Es werde ein mässiges Feigenjahr, sagen Stephan und Andrea Stocker. Sie sind mitten in der Ernte der süssen braunen Früchte, welche sie als einzige Produzenten in der Schweiz grossflächig anbauen. 160 Bäume mit acht Sorten setzten sie 2012 auf ihrem 10 ha grossen Betrieb auf einer halben Hektare in acht Reihen, mit Tropfenbewässerung versehen, was die Fruchtgrösse steigere. Seit einigen Jahren ist die Anlage auch eingenetzt, nachdem sie vorher teils grosse Schäden wegen Vogelfrass hatten. Vögel seien nicht die einzige Herausforderung gewesen, sagt Stephan Stocker. Auch Mäuse seien in der vollbegrünten Anlage ein Problem, die würden Wurzeln und Rinde fressen. Zur Bekämpfung setzt er konsequent auf Topcat-Fallen, und seit einigen Jahren werde auch gemulcht. Verschont blieben die reifen Früchte bisher vor der Kirschessigfliege. Auch Pflanzenschutzmittel bräuchten Feigen keine, eingesetzt werde lediglich etwas Hofdünger.

Lange Erntezeit

Zu kalt und zu nass sei es dieses Jahr für die sonnenliebenden Früchte, die hier an der milden Seelage aber grundsätzlich gut gedeihen. Die Ernte erfolge gestaffelt je nach Sorten, von Mitte Juli bis Mitte August, die zweite Staffel von Mitte September bis zu den ersten Frösten. Durchschnittlich könnten sie rund 1,2 t jährlich ernten, dieses Jahr wohl etwas weniger, meint Andrea Stocker. Für die reifen Tagesfrüchte hätten sie derzeit einen guten Absatz, auch dank jahrelangem Aufbau einer Stammkundschaft. Verkauft wird vor allem ab ihrem Hofladen, wo ein breites Sortiment an Feigenprodukten, aber auch Obst, Süssmost, Freilandeier, Destillate aus der eigenen Brennerei, Natura-Veal-Fleisch von den Kälbern der eigenen Mutterkühe, und Brennholz angeboten werden.

Direktvermarktung bedeutend

Beliefert würden auch Restaurants und kleinere Läden und Märkte mit den süssen vollreifen Feigen, bis nach Zug und Zürich. Längst nicht alle Früchte könnten frisch verkauft werden, viele, auch zweitklassige, würden konserviert. «Das wollen wir auch, wir setzen stark auf selber verarbeitete Produkte», betont Andrea. «Damit wir die Kundschaft ganzjährig beliefern können», ergänzt Stephan. Mit Feigenkonfitüre, Feigensenf, Feigenbalsamico, Feigendestillat und getrockneten Feigen. Die Direktvermarktung habe auf ihrem Betrieb einen sehr hohen Stellenwert.

Den Betrieb und die Feigenproduktion stellten Stockers letzte Woche rund 35 interessierten Landwirten vor, im Rahmen einer Exkursion der Luzerner Offensive Spezialkulturen, organisiert vom BBZN. Dabei hätten sie auch klar darauf hingewiesen, dass dies lediglich Nischen sein könnten, der Einstieg und Aufbau nicht zu unterschätzen, und die grösste Herausforderung der Absatz sei. «Wir haben zehn Jahre auf den heutigen Absatz hingearbeitet, und der ist auch heute noch sehr anspruchsvoll», betonen beide übereinstimmend. «Der Markt wartet auf niemanden.» Er wolle Interessierten an Spezialkulturen keineswegs die Illusionen nehmen, aber die Realität und Grenzen müssten eben auch gesehen werden, weiss Stephan Stocker als Pionier mit jahrelanger Erfahrung, der Hoch und Tiefs erlebte und auch einiges an Lehrgeld beim Aufbau dieser Kultur zahlte. Eher skeptisch ist er gegenüber der finanziellen Förderung von Spezialkulturen durch den Kanton. Es sei heikel, in eine Produktion zu investieren, wenn man nicht wisse, ob der Absatz funktioniere. Stocker rät zwar zu unternehmerischem Mut, aber Einsteiger sollten klein beginnen und sich vor allem selber einen Markt aufbauen. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die schon vor 25 Jahren staatlich mitfinanzierten Projekte zur Förderung von Edelkastanien in der Region, diese Kultur wurde an der Exkursion ebenfalls thematisiert. Noch heute wisse man kaum etwas mit den Marroni anzufangen.

