«Im Jahr 2019 standen Boden- und Gewässerschonung besonders im Fokus. Und wo es um Pflanzenschutz geht, spielt die Züchtung eine Schlüsselrolle.» Mit diesen Worten eröffnete die NZZ-Redaktorin Angelika Hardegger am 12. Dezember in Salez die Fachtagung zu moderner Züchtung. Bevölkerungswachstum, der Ruf nach gesunder Nahrung und Nachhaltigkeit sowie der Klimawandel stellen die Züchtung vor grosse Herausforderungen.

Werkzeugkiste mit modernen Tools

«Stabile Erträge, Resistenzen und Anpassungen an eine sich verändernde Umwelt sind heute wichtige Zuchtziele», stellte Roland Peter fest, Leiter des stra­tegischen Forschungsbereichs Pflanzenzüchtung bei Agro­scope. Nach dem Prinzip der Züchtung komme man durch wiederholte Auslese zu neuen Sorten. Aber je mehr Merkmale eine Pflanze aufweisen solle, desto komplexer werde die Züchtung, dazu brauche es mit herkömmlichen Methoden viele Jahre. «Die moderne Werkzeugkiste jedoch erlaubt eine effizientere, gezieltere und beschleunigte Selektion», sagte Peter. Einige Beispiele:

Molekulare Marker: Damit kann ein genetischer Unterschied wie etwa eine Resistenz identifiziert, markiert und abgelesen werden.

Genomische Selektion: Über eine Vielzahl von Markern entlang des gesamten Genoms kann der Zuchtwert in Bezug auf ein Merkmal geschätzt werden.

Speed Breeding: Damit lassen sich mehrere Generationen jährlich ziehen. Dazu eignen sich Winterzuchtgärten, Gewächshäuser oder Klimakammern.

Umstrittener Einsatz einer Genschere 

Für jede Kultur mit ihrer entsprechenden Fortpflanzungsbiologie braucht es gemäss Peter eine angepasste Züchtungsmethodik und entsprechende Tools. Der Einsatz von molekularen Markern beispielsweise gehört heute bereits zum Standard. «Pflanzenzüchtung bringt leistungsfähige Sorten und ist damit ein tragender Pfeiler einer nachhaltigen Landwirtschaft», betonte Bruno Studer, Professor für molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH. Er stellte ein weiteres Werkzeug der modernen Züchtung vor:

Genomeditierung mit Crispr Cas: Dabei handelt es sich um eine Art Genschere, welche dazu verwendet wird, Mutationen oder ganze Genomveränderungen zu erzeugen (in CH/EU derzeit streng reguliert).

Ob man bei Crispr Cas bereits von Gentechnologie sprechen soll, hängt nach Ansicht von Studer von ihrer Anwendung ab und ist nicht mit Keimbahneingriffen am Menschen vergleichbar. Mit der Methode konnte zum Beispiel eine Mehltauresistenz bei Weizen oder ein erhöhter Proteingehalt bei Sorghumhirse erzielt werden. Auch möglich ist das gezielte Zurückholen von Eigenschaften, die Kulturpflanzen im Laufe der Zeit verloren haben. Bereits gibt es weltweit über 3500 Sorten mit induzierten Mutationen.

Gentechnik ist für Viele ein Tabu

Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), sprach die rasante Entwicklung moderner Züchtungsmethoden an. «Dies löst viele Ängste aus und macht es zum Tabuthema», sagte Niggli. «Dabei wäre es gerade im Biolandbau wichtig, mehr darüber zu diskutieren.» Hier sei der züchterische Fortschritt viel kleiner als im konventionellen Anbau, es werde viel mehr Ackerfläche benötigt. Ein Ausweg wäre etwa eine konsequente Sortenprüfung unter Low-Input-Bedingungen. Als weitere Möglichkeit nannte Niggli die partizipative Züchtung unter Landwirten.

Einen Einblick in die Praxis der Sortenzüchtung gab Markus Kobelt. Der Inhaber der Lubera GmbH züchtet in Buchs SG sowie in Norddeutschland Zier- und Nutzpflanzen. Über 100 Sorten sind in den letzten 30 Jahren entstanden. Für Kobelt liegt in der Züchtung auch die Kreativität des Zufalls: «Beim Züchten ergibt sich immer Interessantes, mit dem man nicht gerechnet hat. Dabei ist auch mit Misserfolgen zu rechnen.» Züchtung finde bei ihm nicht im Geheimen statt, sondern nahe beim Kunden und dessen Bedürfnissen.

Zukünftige Ausrichtung ist eine globale Frage

Die anschliessende Podiumsdiskussion eröffnete Moderatorin Angelika Hardegger mit der Feststellung, der Bundesrat habe gegenwärtig gegenüber Methoden der Genomeditierung eine restriktive Haltung. Was der Standpunkt der Referenten dazu sei? «Ein Problem besteht darin, dass viele Leute gar nicht verstehen, was mit Gentechnik genau gemeint ist», stellte Hans Oppliger vom Verein «Rheintaler Ribelmais» fest. Es gebe zudem viele Unklarheiten. Er frage sich etwa, was denn der Unterschied sei zu erlaubten chemischen oder bestrahlenden Methoden, die ebenfalls Mutationen auslösen können.

Roland Peter von Agroscope meinte, als Züchter sehe er das Potenzial dieser Technologien. Allerdings sei es wichtig, dass Risiken und Chancen gegeneinander abgewogen würden. Züchter und Firmeninhaber Markus Kobelt äusserte sich kritisch: «Es fehlt an der Akzeptanz der Konsumenten, wenn von Gentechnik die Rede ist.»

FiBL-Direktor Urs Niggli vertrat den Standpunkt, es sei wichtig, diese Frage nicht nur als schweizerische Angelegenheit zu betrachten, sondern global, etwa bezüglich der Nahrungsmittelproduktion. ETH-Professor Bruno Studer äusserte die Meinung, eine Abschottung gegenüber neuen Technologien sei nicht sinnvoll. «Es gibt Länder, welche Genomeditierung zur Sortenzüchtung bereits intensiv nutzen.» Nicht die Methoden an sich, sondern ihre Anwendungen seien einer Prüfung zu unterziehen.

Moderatorin Angelika Hardegger meinte abschliessend: «Es braucht noch viele Diskussionen zu diesem Thema, privat wie auch öffentlich. Gehen wir hinaus und tauschen uns darüber aus!»