Heuer muss sich der SGPV wohl weniger mit Überschussverminderung auseinandersetzten, sondern vielmehr mit der Einspeisung von Brotgetreide in den Futterkanal. Die Gründe dazu sind bekannt. Das weiter anhaltende Schlechtwetter verschärft die Lage zusehends.

Erreicht Brotgetreide die erforderliche Qualität für den menschlichen Verzehr nicht, deklassiert die Sammelstelle den Posten zu Futtergetreide und vereinbart mit dem Lieferanten einen angepassten Preis. Aber auch für Getreide zu Futterzwecken sind die Anforderungen streng und der Spielraum ist klein. Allerdings bestehen für Mykotoxine (sekundäre Stoffwechselprodukte aus Schimmelpilzen) im Futtermittelsektor nur Richtwerte als Empfehlung. Ein gesetzlicher Höchstgehalt ist nur für Aflatoxin (Mykotoxin des Schimmelpilzes Aspergillus flavus) definiert.

Allgemein sind die Richtwerte der Mykotoxinbelastung für Ferkel und Jungsauen am kleinsten.

  • In Mischfuttermitteln für Milchrinder und Kälber, Milchschafe und Lämmer, Milchziegen und Ziegenlämmer, Ferkel und Junggeflügel gilt ein Aflatoxinhöchstgehalt von 0,005 mg/kg.
  • Für Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine und Geflügel gilt ein Höchstgehalt des Giftstoffes von 0,02 mg/kg.

Im Vergleich: Bei Getreide für den menschlichen Verzehr sind Aflatoxinhöchstwerte von 0,002 mg/kg bis 0,0001mg/kg festgelegt.

Speise, Futter, Biogasanlage

Werden auch diese Höchst- oder Richtwerte überschritten, muss das Getreide sachgemäss entsorgt werden. Dies erfolgt in den meisten Fällen in Biogasanlagen, worin die Ware vergärt wird. Daneben existiert die Beseitigung mittels Verbrennung oder Kompostierung (siehe Kasten rechts). Letztere Methoden sind in der Schweiz angeblich wenig verbreitet. Dies bestätigt auch Jürg Messerli von Ökostrom Schweiz: «Die meisten kontaminierten Getreideposten gelangen in landwirtschaftliche Biogasanlagen.» Wie Fabienne Thomas von Ökostrom Schweiz erklärt, gibt es im Grundsatz keine Regelungen bezüglich Mykotoxinhöchstwerten in Biogasanlagen. Es gibt verschiedene wissenschaftlichen Studien, die nachweisen, dass starke Mykotoxinbelastungen den Gärprozess nicht hemmen. «Die anaerobe mesophile Vergärung einer Biogasanlage bietet Gewähr für eine sichere und gesetzeskonforme Verwertung von kontaminierten Posten», so die Expertin.

Vom Gas zum Strom

Aus der Biogasanlage geht nach der Vergärung Biogas in Form von Methan hervor, das verstromt und so zur Wärme- und Stromgewinnung genutzt wird. Den Gärrest nutzt man anschliessend als hochwertigen Dünger. Dabei arbeitet der Fachverband für landwirtschaftliches Biogas nach dem Prinzip «Teller-Trog-Tank»: Nur, was nicht im Speisesektor verwertet werden kann, wird zu Futtergetreide und was auch dafür zu stark kontaminiert ist, landet in der Biogasanlage. «Man will natürlich vermeiden, dass Getreideabgänge verbrannt werden», so Jürg Messerli. Denn anders als die Verwertung in landwirtschaftlichen Biogasanlagen stellt die Verbrennung und Verwertung in ARA oder Kehrichtverbrennungsanlagen keine geschlossenen Nährstoffkreislauf dar. «Das Material, das nach der energetischen Nutzung in ARAs übrig bleibt, muss eingedickt und letztlich auch verbrannt werden», erklärt Jürg Messerli von Ökostrom Schweiz.

Anders als im Ausland wird in der Schweiz kein Getreide für die ausschliessliche Einspeisung in Biogasanlagen angebaut. In Deutschland jedoch orientieren sich die Landwirte wegen der hohen Methanerträge zunehmend an der Ganzpflanzensilage (GPS) für Biogasanlagen, wie das Magazin «Topagrar» schreibt.

Weniger Futterimporte

Die Annahme, dass aufgrund der aktuellen Auswuchssituation weniger Futtergetreide importiert werden muss, bestätigt Christian Oesch von der Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten: «Wenn wir mehr Auswuchsgetreide haben, müssen wir weniger Futterweizen importieren. Der Effekt dürfte sich vor allem im nächsten Jahr zeigen – die Schweizer Futtergetreide werden in den Monaten nach der Ernte aufgebraucht und danach wird auf die Importe umgeschwenkt», erklärt Oesch. Er betont dabei, dass die Importe rein kompensatorisch seien. «Das fehlende Inlandangebot von Futtergetreide muss mit Importen ausgeglichen werden», so Oesch.