Gratis-Beratung nutzen

Trotz auch kritischen Bemerkungen stosse der Einstieg in Spezialkulturen bei den Luzerner Bauern auf zunehmendes Interesse, stellt Fabian Burch vom BBZN Hohenrain fest. Vor allem seit einigen Wochen gebe es viele Anfragen für das Förderprogramm, zumal nun auch mehr Klarheit zu den raumplanerischen Möglichkeiten bestehe. Er weist auf das Beratungsangebot für Einsteiger hin, zehn Stunden seien für die Bauern kostenlos. Und auch Investitionen könnten mitfinanziert werden, betont Burch. Es gebe durchaus ein Potenzial für Spezialkulturen, und das sei zu nutzen.

Neue Merkblätter schaffen Klarheit über die raumplanerischen Rahmenbedingungen
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Spezialkulturen stellen spezielle Anforderungen an die betriebliche Infrastruktur: So braucht es Wohnungsunterkünfte für saisonale Arbeitskräfte, Lager- und Aufbereitungsräume, Witterungsschutzanlagen oder auch Wasserspeicher für die Bewässerung. Solche Bauten unterliegen raumplanerischen Auflagen. Das wurde kürzlich an einem Fokustag thematisiert, an dem zahlreiche Interessierte teilnahmen und wo die zuständigen Luzerner Dienststellen über Möglichkeiten und Grenzen orientierten. Mehr dazu

Nicht alles bewilligungsfähig

In den letzten Tagen wurden nun auf der Website der Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) vier Merkblätter aufgeschaltet, so zu «Bauten und Anlagen für Spezialkulturen», «Betriebsnotwendiger Wohnraum», «Lagerung und Aufbereitung von Spezialkulturen» und «Lokale Wasserspeicherung». Darin wird aufgezeigt, was als bodenunabhängig und was als bodenabhängig beurteilt wird, welche Bauten für welche Flächengrössen zonenkonform oder als Bestandesgarantie bewilligungsfähig sind oder wie lange und mit welchen Materialien und Konstruktionen ein Witterungsschutz toleriert wird. Für saisonale Arbeitskräfte können Wohnräume in Form von Modulbauten oder Camper bewilligt werden. Die Betriebe müssen nachweisen, dass sie für weitere Arbeitskräfte auf solchen zusätzlichen Wohnraum angewiesen sind. Die Erstellung von solchen Wohnräumen für Jahresaufenthalter ist hingegen nicht zulässig. Lager- und Verarbeitungsräume können nur für Spezialkulturen geltend gemacht werden, welche bereits auf selbst bewirtschafteten Fläche angebaut werden, und die Betriebe müssen zonenkonform sein. Solche Bauten sollen prioritär innerhalb der Hofgruppe realisiert werden, bei Flächenbedarf über 100 m2 ist ein Konzept über die Weiterentwicklung des Betriebes einzureichen. Werden solche Räume nicht mehr für den ursprünglichen Zweck verwendet, müssen diese zurückgebaut werden.

Wasser immer wichtiger

Der Bedarf für lokale Wasserspeicher für die Bewässerung oder Frostschutz von Spezialkulturen ist aufgrund einer Checkliste nachzuweisen. Am verträglichsten seien naturnah gestaltete Teichanlagen ohne Hartverbau der Ufer und mit einer jährlichen Restwassermenge für den Artenschutz. Werden Fruchtfolgeflächen beansprucht, so sind diese ab 500 m2 zu kompensieren. Der Bau von lokalen Wasserspeichern kann mit Strukturverbesserungsbeiträgen finanziell unterstützt werden.

Die Merkblättergibt es hier:

Bauten und Anlagen
Wohnraum
Lagerraum
Wasserspeicher