Die Versprechen von Güllezusatz-Anbietern sind so vielfältig wie die Angebotspalette selber. «Weniger Ammoniak», «weniger Gestank», «höhere Stickstoff-Effizienz», «bessere Nutzung der Gülle», «bessere Fliessfähigkeit», «keine Verbrennung der Pflanzen», «löst Schwimmschicht auf», «steigert den Ertrag» – um nur einige zu nennen.

Der Rattenschwanz der Fäulnis

Was hat es mit diesen Versprechen auf sich? Obwohl sich die Hersteller und die Lehre nicht in allen Punkten einig sind, findet man heute zahlreiche Beobachtungen aus der Praxis, die zeigen, dass die Gülleaufbereitung ihre Vorteile hat.

Einer der Gründe, Gülle aufzubereiten, ist das meistens enge C:N-Verhältnis der nicht-aufbereiteten Gülle. Davon ist Simon Jöhr überzeugt. Er ist Berater für regenerative Lösungsansätze in der Landwirtschaft. Er beobachtet, dass nicht-aufbereitete Gülle rascher in einen Fäulniszustand fällt. Dort dominieren Fäulnisbakterien wie z. B. Clostridien. Und weil der Stickstoff vor allem in Form von Ammoniak vorliegt, geht viel wertvoller Nährstoff verloren.

Regenwürmer ersticken, weil ihre Haut durch die oft viel zu basische Gülle verätzt wird. Die nicht-aufbereitete Gülle fördert auch eine einseitige Pflanzenflora, wodurch unerwünschte Pionierpflanzen, Gräser und Beikräuter gedeihen, denn durch die fehlende Aktivität des Bodenlebens wird ihr Keimreiz ausgelöst. Die häufigsten Keimursachen sind die fehlende Bodenatmung und die schlechte Kalzium-Verfügbarkeit.

Simon Jöhr erklärt, dass besonders beim Ausbringen von fauler Schweinegülle die Böden mit Phosphor übersättigt werden, was zu einem Eisenüberschuss führt. Dies wiederum hat eine Kalium-, Zink- und Kupfer-Blockade zur Folge. In manchen Fällen können sogar Kalzium-Verfügbarkeitsprobleme auftreten. Das «Mulders-Chart» macht ersichtlich, wie diese Wechselwirkungen passieren (siehe Grafik).

[IMG 2]

Die Aufbereitung der Gülle soll Balance schaffen

Die Aufbereitung der Gülle soll also das ungleiche Verhältnis der Spuren- und Mengenelemente im Boden wieder in Balance bringen. Bodenbelebende Massnahmen gibt es eine ganze Fülle auf dem Markt, wie zum Beispiel Methoden zur Rotteförderung, die Applikation von Flüssighumus oder die Zugabe von Güllezusätzen. Die Zusätze sind in drei Hauptgruppen unterteilbar.

Gruppe A: Güllezusätze der Gruppe A wirken durch die Hemmung mikrobieller Umsetzung in der Gülle. Dazu gehören chemisch-synthetische Verbindungen wie Metallsalze oder mineralische und organische Säuren.

Gruppe B: Güllezusätze der Gruppe B fördern und steuern eine mikrobielle Umsetzung. Dazu gehören Gesteinsmehle, Tonminerale, Algen, Kompostpräparate, Pflanzenextrakte und -wirkstoffe, Mikrobenkulturen und Mikrobennahrung (wie z.  B. Öle, Fette oder Zucker).

Gruppe C: Güllezusätze der Gruppe C beeinflussen die mikrobielle Umsetzung in der Gülle über «feinstoffliche Informationen». Dazu gehört die Dynamisierung und Potenzierung von Mikro- und Makronährstoffen und sonstigen Wirkstoffen (ähnlich wie in der Homöopathie).

Einige Zusätze der Gruppe B sind hier aufgeführt:

Pflanzenkohle: Puffert, bindet flüchtige Stoffe, speichert Nährstoffe, reduziert Stickstoffverluste und Emissionen, wertet Hofdünger auf, bringt Kohlenstoff in den Boden, bietet grosse Oberfläche und dauerhaften Lebensraum für regenerative Mikroben.

Perlhumus: Puffert stärker als Pflanzenkohle, verdrängt pathogene Keime, enthält Dauerhumus, bindet Giftstoffe, speichert Nährstoffe und ist dauerhafter Lebensraum für regenerative Mikroben, gibt im Boden die Nährstoffe bei Bedarf an die Pflanze ab.

Effektive Mikroorganismen: Die EM-Präparate beinhalten Mikroorganismen, die unter Luftzufuhr und Luftabschluss arbeiten. Dies hat den Vorteil, dass die Gülle nicht immer wieder gerührt werden muss. Die wertvollen Stickstoffverbindungen in der Gülle werden durch das Präparat zu mikrobiellem Eiweiss verstoffwechselt. EM-Güllezusatzstoffe können in Kombination mit Pflanzenkohle in die Gülle gemischt werden und sind auf Bio-Betrieben zugelassen.

«Boden-Fit»: Verdrängt Fäulnisbakterien, reichert die Mikrobenvielfalt an, hygienisiert Hofdünger.

