Vor neun Jahren hat der Thurgauer Regierungsrat das Amt für Umwelt damit beauftragt, ein neues Hochwasserschutzkonzept für das Thurtal zu entwickeln. Nun liegt der Entwurf Thur+ vor, den Regierungsrätin Carmen Haag letzte Woche in Frauenfeld den Medien präsentierte. Darin sind die wichtigsten Planungsgrundsätze für neue Projekte enthalten.
Dammbrüche bei einem Jahrhunderthochwasser
«Die letzten Thur-Hochwasser liegen zwar Jahrzehnte zurück», hielt Carmen Haag eingangs der Orientierung fest. «Doch die Ruhe ist trügerisch.» Einem Jahrhunderthochwasser könnten die Dämme in manchen Stellen nicht standhalten, Teile des Thurtals würden überschwemmt werden. Mit Durchbrüchen von Wassermassen ist bereits bei einem Hochwasser, wie es alle 30 Jahre vorkommt, zu rechnen. «Zwar ist bereits ein Schutzsystem vorhanden, doch weist dieses Mängel auf», erläuterte Martin Eugster, Chef vom Amt für Umwelt. Für grosse Wassermengen seien die Thurdämme nicht ausreichend belastbar.
Es gibt keine Seen als Puffer
Das Besondere an der Thur ist, dass keine Seen als Puffer dazwischen liegen. Braut sich im Alpstein oder im Toggenburg ein grösseres Unwetter zusammen, kann der Pegelstand der Thur innert weniger Stunden gefährlich ansteigen. Dazu kommt, dass mit dem Klimawandel die Niederschlagsintensität steigt. Die Gründe für die Schwächen des heutigen Schutzsystems sind verschiedenerlei: Zum einen erschweren die Auflandungen im Vorland der Thur den Abfluss. Eingeklemmt zwischen den Blocksteinen der Dämme erodiert zudem der Fluss immer tiefer, wodurch das Grundwasser beeinträchtigt wird. Hinzu kommt, dass durch die Kanalisierung die Artenvielfalt stark abgenommen hat.
Schwächen beheben
Das Konzept Thur+ soll diese Mängel beheben und das Thurrichtprojekt von 1979, das bis heute Grundlage für Wasserbauvorhaben ist, ablösen. Der vorliegende Entwurf basiert auf einer breit angelegten Machbarkeitsstudie.
Ziel ist dabei, dass ein Jahrhunderthochwasser innerhalb der Dämme abgeleitet werden kann und die Thur wieder zu einem naturnahen Fliessgewässer mit grosser Biodiversität wird. Dabei lautet der Grundsatz, dass die bestehenden Dämme bleiben, wo sie sind. Dieses Vorgehen ist vorgesehen:
- Bauliche Massnahmen: Sie sind auf Schwächen hin zu überprüfen und wo nötig mit baulichen Massnahmen auszubessern.
- Mechanische Erweiterung: Das heutige Flussbett soll mechanisch von 50 m auf etwa 80 m aufgeweitet werden, indem etwa Blocksteine der Uferverbauungen entfernt werden.
- Eigendynamische Erweiterung: Eine weitergehende Aufweitung auf die natürliche Breite soll dem Fluss überlassen werden.
- Auenwälder: Eine Ausnahme bilden die Auenwälder Wuer, Hau-Äuli und Wyden in der Region Frauenfeld. Indem die Dämme dahinter zurückversetzt werden, werden die Auen wieder zu einem Teil des Flusssystems und bereichern das Landschaftsbild.
Jetzt wird der Raumbedarf festgelegt
Die Ausscheidung des Gewässerraums an der Thur erfolgt in verschiedenen Phasen. Mit der Genehmigung des Konzepts Thur+ wird zunächst der behördenverbindliche Raumbedarf festgelegt. Anschliessend ist es Aufgabe der Gemeinden, bis 2026 den minimalen Gewässerraum grundeigentümerverbindlich auszuscheiden. Um Spezialfälle handelt es sich bei der Vorländer Bonau und beim Exerzierplatz Weinfelden, wo es um den Erhalt von Ackerland geht und besondere Lösungen gefordert sind. Das Bauprojekt 2014 Weinfel-den-Bürglen ist aktuell auf dem Rechtsweg hängig (die BauernZeitung berichtete).
Die Umsetzung des Konzepts mit konkreten Projekten soll gestaffelt über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren stattfinden. Vorgesehen sind drei Hauptetappen:
1. Etappe: Murgmündung-Weinfelden
2. Etappe: Bürglen-Bischofszell
3. Etappe: Zürcher Schwelle- Murgmündung
Zu Beginn jedes Projektabschnitts ist die Durchführung einer landwirtschaftlichen Planung vorgesehen, wobei Grundeigentümer, Standortgemeinden sowie Interessenvertreterinnen miteinbezogen werden. Die einzelnen Baukredite müssen vom Grossen Rat abgesegnet werden.
Die Landwirtschaft ist mitbetroffen
Insgesamt wird mit Kosten von 340 Millionen Franken gerechnet. «Mit dem heutigen Schutzkonzept müssten dagegen bei einem einzelnen Extremereignis mit Kosten von über 570 Millionen Franken gerechnet werden», gab Regierungsrätin Carmen Haag zu bedenken.
Der Entwurf zu Thur+ ist Ende August den Grundeigentümern, Gemeinden, Parteien und Verbänden vorgestellt worden. Die Vernehmlassung dauert bis Ende Jahr. Es wird auch vonseiten der Landwirtschaft genau überprüft werden: Auf Anfrage der BauernZeitung sagte Jürg Fatzer, Geschäftsführer vom Verband Thurgauer Landwirtschaft (VTL): «Für uns kommt es vor allem darauf an, in welchem Ausmass mit Landverschleiss gerechnet werden muss und wie mit den Fruchtfolgeflächen umgegangen wird.»
Weitere Informationen: www.thur.tg.ch. Darauf sind alle Unterlagen zu Thur+ aufgeschaltet. Diese können beim Amt für Umwelt in Papierform eingesehen werden. Terminvereinbarungen via umwelt.afu@tg.ch oder 058 345 51 51.
Informationsveranstaltung zu Thur+ am 24. September, 19.30 bis 22 Uhr im Thurgauerhof in Weinfelden.
Anmeldung notwendig, via Eingabemaske auf www.umwelt.tg.ch, via umwelt.afu@tg.ch oder 058 345 51 51.