Hülsenfrüchte wie Linsen und Ackerbohnen kommen derzeit auf dem Teller gross heraus. Sie werden auf der Suche nach Alternativen zu Fleisch entdeckt – «wieder entdeckt», stellt die Agrarwissenschafterin Tilika Chamberlin vom LZ Liebegg klar. «Kulturhistorisch waren die Hülsenfrüchte in der Schweiz schon mal da.»

Mahlzeit für 10 Franken

Fleisch zu mögen, ist kein Grund, auf Hülsenfrüchten zu verzichten. «Das sind Kraftpakete mit viel Protein, Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen», sagt Karin Nowack, Liebegger Fachspezialistin für Ernährung. Der hohe Anteil an Nahrungsfasern regt das Verdauungssystem an und stabilisiert den Blutzuckerspiegel. Leguminosen sättigen gut, zudem sind sie günstig. «Mit Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Gemüse lässt sich für 10 Franken eine vollwertige Mahlzeit für vier Personen kochen», hat Karin Nowack ausgerechnet. Und zwar mit Schweizer Produkten, die im Laden deutlich mehr kosten als Importware.

Erbsen und Bohnen als Einstiegskulturen

Früher konnten sich die wenigsten Menschen täglich Fleisch leisten. Dafür kamen häufig Linsen, Ackerbohnen und Co. auf den Teller. In der landwirtschaftlichen Produktion gerieten die Leguminosen aus der Mode, als die Schweizer Bauern den Getreideanbau intensivierten und weniger auf Mischkulturen setzten. Damit fuhren sie mit weniger Risiko höhere Erträge ein. Denn Hülsenfrüchte sind teilweise recht anspruchsvoll in der Produktion. Kichererbsen beispielsweise brauchen hohe Temperaturen wie im vergangenen Sommer zum Abreifen. Solche klimatischen Verhältnisse sind in der Schweiz aber (noch) nicht der Normalzustand. «Eiweisserbsen und Ackerbohnen sind ertragssicherere Einsteigerkulturen, zudem kann man zwischen Herbst- und Frühlingssorten wählen», sagt Tilika Chamberlin.

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Dossier Serie Anbau von Körnerleguminosen Monday, 18. July 2022 Um Erfahrung und Fachwissen aufzubauen, hat das Landwirtschaftliche Zentrum Feldversuche mit Leguminosen ins Programm genommen. Weiter braucht es Infrastrukturen für die Verarbeitung, wenn der Anbau von Schweizer Leguminosen in Schwung kommen soll. Und das sollte er, findet Reto Ryser von IP Suisse. «Wir möchten, dass die Schweizer Landwirtschaft am Trend zu Hülsenfrüchten in der Ernährung partizipiert und das pflanzliche Eiweiss nicht nur importiert wird», sagt er. IP Suisse arbeitet daran, Strukturen entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu erstellen.

Mehr Anbau ist das Ziel

Derzeit ist die Menge an Leguminosen unter dem IP-Label noch bescheiden. Aber das Ziel ist klar: den Anbau steigern und diversifizieren.

«Es rentiert», das ist die gute Nachricht von Fabian Wenzinger. Der Liebegger Fachspezialist Feldbau hat die Wirtschaftlichkeit von Eiweisserbsen unter die Lupe genommen. «Zwei Drittel des finanziellen Ertrags bringen die Direktzahlungen», lautet der Nachsatz, wie häufig bei extensiven Kulturen.

Gut für die Fruchtfolge

Der Agronom hat bei seinen Berechnungen den positiven Fruchtfolgeeffekt für Nachkulturen mitberücksichtigt. Leguminosen binden Stickstoff aus der Luft, das ist besonders für Betriebe ohne viel Hofdünger interessant. Die Fruchtfolge werde mit Eiweisserbsen breiter, zudem breche diese Kultur Arbeitsspitzen, lauten weitere Argumente. Im Aargau werden Körnerleguminosen derzeit nur auf rund 1 Prozent der offenen Ackerfläche angebaut, Eiweisserbsen machen den Hauptanteil aus. Das LZ Liebegg hat zum Anbau von Körnerleguminosen einen Steckbrief verfasst: https://www.liebegg.ch/de/dokumente-feldbau.html

 

Selbst Skeptiker füllen den Teller
Schmeckt es? Rentiert es? Je nach Arbeitsgebiet auf dem Landwirtschaftsbetrieb stellen sich andere Fragen. Am Liebegger Flurgang «vom Acker auf den Teller» gab es Referate zum Thema Leguminosen, die Teilnehmenden wählten nach ihren Interessen. Zur Wahl standen Inputs der im Artikel erwähnten Fachleute und einige mehr. Zum Schluss gab es ein Buffet mit Hülsenfrüchtenvariationen; selbst anfängliche Skeptiker füllten ihre Teller mehrmals. Vielleicht beginnt der Weg zu mehr Schweizer Leguminosen ja auf dem Teller. Gekocht hat das Liebegger Küchenteam nach Ideen von Karin Nowack. Die Umweltnaturwissenschafterin und Fachspezialistin Ernährung trat im November eine neu geschaffene Stelle zur Förderung der nachhaltigen Ernährung im Aargau an.