Da staunte Landwirt Martin Baumann vom Bumehof am Hallwilersee nicht schlecht. Fast die gesamte Maisparzelle lag Ende Juni am Boden, die Pflanzen waren bereits rund 1,8 m hoch. Sturmwinde konnte er ausschliessen, bei näherem Betrachten zeigte sich: Die Wurzeln waren knapp über dem Boden so stark angefressen, dass die meisten Stängel umknickten. Dabei sah der wie üblich gesäte Mais anfänglich gut aus. Auch auf einer weiteren Parzelle entdeckte Baumann leichtere Frassschäden, die Pflanzen erholten sich dort aber eher wieder, sodass keine Nachsaat nötig war. Die Pflanzenmasse der umgeworfenen Parzelle wurde hingegen mit dem Geohobel eingearbeitet und Baumann liess nachsäen, recht spät, Anfang Juli. «Das tat schon etwas weh.» Betroffen waren rund drei Hektaren. Baumann bewirtschaftet im Beinwil am See einen 55-ha-Betrieb, davon sind 17 ha offene Ackerfläche.

«Wir müssen uns an solche Jahre mit mehr Erdraupen gewöhnen.»

Andreas Distel von der Liebegg über klimabedingt mehr Schädlinge.

Erstmals solche Schäden

Die Frassschäden zeigte er vor der Neuansaat seinem Lohnunternehmer Thomas Estermann aus Eschenbach. Dessen Vermutung: Erdraupen. Das habe er dieses Jahr erstmalig in seinem Kundenkreis so gesehen, Frassschäden am Mais in solchem Ausmass, sagt Estermann. Er berichtet von weiteren Fällen in der Region. Auffallend sei, dass oft Maisparzellen betroffen waren, wo der «Wasen» der vorherigen Wiese eher in schlechtem Zustand war, beobachtete Estermann. In solchen Fällen würden sich Bauern entscheiden, Mais zu säen, statt die Wiese zu belassen, und erst im Folgejahr die Fläche wieder als Kunstwiese nutzen. Solche lückigen Wiesen seien aber offener für den Eintritt von Schädlingen, und die Raupen fänden mit den vielen Wurzeln im Boden beste Bedingungen, um sich massiv zu vermehren, meint Estermann.

«Vormalige Wiesen mit schlechtem Wasen sind eher mehr betroffen.»

Thomas Estermann vermutet einen Zusammenhang mit dem Befall von Erdraupen im Mais.

Nachsaat wieder befallen

Im Aargau wie auch in anderen Kantonen habe es dieses Jahr einige solche Fälle von starkem Befall mit Erdraupen gegeben, bestätigt Andreas Distel, Leiter Pflanzenschutzdienst beim LZ Liebegg. Auch in der Nachbarschaft von Baumann begutachtete er selber eine drei Hektaren grosse Maisparzelle mit Frassschäden, ein Totalausfall. Die Übeltäter seien ganz klar Erdraupen. «Die Nachsaat wurde trotz vormaliger intensiver Bodenbearbeitung und Fräsen auch wieder befallen, sodass wir eine Sonderbewilligung für einen Insektizideinsatz gegeben haben», erklärt Distel (siehe Kasten).

Auch Leo Meier, Berater für die Region bei Samen Steffen, berichtet von vielen Schäden wegen Erdraupen, nicht nur im Aargau, sondern auch im Kanton Luzern. Bisher sei der Schädling vor allem aus dem Gemüsebau bekannt gewesen, nie in solchem Ausmass bei Mais. Es sei auch kein Bezug zum Saatzeitpunkt oder zum Anbauverfahren feststellbar. «Mal traten Schäden auf, mal nicht.»

[IMG 2]

Bauern sind frustriert

Meier weiss auch von zunehmenden Schäden in der Region bei Zuckerrüben, so wegen des Rübenrüsslers. Und auch weitere Schädlinge und Krankheiten bei vielen pflanzlichen Kulturen sorgen dieses Jahr für mehr Schlagzeilen. Aktuell wird von schweizweit zunehmenden Schäden bei Gemüse wegen des Baumwollkapselwurmes berichtet. Und vielerorts in der Region sorgte dieses Jahr die Kirschessigfliege für einen Ernteausfall bei Hochstamm-Kirschbäumen.

«Die betroffenen Bauern sind jedenfalls frustriert, zumal gegen viele Schädlinge derzeit gar keine Mittel eingesetzt werden können und der finanzielle Schaden jeweils gross ist», sagt Meier.

«Die Bauern haben den Schaden, aber keine Mittel zur Bekämpfung.»

Leo Meier von Samen Steffen über mehr Schädlinge und weniger Pflanzenschutzmittel.

Mehr Schäden, weniger Schutz

Bei Landwirt Baumann aus Beinwil wachse der spät im Juli nachgesäte Mais derzeit schön. Der finanzielle Schaden sei allerdings hoch und viele Fragen blieben offen, meint Meier. So, was denn betroffene Landwirte künftig tun könnten gegen diesen neuen Schädling.

Auch Lohnunternehmer Thomas Estermann weist auf das wachsende Dilemma hin: Die klimatischen Veränderungen und vor allem die grenzenlose Mobilität führen zu immer mehr neuen Krankheiten und Schädlingen im Pflanzenbau. Und anderseits würden immer mehr Wirkstoffe für den Schutz der Pflanzen verboten.

Jungen Mais intensiv beobachten

Der Befall mit Erdraupen (Agrotis Ipsilon) sei dieses Jahr aussergewöhnlich hoch, wie nie in den letzten 20 Jahren, hiess es im Newsletter Strickhof ZH vom Juli (siehe auch BauernZeitung vom 11. Juli 2025). Begründet wird dies mit dem milden Winter, gefolgt von einer frühen Sommerhitze. Das habe die Entwicklung der jungen Raupen gefördert. Hinzu komme, dass im Vergleich zu früher Beizmittel fehlen. Die Adulten dieser Raupe seien die dämmerungs- und nachtaktiven Eulenfalter. Die Arten seien von Südeuropa und Nordafrika eingedrungen. Die graue Erdraupe höhle die Maisstängel bis rund 3 cm hinauf komplett aus.

Eine chemische Bekämpfung im jungen Mais wäre mit einer Sonderbewilligung möglich, die könne bei mehr als fünf Prozent Befall ausgestellt werden, sagt Andreas Distel von der Liebegg. «Aber eine 100 % Sicherheit gewährleistet das ehrlicherweise auch nicht.» Bei mehr als 30 Prozent Befall sei eine Neuansaat erforderlich, empfiehlt der Strickhof. Um die Raupen im Boden zu beschädigen, müsste der Boden intensiv bearbeitet werden. Eine Neuansaat im Juli sei schon sehr spät, da bestehe die Gefahr, dass dieser Mais nicht mehr genügend reife Kolben bilde. Die Saat eines Zwischenfutters oder einer Luzerne-Mischung sei in den meisten Fällen wegen der Nachwirkung des eingesetzten Maisherbizides nicht zu empfehlen, heisst es weiter im Strickhof-Newsletter.

Andreas Distel empfiehlt den Landwirten, künftig den Mais frühzeitig im jungen Stadium zu kontrollieren und zu beobachten. Dieses Jahr sei man wohl überrascht worden, weil viele den Schädling nicht kannten. «Wir müssen uns aufgrund der Klimaänderung wohl daran gewöhnen, dass solche Jahre mit Erdraupen auftreten können, ähnlich dem Baumwollkapselwurm und weiteren Schädlingen.»