«Um unseren Weihnachtsbaumwald haben wir absichtlich keinen Zaun gemacht», erklärt Hansjakob Fünfschilling, während er durch die wilden Tannenbaumreihen schreitet. «Und die Parzelle nenne ich bewusst ‹Wald› und nicht ‹Plantage›- die Natur soll hier Platz haben», sagt der Senior, der seinen Betrieb im freiburgischen Lully vor 20 Jahren seinem Sohn Simon Fünfschilling übergeben hat, welcher die Dauerkultur damals auf Bio umstellte.
Hohes saftiges Gras windet sich Ende Oktober um die erntebereiten Tannenbäume. Drei- bis viermal jährlich wird das Gras zwischen den Bäumen gemäht und die Kultur mit Pferdemist gedüngt. Erst nach zehn Jahren oder mehr – je nach gewünschter Grösse – werden die Tannenbäume maschinell geerntet. Dabei etikettieren, schneiden und «netzeln» die Arbeiter(innen) die Bäume und machen sie bereit für die Lieferung in die Verkaufszentrale. Fünfschillings vermarkten die Bäume direkt und über die Detailhändlerin Coop.
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«Wir arbeiten ohne Direktzahlungen»
30 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche umfasst der Betrieb, wo Fünfschillings die Weihnachtsbäume auf 20 Hektaren und Futter für die Pferde auf zehn Hektaren produzieren. «Wir arbeiten ohne Direktzahlungen», betont Fünfschilling vermehrt und enerviert sich gleichzeitig darüber, dass ihre Bemühungen, naturnah Tannenbäume zu produzieren, vom Bund nicht anerkannt würde. «Aber ohne den Bund im Rücken haben wir mehr Verhandlungsspielraum», sagt Fünfschilling, zurück im warmen Büro.
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Der Initiant des Vereins «Weihnachtsbaum Produzenten Schweiz» bezeichnet sich selbst als Vater der Nordmannstanne. Er habe dafür gesorgt, dass sich die Nordmannstanne vor fünfzig Jahren hier in der Schweiz zum markttauglichen Weihnachtsbaum etabliert hatte.
«1970 hatte ich auf dem Markt in Basel die Nordmannstanne aus Dänemark entdeckt. Damals war mir klar: Ich wollte diesen perfekten Baum in der Schweiz produzieren und auf den Markt bringen». Benannt wurde diese Art im Jahr 1842 nach dem finnischen Biologen Alexander von Nordmann, der die Tanne damals in Georgien entdeckt hatte.
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Bei Nacht und Nebel gestohlen
Als dreijährige, etwa 15 Zentimeter grosse Setzlinge kommen die Tannenbäumchen in Lully an und werden mit einem Spezialsetzgerät gepflanzt. In den ersten Jahren wird der Boden mit Pferdemist belegt, um die Kultur mit Nährstoffen zu versorgen. Wenn es nicht genug regnet, wird jeder Setzling mit einem Druckfass und Schläuchen begossen.
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Hansjakob Fünfschilling hat die Parzelle, auf der der Weihnachtsbaumwald steht, beim Anlegen der Kultur mit Schwarzerlenbäumen ausgestattet. «Das ist in vielerlei Hinsichten positiv für die Nordmanns- und Rottannen», so Fünfschilling. Einerseits dienen die Bäume als Hagelschutz, denn die jungen Triebe der Bäume sind im Frühling beim Frischaustrieb dadurch immer sehr gefährdet. «Nur 50% der Weihnachtsbäume schaffen es mit den richtigen Massen und Qualitätsanforderungen bis auf den Weihnachtsmarkt», steht in der Autobiografie des Weihnachtsbaumproduzenten. «Der Rest wird für Kränze oder Dekorationen gebraucht – und, eigentlich erstaunlich in unserem Land, bei Nacht und Nebel gestohlen». Diese Qualitätsanforderungen sind in der Tat hoch. «Die Schwiegermutter darf man nicht sehen hinter dem Weihnachtsbaum», scherzt Hansjakob Fünfschilling, und deutet dabei auf die optimale Astung eines Tannenbaumes. Der Spitz darf nicht zu lang und die Abstände zwischen den Ästen nicht zu gross sein, damit der Baum schön dicht ist – und eben keine Schwiegermutter dahinter sichtbar ist.
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Der zweite Vorteil des Agroforstsystems ist das Angebot von alternativen Rastmöglichkeiten, sodass die Vögel nicht die Spitzen der Tannen abbrechen. Negativ an diesem Agroforstsystem ist lediglich das Laub, welches im Herbst in den Weihnachtsbäumen hängen bleibt. Mit Abschütteln entfernen Fünfschillings bei der Ernte das Laub. Denn Coop will kein Laub auf den Tannenbäumen.
«Man kann ein Pferd nicht im Hühnerstall aufziehen»
Seine zweite grosse Passion sind Sportpferde. Zucht, Aufzucht, Anreiten, Ausbilden. Das alles hatte der Initiant des Zuchtverbands Schweizer Sportpferde (ZVCH), Cheval Suisse, der Verkaufsschauen und der Schweizer Jungpferdeprüfungen über Jahrzehnte auf seiner Agenda. An der Wand im Büro des leidenschaftlichen Pferdezüchters hangen zwischen Aufnahmen seiner erfolgreichsten Sportpferde, die alle den Namenszusatz «de Lully» tragen, Medaillen von internationalen Concours, Siegerfotos dreier Weltcupfinale, Dressurauszeichnungen und EM-, WM- und Olympiasiegtitel. «Man kann ein Pferd nicht im Hühnerstall aufziehen», sagt Fünfschilling, während er von seinen Anfängen in der Pferdezucht erzählt. «Man musste alles etablieren – nichts war vorhanden».