Schwester Irmegard, die Betreiberin der Wäscherei des Klosters Engelberg, habe, wenn es am wöchentlichen Waschtag jeweils regnete, die Statue des Heiligen Josef in den Regen hinausgestellt. «So kann man Heilige für schlechtes Wetter bestrafen», erklärte Pater Christian, der Abt von Engelberg, in seinem Referat an der Zentralschweizer Pflanzenschutz- und Obstbautagung augenzwinkernd. Ob es an der laufend kleiner werdenden Auswahl an Pflanzenschutzmitteln oder an den Wetterextremen der vergangenen Jahre lag, dass die Zentralschweizer Obstbauern Rat beim Ordensmann suchten, blieb an der Tagung am BBZN Hohenrain allerdings offen.
Extremes Obstjahr
Hätten es die Innerschweizer Obstbauern im vergangenen Jahr der Schwester Irmegard gleichgemacht, wäre die Josef-Statue im Jahr 2024 oftmals nass geworden. «Es war ein extremes Jahr, während der ganzen Saison gab es kaum längere Schönwetterphasen. Das führte zu einem hohen Druck durch Pilzkrankheiten. An der Messstelle in Oberkirch gab insgesamt 47 Schorfinfektionstage», erklärte Adrian Seeholzer, Berater für Spezialkulturen beim BBZN. «Dazu kam, dass bereits 2023 ein Problemjahr war und dadurch das Sporenpotenzial entsprechend hoch war. Die Starkniederschläge haben den Pflanzenschutz zusätzlich erschwert. Der Schutzbelag wurde infolge der hohen Regenmengen schnell abgewaschen, und die Fahrgassen in den Anlagen waren teils kaum mehr zu befahren», so Adrian Seeholzer.[IMG 2]
«Die Preissenkungen werden nicht auf die Produzenten abgewälzt.»
Barbara Kälin, Leiterin Marketing Früchte und Gemüse der Genossenschaft Migros Luzern.
Blattfall infolge Marssonina
Beim Feuerbrand sei es vor allem im Luzerner Seetal zu mehreren Infektionen gekommen, und die Marssonina-Blattfallkrankheit habe insbesondere bei unbehandelten Hochstammbäumen teils zu dramatischen Bildern geführt. «Bäume haben vereinzelt bereits Ende Juli abgelaubt», so der Obstbauspezialist.
Koni Stocker, Obstbauer und Zentralschweizer Produzentenvertreter beim Schweizer Obstverband, informierte über die nationale Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte», welche ab diesem Jahr auch bei den Kirschen und Zwetschgen umgesetzt werde. Ziel dieses Nachhaltigkeitsprogrammes sei es, politischen Druck aus dem Obstbau wegzunehmen. «Mit unserem proaktiven Vorgehen wollten wir ein Programm erreichen, das auf den Betrieben auch umsetzbar ist», erklärte der Urswiler Obstproduzent. Er selber setzte die Massnahmen auf seinem eigenen Hof bereits im vergangenen Jahr als Pilotbetrieb um. Die Obstbetriebe können aus hundert Massnahmen in neun Handlungsfeldern für sie umsetzbare Massnahmen selber auswählen, um so die erforderliche Punktzahl zu erreichen. Für die Mehrleistungen der Obstbauern entschädige der Handel die Produktion mit 20 Rappen pro Kilogramm Zwetschgen und 25 Rappen pro Kilogramm Kirschen.
Die Tagungsteilnehmer sorgten sich für einmal weniger um die Umsetzbarkeit der Massnahmen als darum, wer den daraus entstehenden Mehraufwand effektiv finanziert. Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbands, betonte, dass die erwähnten Beträge für die Mehrleistung der Produktion gerechnet seien. «Die Massnahmen des Nachhaltigkeitsprogrammes wurden ja von Politik und Konsum bestellt und müssen darum auch von diesen finanziert werden.» Ähnlich tönte es auch von Othmar Gander, Produktmanager Früchte der Genossenschaft Migros Luzern, der zusammen mit Barbara Kälin, Leiterin Marketing Früchte und Gemüse, die Vermarktungsstrategie der Migros vorstellte. «Es wird sicher noch Verhandlungen geben, aber aus meiner Sicht müsst ihr euch über die Finanzierung des Produkt-Mehrerlöses des Nachhaltigkeitsprogrammes keine Sorgen machen. Wir waren es ja auch, die mehr Nachhaltigkeit forderten», so Othmar Gander.