             
 Getreideimporte in Tonnen

2014

2015

2016

2017

2018

2019*

Weichweizen

341 297

331 910

417 808

458 901

370 074

317 299

davon zu Futterzwecken

229 019

183 508

273 333

282 108

242 011

218 802

Hartweizen

78 607

65 375

66 982

68 628

64 661

73 822

davon zu Futterzwecken

323

0

0

32

0

1

Roggen

5856

4976

2780

2834

1776

2130

davon zu Futterzwecken

3309

992

722

266

146

0

Gerste

91 129

68 988

34 153

74 750

29 801

49 185

davon zu Futterzwecken

82 038

59 645

25 719

65 024

21 166

39 799

Triticale

1088

459

333

467

330

249

davon zu Futterzwecken

1083

254

243

414

33

129

Hafer

44 934

48 582

50 128

48 915

53 050

55 187

davon zu Futterzwecken

20 154

19 511

25 807

23 179

27 088

31 698

*= provisorische Werte. Getreide-Importe steigen, wenn die Inlandproduktion den Bedarf nicht decken kann. (Quelle Swiss Granum)

 

Was passiert mit dem deklassierten Getreide?

Kann Getreide aufgrund des überschrittenen Mykotoxingehalts nicht über den Futterkanal verwertet werden, landet es in den meisten Fällen in einer landwirtschaftlichen Biogasanlage. Sind die Werte aber auch dafür zu hoch, müssen die Getreideabfälle verbrannt, vergärt oder kompostiert werden. Getreideabfälle zeichnen sich durch sehr feine Teilchen mit einem hohen Gehalt an Trockenmasse und Zellulose aus. Aus diesem Grund braucht es zu ihrer Beseitigung ein Gemisch mit Abfällen gröberer Struktur (Verbrennung), mit Flüssig-abfällen (Vergärung) oder mit organischer Substanz (Kompostierung), wie die Branchenorganisation Swiss Granum schreibt.

Verbrennung

Die Verbrennung ist die schnellste und wirksamste Methode zur Zerstörung von Mykotoxinen. Sie ist aber in einem System ohne Energierückgewinnung die kostspieligste und hinsichtlich Ökologie und Energie die un-interessanteste. Nebst Zementwerken und Kehrichtverbrennungsanlagen gibt es spezielle Verbrennungsanlagen für Getreideabfälle mit Energieproduktion. Solche Anlagen sind in der Schweiz aber nicht verbreitet, denn der Bau der Anlage stellt eine grosse Investition dar und nur die neuste Technologie garantiert ein gutes Resultat ohne Russansammlung, wie Swiss Granum schreibt. Gelegentlich unternimmt man eine sogenannte Biomasse-Feuerung, wie ein Experte erklärt. Dabei würden Getreidespelzen mit Hackschnitzeln von Schreinereien oder Nussschalen vermischt, verfeuert und daraus Wärme gewonnen. Diese Beseitigungsart sei aber selten, so der Experte.

Vergärung

Die Vergärung oder Produktion von Biogas stellt gemäss Swiss Granum aus ökologischer und finanzieller Sicht eine interessante Beseitigungsmöglichkeit dar. Vor allem, weil die Anlagen dezentral verteilt sind und die Anfahrtswege so kurz gehalten werden. «Die Biogasanlage funktioniert ressourceneffizient und methanreduzierend», betont Jürg Messerli von Ökostrom Schweiz. Es gibt verschiedene Biogas-Systeme, die für die Fusarienbekämpfung eine genügende Hygienisierung aufweisen:

Thermophile Vergärung bei 52 bis 55°C: Die organische Substanz vergärt während mind. 22 Stunden bei dieser Temperatur. Diese Methode wird für die Vergärung von kontaminierten Getreideposten eher selten angewendet.

Mesophile Vergärung bei 38 bis 42°C: Bei diesen Temperaturen ist die Eliminierung aller pathogenen Erreger nicht zu 100 % gewährleistet, heisst es im Swiss-Granum-Infoblatt. Dies bestätigt auch der Kompost-Experte Jaques Fuchs. «Es kann sein, dass unter mesophilen Bedingungen die Fusarien nicht vollständig abgetötet werden», so Fuchs. Ökostrom Schweiz hingegen ist überzeugt, dass mit der mesophilen Vergärung Mykotoxine wirksam abgebaut werden. Dies, weil die heutigen Verweilzeiten in vielen Biogassystemen nicht mehr zirka 30 Tage, sondern oftmals gegen 90 Tage betragen, was durchaus ausreicht, um Mykotoxine effektiv abzubauen.

Kompostierung

Die Kompostierung ist aus ökologischer und finanzieller Sicht interessant. Allerdings können Getreideabfälle aufgrund ihrer Zusammensetzung nur zusammen mit anderen organischen Abfällen (max. 5 %) kompostiert werden, wie einem Swiss-Granum-Infoblatt zu entnehmen ist. Diese Methode ist gemäss Jaques Fuchs in der Schweiz nicht häufig anzutreffen. Die natürliche Hygienisierung der organischen Abfälle während der Kompostierung basiert u. a. auf folgenden Mechanismen:

  • Natürlicher Temperaturanstieg während der ersten Kompostierungsphase dank der intensiven Bakterienaktivität,
  • Inaktivierung der Pathogene durch toxische, chemische Substanzen, die bei der ersten Rottephase freigesetzt werden.

Diese Mechanismen garantieren die Zerstörung der Erreger. Allerdings ist der Datensatz über den direkten Abbau der Mykotoxine im Kompost lückenhaft. Diverse Studien beweisen, dass sie gegen Speisesäuren und hohe Temperaturen resistent sind. Mykotoxine können aber dank der Wirkung von Bakterien, Pilzen oder von Ammonium im Boden abgebaut werden