Biolit-Urgesteinsmehl: Besteht zu 60 % aus Siliziumdioxid, bringt daher Mineralien und Spurenelemente in die Gülle und in den Boden. Es vermindert Geruch und Schwimmdeckenbildung bei Flüssighofdüngern, baut Bodenverdichtungen schnell ab, fördert Regenwürmer und die Bodenkrümelung, hygienisiert Hofdünger, stärkt die natürliche Darmflora von Nutztieren und die Bakterienschutzflora an derPflanzenoberfläche, fördert Mulchrotte, regeneriert Grünlandpflanzenbestände und fördert Leguminosen.

Zeolith: Das siliciumhaltige Gesteinsmehl bindet Schwermetalle und reguliert die Nitrataufnahme, verbessert die N-Düngung und die Feinwurzelbildung. Streuung angezeigt bei Kalium und Phosphor-Überschüssen.

Fulvic25: Der Biostimulator hat einen hohen pH-Wert (8,3) und Fulvin-Gehalt und begünstigt die Aufnahme von Mineralien im Boden. Er setzt Phosphate frei und kann von der Pflanze aufgenommen werden, wodurch die Wurzelentwicklung verstärkt wird.

Heu-, Boden- oder Komposttee: Diese Tees werden in der regenerativen Landwirtschaft zur Verbesserung der Boden- und Pflanzengesundheit eingesetzt. Der Tee soll Pflanzen stärken und ihre Abwehr gegenüber Krankheiten und Schädlingen verbessern. Im Boden soll die Bodenaktivität und somit der Humusaufbau erhöht werden.

Melasse: Schwarze Zuckerrohrmelasse dient laut dem Hersteller während der Fermentation als Nährstofflieferant für die effektiven Mikroorganismen.

Bor: Besonders bei Trockenheit und pH-Werten von über 7 können Bor-Mängel auftreten, da unter diesen Bedingungen Bor aus dem Boden nicht aufgenommen werden kann.

Die Mikroorganismen-Präparate bestehen aus Bakterien oder Mykorrhiza. Die Boden- und Pflanzenhilfsstoffe bestehen aus Pflanzen- oder Algenextrakten, die entweder alleine oder zusammen mit Mikroben, Kalk, Gesteinsmehlen, Kleie oder Melasse ausgebracht werden, wie das FiBL schreibt. Bei der Zugabe von Algen in die Gülle wird laut Herstellern die Verrottung der Gülle gefördert sowie ihre Fliessfähigkeit verbessert. Zudem würden mit der Ausbringung der Algen Spurenelemente und Aminosäuren auf die Flächen gebracht.

Immer frische Gülle aufbereiten, rät der Fachmann

Unabhängig vom eingesetzten Mittel empfiehlt Berater Simon Jöhr, immer frische Gülle aufzubereiten. «Es braucht sehr viel, um bereits gefaulte Gülle aufbessern zu können», so der Agronom. Neben der Aufbereitung mit den oben genannten Produkten kann auch Sauerstoff ein effektiver Zusatzstoff für Gülle darstellen. Bei der Belüftung von Gülle rät er, mehrmals täglich, aber nur mit wenig Luft zu arbeiten, damit kein Stickstoff entweicht.

Auch Luft ist ein Güllenzusatz

Bei der Güllenbelüftung zu beachten, sind folgende Punkte:

  • möglichst wenig Lufteinlass
  • Intervalllänge der Lagergrubengrösse anpassen
  • Anzahl Intervalle drei- bis 12-mal pro Tag
  • kein Dauerbetrieb beim Ausbringen der Gülle (Schaumbildung vermeiden)
  • bei offenen Güllelagern: Luft im Winter ausAbwasserleitungen oder temperierten Räumen ansaugen(warme Luft)
  • Anlage überwachen (Lufteinlass, Rührwirkung, Defekte von Zeitschaltuhr usw.)
  • frische Gülle möglichst vor dem Einsetzen der Gärung belüften.

Die Umweltparameter sind zu beachten

Wo sich Forschung und Praxis einig sind: Das Potenzial von Güllezusätzen ist gross. Die Erkenntnisse aus der Praxis sind jedoch teilweise nicht kohärent, wie aus den vorhandenen Erfahrungsberichten zu entnehmen ist. Ein Faktenblatt der Arbeitsgruppe Landwirtschaft und Umweltschutz beschreibt, dass die Zusammensetzung gewisser Mittel zum Teil nicht genau bekannt sei. Aus diesem Grund sind gewisse Wirkungsweisen nicht vollständig wissenschaftlich erklärbar, wie die Arbeitsgruppe festhält.

Die Erfahrung anderer Betriebe gelte es unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände zu interpretieren. So habe eine Vielzahl von Umweltparametern einen Einfluss auf die Wirkung, wie zum Beispiel der Antibiotika-Einsatz auf dem Betrieb. Dieser beeinflusst die Vitalität der eingesetzten Kulturen, die sich gegen die vorhandene Gülleflora durchsetzen müssen.

Aus diesem Grund empfehlen Anbieter, die Zusatzstoffe anhand der vorliegenden Begebenheiten des Betriebs auszuwählen – und sich beraten zu lassen.