Obst-, Beeren- und gedeckte Gemüsekulturen sind für Ertrag und Qualität auf eine ausreichende Bestäubung angewiesen. Dazu beitragen können z. B. Hummeln oder Mauerbienen, die man als mehr oder weniger einsatzbereite Völker kaufen kann. Ist das eine gute Investition?
Verschiedene Arten
«In Gewächshäusern sehe ich kaum eine Alternative zu Hummeln», sagt Louis Sutter, Agroscope. Er wisse von einigen Obstproduzenten, die mit Imkern zusammenarbeiten. «Das ist aber ein kleiner Teil der Landwirte», schätzt Sutter. Weiter würden manche Mauerbienen einsetzen.
Welche Insekten für die Bestäubung am geeignetsten sind, hängt von der Kultur ab. «Am einfachsten orientiert man sich an der Blütenform», erklärt Louis Sutter. Während die körbchenförmigen Heidelbeerblüten von Hummeln besucht werden, brauchen kleine Bienen eher flache Blüten. Weiter gebe es Spezialfälle wie Tomaten: «Dort lösen sich die Pollen nur, wenn Hummeln die Blüten schütteln», so Sutter. Zudem sind die Insekten zu unterschiedlichen Tageszeiten unterwegs und nicht alle gleich sensibel auf tiefe Temperaturen und Wind. So fliegen Wildbienen ab 4 Grad und scheuen leichten Wind weniger, während Honigbienen zweistellige Temperaturen brauchen und Windstille bevorzugen.
Kommen – etwa im Gewächshaus – gekaufte Bestäuber zum Einsatz, stammen sie oft aus einer Zucht. 2023 war im Pro-Natura-Magazin zu lesen, Importhummeln aus Belgien – deren Einsatz für Tomaten, Peperoni oder Auberginen üblich sei – könnten problematisch sein. Krankheiten oder Parasiten könnten übertragen werden und die Importhummeln könnten sich mit hiesigen Populationen genetisch vermischen. «Die Folgen sind kaum untersucht», sagt Louis Sutter. Importierte Völker seien sicher nicht optimal, hält er fest. Pro Natura verweist auf das Projekt «Schweizer Hummel», das nach eigenen Angaben «die Versorgungslücke» mit heimischen Hummeln füllen will.
Ungenügend bestäubt?
Bei Erdbeeren gibt es typische Unterschiede in Grösse und Form, die auf eine ungenügende Bestäubung hinweisen. Bei Äpfeln sind die Symptome unklarer. «Es gibt indirekte Hinweise», erklärt Agroscope-Forscher Louis Sutter. «Etwa, wenn die Bedingungen in der ganzen Saison günstig waren, jedoch nicht während der Bestäubungszeit, und am Ende ein tieferer Ertrag als erwartet resultiert.» Laut Sutter beeinflusst die Bestäubung durch Insekten – im Gegensatz zur Bestäubung per Wind oder von Hand – nicht nur Fruchtgrösse und Form, sondern auch Zuckergehalt und bei Beeren die Lagerfähigkeit. Bei Verdacht auf ungenügende Bestäubung könne es sinnvoll sein, während der Blüte nach Insekten Ausschau zu halten oder Früchte von Parzellen mit unterschiedlicher Umgebung (nahe bei einer Hecke oder einem Gehölz versus strukturärmere Flächen) zu vergleichen.
Geringe Überlebenschancen
Gemäss Pro-Natura-Magazin hält das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) das Risiko für gering, dass importierte Hummeln Krankheiten und Parasiten bringen. «Die Zucht ist professionell und sauber», bemerkt Louis Sutter. Ausserdem glaubt er nicht, dass ausländische Hummeln zahlreich aus Gewächshäusern entweichen. «Sie haben dort alles, was sie brauchen», gibt er zu bedenken. Zudem handle es sich bei diesen Insekten um Hochleistungszuchten, die wohl in Freiheit geringere Überlebenschancen hätten.
Bei offenen Folientunneln oder im Obstbau wäre es wahrscheinlicher, dass zugeführte Bestäuber in einem weiten Umkreis fliegen. Dort ist es aber auch möglich, vorhandene Insekten zu fördern, etwa durch Blühstreifen am Rand der Beete. Das habe auch gegenüber dem Aufstellen von Mauerbienenkästen mit Starterpopulationen Vorteile: «Beim Bestäubungsservice werden Kokons aus allen Landesteilen in unterschiedliche Regionen verschickt. So können lokal angepasste Populationen verfälscht werden», erläutert Louis Sutter. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu gebe es allerdings nicht.
«Die Folgen sind kaum untersucht.»
Louis Sutter, Agroscope, über importierte Hummelvölker.
Ökologisch und finanziell
Der Zukauf von Mauerbienen stellt zwar sicher, dass für Massenblüten zum richtigen Zeitpunkt genügend Bestäuber da sind. «Aber Mauerbienen sind nicht selten», ergänzt Louis Sutter. Sie und andere Wildbienen mit Ast- und Steinhaufen, Hecken, Blühstreifen und Ackersäumen sowie geeigneten Nisthilfen zu fördern, sei daher vielversprechend. «An den wenigsten Orten ist es nötig, zusätzliche Mauerbienen zuzuführen.» Ausserdem profitieren von solchen Massnahmen neben lokal angepassten Mauerbienen auch andere Arten, was die Bestäubung wiederum effizienter bzw. stabiler mache. «Da sich die Insektenarten in ihrem Verhalten unterscheiden, ist es so wahrscheinlicher, dass die Kultur unabhängig vom Wetter bestäubt wird», so Sutter.
Im Obstbau hält der Forscher die allgemeine Förderung von Nützlingen für die nachhaltigste Methode, um eine ausreichende Bestäubung zu gewährleisten. Dies nicht nur in ökologischer, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Zwar sind Insektenvölker relativ günstig, ohne lokale Population werden sie aber zur jährlich notwendigen Anschaffung. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Bäume oder Beerensträucher zugänglich sind – was gerade bei vollständig eingenetzten Anlagen nicht das ganze Jahr gegeben ist. Dort und in Gewächshäusern bleiben zugeführte Mauerbienen bzw. Hummeln oder die Zusammenarbeit mit Imkern wichtig. «Man kann die Bestäubung als einen Teil der Bewirtschaftung sehen wie die Düngung», fasst Louis Sutter zusammen. Es gebe dazu verschiedene Möglichkeiten – für Ertrag und gute Fruchtqualität sollte man sich aber darum kümmern.

