Fruchtfolge schlägt Zikade – das war der Aufruf von Junglandwirt und Zuckerrübenproduzent Stefan Stucki aus Kehrsatz BE. Er hat vergangene Woche aus Eigeninitiative zu einer Versammlung aller Zuckerrübenproduzent(innen) aus dem bernischen Aare- und Gürbetal eingeladen. Er will seine benachbarten Berufskolleg(innen) motivieren, gemeinsam der Schilf-Glasflügelzikade den Garaus zu machen und so den Zuckerrübenanbau zu sichern.

SBR senkt Zuckergehalte

Mehr Rüben – weniger Zucker. Das ist die Entwicklung der letzten fünf Anbaujahre, wie Adrian Bucher von der Schweizer Zucker AG veranschaulicht. «Im Jahr 2024 fehlt den Zuckerfabriken 12 Prozent Zucker im Silo, obwohl 120 000 Tonnen mehr Rüben verarbeitet wurden», erklärt Bucher.

Die Zuckergehalte und die Zuckererträge sind in den letzten Jahren gesunken. So wurden im Jahr 2018 im nationalen Schnitt 10 653 Tonnen Zucker pro Hektare geerntet. 2024 waren es noch 8747 Tonnen. Nebst den Wetterextremen sei die Vergilbungskrankheit SBR (Syndrome Basses Richesses) ausschlaggebend für die tiefen Zuckergehalte. «Smart-Sorten sind besonders anfällig auf SBR und können bis zu 5 Prozent Zucker verlieren», mahnt Samuel Jenni von der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau.

Die Krankheit setzt die Wirtschaftlichkeit der Produzent(innen) sowie der Fabriken und die Swissness stark unter Druck. Schliesslich braucht es immer mehr Rübenfläche dafür, dieselbe Menge an Zucker produzieren zu können.

Kein Winterweizen nach Rüben

«Es ist unbestritten, das Potenzial der Fruchtfolgeanpassung ist enorm auf die Zikadenentwicklung», sagt Stefan Vogel von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). Als Vorbild dient das Projekt in der Region Chablais VD unterhalb des Genfersees. Dort haben über 80 Prozent der Zuckerrüben-Produzent(innen) während zweier Jahre auf den Anbau von Winterweizen nach Zuckerrüben verzichtet. «Dank dieser Winterbrache konnten die Zuckergehalte in der Region wieder gesteigert werden», erklärt Stefan Vogel. In Regionen mit der Kombination von SBR-toleranten Sorten und dem Verzicht auf Winterweizen nach Zuckerrüben konnten Erfolge mit im Schnitt wieder rund 16 Prozent Zuckergehalt erzielt werden.

Wintergetreide nach Zuckerrüben ist die Haupt-Überwinterungsstätte der Zikade. Im Sommer, wenn die Zikade in die Rübenfelder einfliegt, legt sie ihre Eier zur Rübe ab. Daraus schlüpfen Nymphen, die entlang der Rübe nach unten wandern, um zu überwintern. Sät man Winterweizen, können sich die Nymphen den ganzen Winter über von den Wurzeln ernähren, bis sie sich im Frühjahr zur adulten Zikade entwickeln. Danach fliegen sie aus den Weizenfeldern in umliegende Rübenfelder ein – bis zu eine Million Zikaden pro Hektare.

Zikade aushungern lassen

Die Zikade macht aber auch vor anderen Kulturen nicht halt. Mittlerweile ist bewiesen, dass SBR auch für Gefässbündelverbräunung und schlechte Backqualität bei Kartoffeln verantwortlich sein kann. Weitere Wirtspflanzen sind gemäss Untersuchungen aus Deutschland Karotten, Rote Bete, Wurzelpetersilie und Pastinaken.[IMG 2]

Allerdings ist trotz diversen Wirtspflanzen der Winterweizen nach Zuckerrüben der Hauptvermehrungsweg der Zikade. Eine Winterbrache kann sie wortwörtlich aushungern lassen und so die Vermehrung eindämmen.

