Die Getreidelager von IP-Suisse sind leer. Einerseits liegt das am schlechten Sommer 2021, anderseits an der hohen Nachfrage. Diese Nachfrage ist insbesondere im Bereich des pestizidfreien Anbaus regelrecht explodiert. Mitverantwortlich dafür sind zweifelsohne die beiden Pflanzenschutz-Initiativen. Die Produzenten springen aber noch zögerlich auf diesen Zug auf, denn vielen fehlt es an der nötigen Erfahrung. Das ruft nach Beratung. IP-Suisse handelt und hat eine entsprechende Plattform in der Pipeline.
Was sind die Gründe, dass die Marktorganisation IP-Suisse in die Beratung einsteigen will?
Fritz Rothen: Entscheidender Auslöser ist der pestizidfreie Getreideanbau. Wir wurden überrascht von der riesigen Nachfrage. Jetzt braucht es Menge. Im Gespräch mit den Bauern haben wir erkannt, dass genau in diesem Bereich viele Fragen offen sind.
Was heisst das?
Es wurde sehr rasch klar, dass wir mehr Informationen an die Bauern bringen müssen. Im pestizidfreien Anbau bestehen unzählige Fragen; jeder Betrieb, jede Parzelle ist unterschiedlich. Wir haben einen Bedarf, diese Fragen zu beantworten und Erfahrungen von jenen, die bereits welche haben, weiterzugeben. Am Anfang war Euphorie – da entstanden viele kleine Projekte. Heute geht es um die Menge. Und hier können wir die Bauern nicht mehr alleine lassen.
Wieso merkt IP-Suisse das gerade jetzt?
Das hat mit unserer Geschichte zu tun. Wir konnten immer nur das machen, was wir auch finanzieren konnten. Wir sind nicht ins Leben gerufen worden, um uns gleich als oberstes Ziel die Beratung auf die Fahne zu schreiben. Ich gebe zu, die Beratung ist für mich eine Herzensangelegenheit – ich kam schliesslich ursprünglich aus diesem Kuchen als Landwirtschaftslehrer und Berater an der Rütti in Zollikofen BE. Die Landwirtschaftsschulen haben diese Aufgabe auch heute noch. Wir merken aber: Wenn wir als IP-Suisse in der Produktion weiterkommen wollen, brauchen wir zusätzliche Beratung.
Eine hauseigene also?
Ja. Wir spüren schon, dass sich die öffentliche Beratung dort auch bewegt, aber für uns braucht es noch mehr. Wir haben auch in der Vergangenheit Beratungen angeboten, aber wir bauen das jetzt aus. Wir müssen unbedingt breiter werden. Der Bedarf ist beispielsweise beim Getreide heuer deutlich sichtbar geworden. Die Ernte war schlecht, die Lager sind leer. Obschon wir uns gewehrt haben, kommen wir nicht umhin, Nicht-IP-Suisse-Getreide beizumischen. Die Ernte 2021 wird nicht reichen. Wir brauchen mehr Produktion. Es ist aber schwierig, neue Produzenten zu finden oder die Fläche auszudehnen. Es ist augenfällig: Hier braucht es Beratung. Der pestizidfreie Anbau stellt andere Ansprüche. Dem Respekt, den die Produzenten vor dieser Produktionsweise haben, können wir nur entgegenwirken, wenn wir Leute haben, welche bereits Erfahrung in dieser Produktion haben und dieses Wissen auch weitergeben.
Was fehlt denn den Schweizer Bauern zur Weiterentwicklung des Getreideanbaus?
Die Schweiz ist im Grunde kein Weizenland – nicht zuletzt aus klimatischen Gründen. Weizen passt zwar zur Schweiz, Weizen passt auch in die Fruchtfolge und zu den in der Schweiz angesiedelten Verarbeitungsbetrieben, die hohe Qualität bieten. Die Schweiz hat zudem eine Brottradition – es ist also wünschenswert, dass der Brotgetreideanbau überlebt und wir dadurch hierzulande eine gute Versorgung haben. Wir haben aber nicht diese Flächen, wie sie typische Getreideländer haben. Mit der Folge, dass der Stellenwert, aber auch das Wissen rund um den Weizen, vielleicht ein Manko erfährt. Ich wiederhole mich: Es braucht Begleitung und Beratung. Wichtig ist, dass wir auch anerkennen, dass nicht alle Betriebe gleich sind. Es gibt sehr affine Betriebsleiter, die sich beim Getreideanbau viele Überlegungen machen, oder auch Lohnunternehmer, die sich gerade im technischen Bereich auf sehr hohem Niveau befinden. Es gibt aber auch andere. Wir müssen bei allen Bemühungen auch hinnehmen, dass strukturell gesehen der Weizen nicht den gleichen Stellenwert hat wie die Milchproduktion, für die das Grasland Schweiz natürlich prädestiniert ist.
«Wenn wir weniger Chemie einsetzen, müssen wir uns Wissen aneignen.»
Fritz Rothen, IP-Suisse-Geschäftsführer
Was sind mögliche Inhalte dieser geplanten Beratung im Ackerbau?
Wenn wir weniger Chemie einsetzen wollen, müssen wir uns ein grosses Wissen aneignen. Wir wollen neue Formen suchen, wie wir diesen Wissenstransfer machen können. Es ist noch nicht so lange her, dass man im Bereich der Beratung einen Sparkurs eingeläutet hat. Wie wir nun feststellen – verursacht durch die Nachfrage der Verarbeiter und durch die Diskussionen mit den Konsument(innen) – ist ein neues Zeitalter eingeläutet worden. Nicht zuletzt durch die politischen Diskussionen und diese Abstimmungen tauchte die Frage nach den Grenzen des chemischen Pflanzenschutzes in unserer kleinstrukturierten Schweiz auf. Wir müssen das aufnehmen und wir müssen sparsamer mit Pflanzenschutzmitteln umgehen.
Bisher war Beratung freiwillig. Wäre es nicht zielführender, hier einen Zwang aufzuerlegen?
Nein. Die DNA der IP-Suisse sieht einen freien Bauern vor. Wir können kein System unterstützen, das Bauern zwingt. Wir wehren uns explizit gegen Anliegen, die ein Verordnen der Beratung fordern, um ans Ziel zu gelangen. Um kreativ zu sein, braucht es einen Freiheitsfaktor. Man muss Instrumente anbieten, aber Zwang aufzuerlegen, ist hier fehl am Platz. Das Interesse an diesem Wissen zu fördern, das ist unsere Aufgabe. Wir müssen herausfinden, was der Bedarf ist. Und genau das wollen und müssen wir tun.