Landwirt(innen) zu bringen: «Sie können diese dann an ihren Traktor hängen und ernten», sagt Sibold. Als Erntehelfer ist der Überbringer der Maschine mit dabei, der auch die Koordination übernimmt, damit die frischen Hagebutten von einem Kühllastwagen abgeholt werden. Die Hagebutten-Schweiz GmbH vereinbart dazu eine Abnahmegarantie mit Grundpreis, sodass sich der/die Landwirt(in) der Amortisation seiner/ihrer Anlage sicher sein kann. Für diese werden ungefähr sechs Jahre gerechnet. Die Hagebutten-Schweiz GmbH berät die Landwirt(innen) über die Anlegung und Pflege der Plantage bis zur Ernte. Die Beratung ist ab einer Grösse von einer Hektare kostenlos.
Vielseitige Verwendung
Die Verarbeitung erfolgt mit verschiedenen Schweizer Unternehmen. Dabei seien unterschiedlichste Produkte möglich. Das könne vom Pulver zu Tee, Sirup oder sogar Senf alles Mögliche sein. Man sei offen für weitere Zusammenarbeiten, sagt Daniel Sibold. Die Vermarktung erfolge dann ebenfalls zuerst in der Schweiz. Das Ziel seien kurze Produktionswege und regionale, hochwertige Produkte anzubieten. Die Begeisterung für diese vielseitig einsetzbare Frucht ist Sibold deutlich anzumerken. Am liebsten würde er gleich die ganze Betriebsfläche anbauen, meint er augenzwinkernd. Geplant seien aber bis in ungefähr zehn Jahren bei verschiedenen Landwirt(innen) um die 30 Hektaren. Wobei aktuell noch Bioproduzent(innen) im Aargau gesucht werden.
Informationen zum Anbau, zu den Produkten und der Verwendung von Hagebutten: www.hagebutten-schweiz.ch
Betriebsspiegel Hof Oberegg
Name: Daniel Sibold
Ort: Wil-Mettauertal AG, Hügelzone, 475 m ü. M.
Ackerfläche: knapp 40 ha, ÖLN
Viehbestand: 120 Munis, 4 Mutterkühe und ein Stier Rätisch Grauvieh, 9 Pferde als Selbstversorger eingestellt
Kulturen: Hagebutten, Futterbau für Munimast, Mais, Getreide
Arbeitskräfte: Angestellte im Stundenlohn, Temporäre Arbeiter(innen) für die Hagebutten, Verwandschaftshilfen