Bei den Gemüsegärtnern ist Feuer unter dem Gewächshausdach. Die Ankündigung von Migros, ab 2025 nur noch Gemüse aus fossilfrei beheizten Gewächshäusern zu verkaufen, sorgte auch an der Delegiertenversammlung des Verbandes Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) vom Mittwoch für Diskussionen.
Erneut Investitionen nötig
Nachdem die Branche in den letzten Jahren bereits viel Geld in Energieeffizienz und neue Anlagen investiert hat, müsste sie nun noch einmal umfangreiche Investitionen tätigen, um das ehrgeizige Ziel von Migros zu erreichen.
Viele Gewächshausbetreiber ersetzten in den letzten Jahren beispielsweise ihre Ölheizungen durch im Vergleich sauberere Gasheizungen und reduzierten so den CO2-Ausstoss schon deutlich. Ein grosser Vorteil bei der Gasheizung ist, dass das CO2 im Abgas als «Dünger» in den Kulturen wiederverwendet werden kann und so für bis zu 20 Prozent mehr Pflanzenwachstum sorgt.
Bei an Fernwärmenetze angeschlossenen Gewächshäusern oder bei der Verwendung von Holzschnitzelheizungen muss zur Düngung technisches CO2 zugeführt werden, was teuer ist und zusätzliche Transporte verursacht.
"Unüberlegter Hüftschuss"
Gewächshausexperte Rudolf Schlatter aus Seewen SZ betrachtet Gasheizungen wegen dieser Doppelnutzung von Wärme und CO2 als ökologisch vertretbare Lösung. Sie könnte durchaus auch Bestandteil in einem Energie-Mix sein, das heisst bei der Nutzung von gleichzeitig mehreren verschiedenen Energieträgern wie Geothermie, Photovoltaik, Fernwärme oder Biomasse für die Beheizung von Gewächshäusern.
Denn im Mix liegt die Zukunft, das ist man sich in der Branche bewusst. Doch ob das so auch im Sinne von Migros ist, bleibt unklar. Denn auf konkrete Fragen erhalten die Gemüsegärtner von Migros bisher keine brauchbaren Antworten.
Man habe das Gefühl, dass es bei den Migros-Verantwortlichen grundsätzlich am technischen Verständnis fehlt, hört man bei den Gemüseproduzenten hinter vorgehaltener Hand. Der Entscheid von Migros gleiche einem unüberlegten Hüftschuss, findet auch Gewächshaus-Experte Rudolf Schlatter. "Es wäre sinnvoller gewesen, Teilziele zu bestimmen und nicht einfach eine Jahreszahl als Endziel zu setzen."
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Migros-Gewächshaus irritiert
Die Branche stört sich denn auch vor allem an der Kurzfristigkeit des Beschlusses von Migros. Für einen Gemüsegärtner, der erst gerade eine neue Gasheizung eingebaut hat, ist die Umstellungsfrist von fünf Jahren eine echte Herausforderung. Aus der Vergangenheit wissen die Gemüsegärtner zudem, dass ihnen die Abnehmer die hohen Investitionskosten in der Regel nicht mit höheren Preisen abgelten.Die den Gewächshausbetreibern von Migros in Aussicht gestellte eine Million Franken pro Jahr – für die ganze Branche – als Beitrag für die Umstellung sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.
Wenn Migros dann noch ankündigt, dass sie im Wallis in einem 20 Hektaren grossen mit Fernwärme beheiztem Gewächshaus bald selbst Tomaten produzieren werde, dann sorgt das im gesättigten Schweizer Tomatenmarkt für zusätzliche Verunsicherung.