«Wir wollten ein Nachhaltigkeitsprogramm, das auf den Höfen umsetzbar ist.»
Koni Stocker aus Urswil, Obstbauer und Zentralschweizer Produzentenvertreter beim Schweizer Obstverband.
Tiefpreisstrategie beängstigt
Wenig euphorisch zeigten sich die Obstbauern gegenüber der im Oktober 2024 kommunizierten Tiefpreisstrategie der Migros, welche mit markanter Verkaufspreisreduktion bei den Äpfeln im Laden bereits spürbar sei. «Der Preis für Gala sank von 3.20 Franken auf 2.90 Franken. Sind dadurch die Verkaufsmengen gestiegen? Wer übernimmt diese Preissenkungen, müssen wir Obstbauern uns sorgen, dass diese auf uns Produzenten abgewälzt werden?», fragte Markus Thali, der Präsident des Luzerner Obstbauvereins. Trotz wenig Begeisterung ihrerseits sei der Schritt zur Tiefpreisstrategie leider nötig gewesen, erklärte Barbara Kälin.
Preissensibler Konsument
«Wir bewegen uns aktuell in einer Zeit, in der der Konsument sehr preissensibel ist. Gerade Kunden in der Region Luzern achten sehr stark auf Aktionen.» Die Entwicklung der Verkaufsmengen sei im Moment noch sehr unterschiedlich. Die Verkaufspreisdifferenz werde von der Migros getragen. «Diese werden nicht abgewälzt, denn wir wollen von den Produzenten auch zukünftig gute Produkte», so die Marketingexpertin gegenüber den Obstbauern.
Spannende Obstbautagung
Organisiert wurde die Zentralschweizer Pflanzenschutz- und Obstbautagung von der Arbeitsgemeinschaft Zentralschweizer Obstproduzenten (AZO). Die AZO ist die regionale Vereinigung der Obstbauvereine Luzern, Zug, Schwyz, Ob- Nidwalden, Uri. AZO-Präsident Kilian Diethelm und seinem Team gelang es einmal mehr, ein sehr vielseitiges Programm auf die Beine zu stellen. So ging der Ostschweizer Obstproduzent und Baumschulist Yanick Lehner auf die Erfolgsfaktoren von erfolgreichen Kirschenanbauregionen ein und stellte den Kirschenanbau in Chile vor. Zudem stellte der Berner Obstproduzent Tobias Meuter seinen vielseitigen Betrieb vor. Der erfolgreiche Direktvermarkter gab spannende Inputs zu den verschiedenen Vertriebsmethoden.
Verbesserungspotenzial bei der Kirschen-Vermarktung
«Im Jahr 2024 mussten leider sogar Entsorgungsmassnahmen getroffen werden», umschrieb Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbands, die schwierige letztjährige Marktsituation bei den Kirschen. Die Grossernte habe alle gefordert. Im Bereich Qualität und Sortenempfehlungen sieht er für die Branche noch viel Arbeit. «950 Betriebe produzierten total 136 verschiedene Kirschensorten, das ist eindeutig eine zu grosse Sortenvielfalt. Da ist die Konkurrenz im Ausland schon weiter.»
Auch Obstproduzent Yanick Lehner sieht noch grosses Verbesserungspotenzial. «Bei den Kirschen ist aus meiner Sicht das Qualitätsniveau im Vergleich zu anderen Früchten in der Vergangenheit tendenziell gesunken. Der Konsument kauft nur einmal schlechte Kirschen, dann weicht er auf andere Früchte aus.» Dass für fast alle Sorten der gleiche Marktpreis gelte, mache es nicht wirklich interessant, auf neue aromatische Sorten mit einer längeren Haltbarkeit zu wechseln. «Die Abnehmerseite sollte vielleicht einmal klar kommunizieren, welche Sorten sie in drei Jahren nicht mehr abnehmen wird. Dann wüssten die Bauern wenigstens, welche Sorten nicht mehr gepflanzt werden sollten», so Yanick Lehner.
Viel Erfahrung in der Kirschenvermarktung hat auch der Direktvermarkter Tobias Meuter aus Vinelz BE. «Die Kirschen sind für unseren Betrieb ein Türöffner, der neue Kunden in unseren Laden bringt.» Da Kirschen aber ihren Preis hätten, dürfe nur Premiumqualität angeboten werden. «Vor allem die Frische, aber auch Festigkeit und Aroma sind entscheidend. Zudem bevorzugen die Schweizer Konsumenten schwarze Kirschen.»