Als Alternativen zu Winterweizen stehen Sommerkulturen wie Speise- oder Pflanzkartoffeln, Mais, Sonnenblumen, Soja, Sommereiweisserbsen und Lupinen zur Auswahl. Auch Gründüngungen sind möglich, jedoch sollte auf Getreide- und Gräserhaltige Mischungen nach Zuckerrüben verzichtet werden. Arten wie Senf oder Ölrettich würden funktionieren, könnten aber in Fruchtfolgen mit Raps wieder problematisch sein.

Nicht einmal die Bodenbearbeitung ist wirksam gegen die Zikade. «Es wurde alles versucht, pflügen, tiefpflügen, grubbern, Kreiselegge, alles mehrmals, aber leider ohne Erfolg. Die Nymphen überleben selbst den Rübenroder», muss Samuel Jenni enttäuschen. Der Ansatz zur Bekämpfung bleibt also bei der Fruchtfolge.

Solidarität ist gefragt

Die Resultate aus dem Projekt in Chablais sprechen für sich und geben Hoffnung, mit flächigem Verzicht auf Winterweizen nach Zuckerrüben die Zikade in den Griff zu bekommen. Bleibt aber die Frage, wie viele Produzent(innen) sich in Bern beteiligen werden. Denn auch in Chablais brauchte es anfangs viel Überzeugungsarbeit, damit möglichst viele Produzent(innen) mitgemacht haben, erinnert sich Stefan Vogel.

«Die Umsetzung der Massnahme funktioniert nur mittels Solidarität gegenüber den Berufskolleg(innen) und ist freiwillig», mahnt Stefan Stucki. Er erhofft sich eine flächendeckende Beteiligung, ist sich aber auch im Klaren, dass die Anpassung der Fruchtfolge nicht auf jedem Betrieb umgesetzt werden kann.

Denn in der Diskussionsrunde der Besuchenden sind trotz spürbarer Motivation schwierige Fragen aufgetaucht: Wie sieht es wirtschaftlich aus, wenn statt Winterweizen z.B. Sonnenblumen gesät werden? Kann jeder Betrieb die Fruchtfolge langfristig anpassen? Was ist, wenn der benachbarte Rübenproduzent nicht mitmacht? Was ist mit dem Produktionssystembeitrag «angemessene Bedeckung des Bodens»?

Die letzte Frage konnte beantwortet werden. Selbst wenn die Rüben bereits zu Beginn der Kampagne abgeliefert werden könnten, werde erst im Oktober gerodet. Bei einer Ernte erst nach dem 30. September bedarf es keiner Winterbegrünung, um den Beitrag zu erfüllen.

Verzicht hilft nicht nur Rüben

«Ob die Umsetzung wirtschaftlich und vom Management her vertretbar ist, muss jeder Betriebsleitende für sich beurteilen», sagt Stefan Stucki. Aber die Massnahme würde nicht nur den Zuckerrübenanbau schützen, sondern auch Kartoffeln und den Anbau weiterer SBR-Wirtspflanzen wie Karotten. Die Zusammenarbeit der Rübenproduzent(innen) könnte die Zukunft des Pflanzenbaus sichern. «Im Moment sind wir grösstenteils noch von der Krankheit Stolbur verschont. Damit unterscheidet sich die Situation deutlich von deutschen Anbaugebieten, in denen SBR und Stolbur häufig gemeinsam auftreten und die Schäden verstärken», mahnt Stefan Vogel.

Eine hohe Beteiligung ist erstrebenswert, da der Schädling mobil ist und in benachbarte Parzellen einfliegen kann. Aber bereits eine Beteiligung von rund 80 Prozent konnte sichtbare Erfolge bringen in Chablais. In der eingezeichneten Region (siehe Karte) wären 77 Produzent(innen) mit einer Fläche von ungefähr 190 Hektaren gefordert, mitzumachen. Aber es brauche auch etwas Geduld. Sichtbare Effekte seien erst ab dem zweiten Massnahmejahr zu erwarten.

Bei Interesse oder Fragen können Sie sich entweder an Stefan Vogel von der HAFL oder an die Zuckerrüben-Fachstelle wenden.