Anfangs Februar wurde in der ganzen Schweiz Gülle ausgebracht. Ergibt das Güllen – abgesehen von den teilweise randvollen Güllegruben – zu einem solch frühen Zeitpunkt schon Sinn?
«Es kommt darauf an. Wenn die Pflanzen bei diesen Temperaturen schon wachsen können, ist es sicher sinnvoll. Aber die Mikroorganismen im Boden sind sicher noch nicht genügend aktiv, um die Umwandlung des Stickstoffes im Boden zu machen», erklärt Marco Odermatt, Pflanzenbaulehrer und Berater am Berufsbildungszentrum Natur & Ernährung Luzern (BBZN) in Schüpfheim.
Ein breites Spektrum
Apropos Mikroorganismen und Hofdünger: Mikroorganismen können der Gülle auch bereits in der Güllegrube als Zusatz hinzugefügt werden. Zu den Güllezusätzen zählt neben Mikroorganismen ein breites Spektrum an Stoffen. Ebenso breit gefächert sind deren Wirkungsgrad und Kosten. Denn als Güllezusatz können von Wasser über Pflanzenkohle und Gesteinsmehl bis zu Mikroorganismen alle möglichen zur Gülle hinzugefügten Stoffe bezeichnet werden.
Welcher dieser Zusätze gewählt wird, hängt von den zu verbessernden Eigenschaften der Gülle ab. Während einige Stoffe die Gülle fliessfähiger und homogener machen, dienen andere zur Nährstoffoptimierung. Um nur einige dieser Zusätze zu nennen:
- Wasser: Verbessert die Fliessfähigkeit; reduziert Ammoniakemissionen; günstig; ein gewisser Wasseranteil ist in Hofdüngern meist unvermeidbar; durch die Verdünnung wird die Gülle weniger ätzend und pflanzenverträglicher.
- Säure: vorwiegend Schwefelsäure; zum Ansäuern der Gülle ▶ weniger Ammoniak- und Geruchsemissionen.
- Pflanzenkohle: bindet Nährstoffe ▶ weniger Ammoniak- und Geruchsemissionen, geringere Nährstoffverluste.
- Trockenhefe: vermehrt sich in Gülle; bindet Stickstoff ▶ weniger Ammoniak- und Geruchsemissionen.
- Gesteinsmehl und andere Mineralien: bewirken Unterschiedliches, machen die Gülle unter anderem pflanzenverträglicher.
- Mikroorganismen: häufig mit Milchsäurebakterien; sind als Präparate zu kaufen; binden Nährstoffe; können die Fliessfähigkeit verbessern; vermehren sich in der Gülle.
Neben Wasser würden Pflanzenkohle und Mikroorganismen wohl am häufigsten verwendet, meint Marco Odermatt vom BBZN.
Nicht erst in der Güllegrube
Längst nicht alle Güllezusätze werden aktiv der Güllegrube hinzugefügt, denn diverse Zusätze gelangen bereits über das Tierfutter und folglich die Verdauung im Tier in die Güllegrube. Ein Beispiel ist Aktivkohlepaste als Ergänzungsfuttermittel oder Milchsäure. Im Fall von Pflanzenkohle wird generell die Kaskadennutzung empfohlen: Z. B. zuerst zum Einstreuen, um das Stallklima zu verbessern (weniger Ammoniak, weniger rutschige Laufgänge). Anschliessend gelangt das Pulver in die Gülle, wo es sich mit Nährstoffen «auflädt» und diese am Ende nach dem Ausbringen den Pflanzen zur Verfügung stellt.
Auch allfällige Antibiotikarückstände in der Gülle können deren Eigenschaften beeinflussen. Dies sei einigen Landwirten noch immer zu wenig bewusst, erklärt Dominik Amrein, Pflanzenbaulehrer und Berater am Berufsbildungszentrum Natur & Ernährung Luzern (BBZN) in Hohenrain. Laut Amrein stören Antibiotika das mikrobielle Leben in der Gülle erheblich und töten sowohl die guten als auch schlechten Bakterien ab.
Schwierig zu erforschen
Güllezusätze sind im Angebot diverser Firmen zu finden. Diese Produkte sind aber auch immer mit Kosten verbunden und es muss abgeschätzt werden, ob sich die Investitionen auch wirtschaftlich rechnen. Als Landwirt kann man auftretende Veränderungen beobachten, jedoch ist es schwer abzuschätzen, wie gross der Nutzen der Zusätze tatsächlich ist. Zumal auch die exakte Zusammensetzung der Gülle und wetterbedingte Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Das erschwert nicht zuletzt die Arbeit von Forschenden, aussagekräftige Studien zu den Effekten von Güllezusätzen durchzuführen und deren tatsächliche Effekte zu messen.
Ausserdem hätten Betriebe, die bewusst Güllezusätze einsetzen, vermutlich ohnehin ein verbessertes Güllemanagement, da sie bereits einiges an Zeit und Geld für die Aufbereitung ihrer Hofdünger aufwenden. «Folglich ist es nicht immer klar, ob nur der Güllezusatz den Erfolg bringt oder vielmehr der gezieltere Umgang mit der Gülle und die weiteren Stellschrauben, an denen gedreht wurde», so Dominik Amrein weiter.
Festzustellen sei aber, dass diverse Zusätze die Gülle weniger aggressiv machen. Dies sei angenehmer für die Regenwürmer und andere Bodenlebewesen, sagt Marco Odermatt vom BBZN.
Welcher Zusatz lohnt sich?
Bei der Kostenfrage gilt es auch zu bedenken, welche Mengen eines Güllezusatzes für die angestrebte Wirkung nötig sind. Da Mikroorganismen oder auch Trockenhefen Lebewesen sind, die sich immer weiter vermehren, können sich diese auch im neu hinzukommenden Hofdünger wieder anreichern und so bis zu einem gewissen Grad selbst kultiviert werden. Es braucht jedoch von Zeit zu Zeit Nachschub, um den Grundstamm weiterhin aufrechtzuerhalten. Anders sieht es beispielsweise bei Pflanzenkohle oder Gesteinsmehl aus. Diese können sich nicht vermehren und müssen daher ständig hinzugegeben werden, um den Anteil konstant halten zu können.
Vor dem Kauf lohnt sich ausserdem ein Blick in die Richtlinien der Labels: Nicht alle Güllezusätze sind überall erlaubt. Diverse Einschränkungen gibt es im biologischen sowie im biodynamischen Landbau. Auch gewisse Käsereien haben Vorgaben zum Einsatz von Güllezusätzen.
Gülleansäuerung: Projekt der HAFL
Derzeit läuft ein Projekt der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) zur Ansäuerung von Gülle zur Reduktion von Ammoniakemissionen. Dabei wird auf dem Holzhof im luzernischen Neuenkirch durch Schwefelsäure der pH-Wert der Gülle gesenkt. Damit sollen die Ammoniakemissionen bereits im Stall reduziert werden. Beim Projekt untersuchen die Forschenden auch die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit. In Dänemark ist das Verfahren der Ansäuerung schon länger bekannt und wird breitflächig angewendet.