Auf dem Rapsfeld ist der Fototermin zu spät, die leuchtend gelbe Pracht ist bereits verblüht. Dafür rückt die Ernte immer näher. Darauf freuen sich Felix und Nathalie Stahel aus dem zürcherischen Neubrunn bei Turbenthal besonders. Das hat einen Grund: Aus der reifen Rapssaat lassen sie ihr eigenes Öl produzieren.
Eine Kultur mit vile Pflegebedarf
«Die Idee dazu kam uns vor fünf Jahren, als wir das Inserat der aargauischen Ölmühle Pflanzenoel.ch AG sahen, welche auch kleinere Chargen entgegennimmt und diese individuell presst», erzählt Felix Stahel. «Es reizte uns, eigenes Rapsöl herzustellen und es über regionale Geschäfte zu vermarkten.» Gerade weil der Familie Stahel Regionalität am Herzen liegt, hätte sie gerne einen noch näheren Verarbeitungsstandort gewählt. Doch bei der einzigen Ölmühle in der Umgebung, die in Frage käme, müssten sie den Raps zuerst selbst waschen und trocknen. «Dazu fehlen uns die Möglichkeiten», stellt Nathalie Stahel fest.
Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb mit 26 Hektaren spielt der Rapsanbau eigentlich nicht die Hauptrolle. Im Zentrum stehen die 30 Milchkühe für die Produktion von Silomilch sowie die Aufzucht von Kälbern und Rindern. Die Äcker werden hauptsächlich für den Futterbau genutzt. Das Klima in dem Ausläufer des Tösstals ist eher rau, nicht selten zieht die Bise übers Land. Ackerbau sieht man hier wenig, wenn, dann wird hauptsächlich Futter angebaut. Dennoch bauen hier Stahels schon seit Jahren Raps an, zurzeit auf 1,5–2 Hektaren, wobei sie den grössten Teil der Landi liefern. Es handelt sich um eine Kultur mit erheblichem Schädlingsdruck, die viel Pflege braucht. «Ganz ohne Pflanzenschutzmittel ginge es nicht», sagt Nathalie Stahel. «Wir setzen so wenig wie möglich und so viel wie nötig ein.» Zudem bauen sie auch immer wieder neu Sorten an, um auszuprobieren, welche für ihren Standort am besten passt.
Die Nachfrage stieg während der Pandemie
Als Stahels sich entschieden, eigenes Öl zu produzieren, begannen sie zunächst mit einer Menge von rund 600 Kilogramm Raps. Daraus lässt sich ein Drittel des ursprünglichen Gewichts pressen, also etwa 200 Liter Rapsöl. Wie bei vielen anderen Direktvermarktern war während der Corona-Pandemie die Nachfrage stark angestiegen: «Der Vorrat hat in jenem Jahr nicht gereicht», so Felix Stahel. 2021 habe das regnerische Wetter die Ernte deutlich vermindert. Für die laufende Saison sehe es nun besser aus. «Es ist jedes Mal ein vorsichtiges Abschätzen, welche Menge wir der Landi abliefern und wie viel Rapsöl wir selbst verkaufen können», stellt die Bäuerin fest.
Der Raps für das eigene Öl kommt noch vor dem Dreschen in die Kundenmühle. Nach etwa anderthalb Monaten können Felix und Nathalie Stahel das kalt gepresste Öl mit dem leicht nussigen Geschmack abholen, abgefüllt in 20-Liter-Big-Bags. Zu Hause wird es nach Bedarf in Flaschen verschiedener Grössen abgefüllt: hauptsächlich 0,5 Liter, aber auch 1 Liter sowie 0,25 Liter in der Geschenkgrösse. Einen eigenen Hofladen hat die Familie nicht. Das scheint auch gar nicht nötig zu sein: Es gibt eine Reihe von Geschäften und Hofläden in der Region, die das Tösstaler Rapsöl in ihr Sortiment aufgenommen haben.