In Japan, Korea, China und anderen asiatischen Ländern gehören Algen zum festen Bestandteil der traditionellen Küche. Sie sind pflanzliche Proteinlieferanten, dazu reich an Mineralstoffen, Vitaminen, Nahrungsfasern und verleihen dem Essen einen charakteristischen Geschmack. Bei uns nimmt man sie fast nur als grünliche Hülle von Sushi, allenfalls als Nahrungsergänzung wahr. Als Gelier- und Verdickungsmittel ist Agar-Agar und Carrageen in Lightprodukten und als Hilfe gegen Trübung in Getränken auch bei uns in «aller Munde».
Die Familie der Algen ist riesig. Viele sind unbekannt und nur ein Bruchteil ist für den menschlichen Verzehr geeignet. Einige enthalten für den Menschen giftige Stoffe. Jährlich werden schätzungsweise zehn Millionen Tonnen Algen aus den Meeren geerntet. Davon stammt der grösste Teil aus Aquakulturen.
In der Schweiz erhält man Algenprodukte selten frisch oder tiefgekühlt. Meist werden sie aus China, Korea oder Japan in getrockneter Form oder hochkonzentrierter, verarbeiteter Form als Nahrungsergänzung importiert. Wer Algen kochen will, findet in den Grossverteilern ausser Noriblätter für Sushi kaum etwas. Fündig wird man besonders in Asia-Shops.
Fünfter Geschmackssinn
Japanische Kochbücher sind eine Inspiration, wie vielfältig Algen in der Küche verwendet werden. Sie haben oft ein intensives Aroma. Daher werden sie statt als Gemüse eher als Gewürz eingesetzt. Ein fester Bestandteil auf dem Inselstaat sind Nori, Wakame, Kombu oder Hijiki. So werden Kombu-Algen für eine Dashibrühe (ähnlich unserer Bouillon) und zum Aromatisieren von Reis verwendet. Wakame ist die klassische Einlage von Misosuppe. Eingeweicht verfünffachen sie ihr Volumen und werden grün bis dunkelgrün. So bereichern sie auch Salate oder als Topping für Reisbowls.
Für diverse Arten von Sushi werden essbare Tangarten zerkleinert, getrocknet, zu Blättern gepresst und geröstet. Die Noriblätter ergeben als feine Streifen über einem Salat oder als Band um ein gebratenes Tofustück gewickelt, einen Blickfang auf dem Teller. In einem Tempurateig gedreht, können sie im Frittieröl knusprig gebacken werden.
Algen bringen den sogenannten fünften Geschmackssinn «Umami» ins Gericht. Wer diese Tiefe im Essen liebt, kann Noriblätter mit einem leistungsstarken Mixer mahlen. Daraus entsteht Aonori, das in der japanischen Küche zum Würzen und Dekorieren verwendet wird. In kleinen Dosen bringt es die subtile Meeresnote ins Gericht.
Bei Nahrungsergänzungen ist der Algengeschmack weniger gefragt. Robin Dorsaz, der in Saxon Spirulina züchtet, empfiehl deshalb, die grünen Stäbchen mit frischem Aprikosensaft zu trinken oder mit Joghurt zu mischen.
Nährwertspektrum variiert
Algen werden wegen des breiten Nährstoffspektrums auch als «Superfood» bezeichnet. Sie sind reich an Proteinen, Omega-3-Fettsäuren, Mineralstoffen, Vitaminen, sekundären Pflanzenstoffen und Nahrungsfasern. Der Gehalt schwankt erheblich innerhalb und zwischen den Arten. Bei speziellen Ernährungsweisen werden Algen und Algenpräparate auch als «Detoxmittel», «Lichtträger», gegen Depressionen oder zum Ausleiten von Quecksilber und Schwermetalle aus dem Körper angepriesen. Längst nicht alles ist wissenschaftlich belegt.
Stéphanie Bieler, Ernährungsberaterin bei der SGE, differenziert: «Algen können Teil einer ausgewogenen Ernährung sein – müssen es aber nicht sein». Besondere Vorzüge sieht sie für Personen, die sich vegan ernähren oder keinen Fisch essen: «In Supplementform können Algen eine interessante Quelle für langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren sein».
Einschränkungen macht die Expertin hingegen in Bezug auf das Vitamin B12: «Bestimmte Algen enthalten Vitamin B12. Doch sie sind keine zuverlässige Quelle und wenn, dann ist es oft in inaktiver Form vorhanden.» Grundsätzlich rät sie, hochwertige Algen und Algenprodukte zu kaufen, weil der Gehalt an Jod und / oder Schwermetallen gefährlich sein kann.
Enthalten Jod
Algen, die in der Schweiz zugelassen sind, unterliegen als «Novel food» der Verordnung über Nahrungsmittel pflanzlicher Herkunft (Art. 24 und 28, Bst.) Dabei muss ein Warnhinweis auf der Verpackung stehen im Sinne von «Achtung jodreiches Lebensmittel. Ein übermässiger Verzehr kann zu einer Störung der Schilddrüse führen.» Entsprechend muss die aufgedruckte Höchstmenge pro Tag beim Verzehr beachtet werden. Vorsicht geboten ist auch für Menschen mit Unverträglichkeiten gegenüber Meeresfrüchten.
Über den Tellerrand geschaut
Dank der Eigenschaft, CO2 zu binden, setzen Algen positive Klimaeffekte. In kontrollierten Anlagen können ihre Inhaltsstoffe relativ einfach durch Wasser beeinflusst werden. Das eröffnet Chancen für die menschliche wie tierische Nahrung, wie auch für die Pharma- und Textilindustrie.
In der Schweiz gibt es zur Zeit einzelne Betriebe im Jura, Wallis und am Genfersee, die die Mikroalge Spirulina für Nahrungsergänzungsmittel, angereicherte Nahrungsmittel und für die Kosmetik produzieren. Bei Agroscope forscht Alexandra Baumeyer Brahier unter dem Projektnamen «Algafeed» nach Möglichkeiten, Soja teilweise durch Algenprodukte zu ersetzen. Bauern sollen zukünftig an ihren Hausmauern oder Dächern in Photobioreaktoren (wie Fotovoltaik) eiweisslieferendes Futter selber erzeugen.
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