Caroline und Erich Schweizer, das Bauernpaar vom Höldihof, ist glücklich: „Unsere betagten Eltern erklärten kurz vor der „Chiirsiärn“, dass sie nicht mehr auf Leitern steigen können und somit als Kirschenpflücker der 170 Hochstammbäume ausfallen. So kam uns die Anfrage von Pierre Coulin, Geschäftsführer von Hochstamm Suisse, ob wir bei einem Pilotprojekt mitmachen möchten, wie gerufen.“ Ziel des Projektes sei es, mit Flüchtlingen Bauernfamilien bei der zeitaufwändigen Ernte zu unterstützen und so quasi einen Ersatz anzubieten für die Pflückerinnen und Pflücker aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis, die jedes Jahr weniger werden. Die gemeinsame Arbeit auf und in den Bäumen biete ideale Möglichkeiten zur Integration von Flüchtlingen, wo nebenbei das gemeinsame Essen ein wichtiger Bestandteil sei. Die Erntehelfer würden selbständig per ÖV anreisen. Den Betrieben obliege die Einführung in die Arbeit sowie die Gewährleistung der Arbeitssicherheit. Die Arbeitszeit betrage sieben Stunden, wofür den Migranten kein Lohn ausbezahlt werden darf. Hingegen erhalten sie eine Motivationspauschale von vier Franken pro Stunde, die ein Sackgeld darstellt.
Alle haben etwas vom Kuchen
Schweizers sagen, sie hätten über das Angebot nicht lange nachgedacht und ihr Interesse für vier Helfer angemeldet. So arbeiten seit zwei Wochen vier Pflücker bei ihnen: drei junge Männer aus Afghanistan und einer aus dem Kongo, der am Medienanlass abwesend war. Die Bäuerin freut sich: „Die vier machen uns seit dem ersten Tag grosse Freude; es hätte nicht besser herauskommen können.“ Morgens um 9 Uhr seien sie auf dem Hof, würden bis 12 Uhr arbeiten. Dann gibt es ein gemeinsames Mittagessen; um 13 Uhr geht es zurück auf den Baum bis 17 Uhr. „Zwischendurch gibt es selbstverständlich ein feines Zvieri unter den Bäumen“, lachen die Töchter Nora (15) und Lia (12), „unsere Mutter bäckt täglich einen Kuchen, den die Flüchtlinge besonders schätzen.“
Die Flüchtlinge kennen sich aus
Auch die Töchter sind angetan von den Helfern, sie führten auf den Bäumen gute Gespräche und könnten viel erfahren über Länder, die sie nicht kennen. Allmählich würden sie ihnen auch erzählen, wie sie nach vielen Schwierigkeiten in der Schweiz angekommen seien. Ebenso Obstproduzent Erich Schweizer weiss nichts Nachteiliges über die neuen Arbeitskräfte zu sagen. „Ich wollte ihnen erklären, wie die Kirschen gebrochen, nicht gerupft, werden sollten“, erzählt er schmunzelnd. Da sagten sie mir, sie würden das kennen und ich erfuhr, dass sie alle vier auf dem Land aufgewachsen sind.
Weiter mit den Zwetschgen
Auf dem Höldihof hatten am Mittwoch die zahlreich erschienenen Presseleute das Gefühl, dieses Projekt sei nun eine wirklich gute Sache, die zwei Seiten Freude bereite. Christoph Dippner von z’RächtCho, der die Flüchtlinge während drei Wochen auf ihren Einsatz vorbereitet hat, freut sich mit der Bauernfamilie: „Bis jetzt waren 13 Flüchtlinge im Einsatz auf verschiedenen Betrieben, die mit dem bisherigen Ergebnis zufrieden waren.“ Zusammen mit Mirjam Würth, Geschäftsführerin z’RächtCho, und dem Geschäftsführer von Hochstamm Suisse, Pierre Coulin, hofft er, dass die Arbeit der Obstproduzenten ab Ende August bei der Zwetschgenernte wieder unterstützt werden kann.
Pilotprojekt:
Das Pilotprojekt „Flüchtlinge helfen bei der Ernte von Hochstammkirschen“, das am 25. Juni 2019 startete, ist gut angelaufen. Deshalb denken z’RächtCho Nordwestschweiz und Hochstamm Suisse über die Fortführung des Konzepts im Zusammenhang mit der anstehenden Zwetschgenernte nach. Der Dachverband z’RächtCho Nordwestschweiz ist ein Zusammenschluss von lokalen Volontär-Organisationen, die sich für die soziale und wirtschaftliche Integration von Flüchtlingen einsetzen. Sie führen Flüchtlinge an unsere gesellschaftlichen Strukturen heran und befähigen sie für den Schweizer Arbeitsmarkt. Der Verein Hochstamm Suisse ist eine Label-Organisation, getragen von Bauernfamilien, Verarbeitern und Naturschutzorganisationen, die den Hochstammobstbau fördert. Ziele sind die Erhaltung des landwirtschaftlichen Wertes und die Bedeutung von Hochstammobstgärten für die Biodiversität. Wo früher Bauernfamilien mit Hilfe von Verwandten und Bekannten ihre Kirschen von grossen Kirschenbäumen ernteten, bleiben die wertvollen Früchte immer häufiger hängen. Die beiden Organisationen wollen einen Beitrag zur Behebung dieses Arbeitsmangels leisten. Bauernfamilien, die in der Nordwestschweiz bei der Zwetschgenernte von Hilfe profitieren möchten, können sich sich beim Geschäftsführer von Hochstamm Suisse, Pierre Coulin, unter 079 401 36 63 melden.
Weitere Informationen zum Projekt unter: