Am Rebberg Stokarberg soll der modernste Rebberg der Schweiz entstehen. Federführend bei diesem Projekt ist die Weinkellerei GVS Schachenmann AG. Bei Geschäftsführer Philippe Brühlmann laufen alle Fäden für das futuristische Projekt zusammen. Er sieht den Versuchsrebberg als ein wichtiges und notwendiges Projekt, um Biodiversität und Nachhaltigkeit im Weinbau voranzutreiben. Die GVS will mit ihren Erkenntnissen Wissen für die ganze Branche generieren.
Die GVS spricht vom «Rebberg der Zukunft». Was macht diesen Rebberg zum modernsten der Schweiz?
Philippe Brühlmann: Neben den robusten Sorten und einer modernen Anlage ganz klar der Einsatz digitaler Hilfsmittel. Wir arbeiten hier mit Roboter, Drohnen, selbstfahrenden Traktoren – ab 2024 hoffentlich elektrisch – und den dazugehörenden Software-applikationen.
Welche Entscheidungen führten zur Standortwahl amStokarberg?
Der Ursprung liegt in einem vergangenen Projekt des Kantons und einiger Schaffhauser Anspruchsgruppen für einen nachhaltigen Schaffhauser Rebbau. Im Rahmen dieser Gespräche war der Stokarberg als Testlage im Fokus. Nachdem der Abschlussbericht nach Bern versandt wurde, nahmen wir unsererseits den Schwung mit und realisierten mit dem Pächter und Winzer Adrian Müller die Anlage nach unseren Vorstellungen.
Die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, digitale Hilfsmittel und die Förderung der Biodiversität sind zentrale Pfeiler des Projekts. Was haben Sie bei der Pflanzung anders gemacht als in einem herkömmlichenRebberg?
Eigentlich nicht viel. Der Kanton Schaffhausen hat uns bei der präzisen Einmessung der Reben und der gesamten Anlage finanziell grosszügig unterstützt. Damit konnten wir die Basis für die Digitalisierung der Reben legen. Jeder Rebstock ist GPS-erfasst.
Bleiben wir bei der Digitalisierung: Welche Smartfarming-Technologien kommen zum Einsatz?
Wir wollen alles ausprobieren, was wir können. Dabei hilft uns, dass unser Schwesterunternehmen, die GVS Agrar AG, Projektpartner der Swiss Future Farm in Tänikon ist. Dadurch haben wir Zugang zu Herstellern und Start-ups neuer Technologien, insbesondere in der Robotik.
Kann sich der «normale» Rebbaubetrieb diese Technologien überhaupt leisten?
Nein, im Moment noch nicht. Aber wir denken, dass wir mit dieser Rolle auch etwas anschieben können, das zukünftig unseren Produzent(innen) an Erfahrungswerten dienen kann. Irgendjemand muss den ersten Schritt machen. Grosse Agrardrohnen waren bis vor ein paar Jahren unerschwinglich. Heute kann sich ein durchschnittlicher Betrieb ein solches Gerät leisten.
Für die ökologische Aufwertung wurden Blühstreifen, Wiesen, insektenfreundliche Terrassen und Trockenmauern angelegt. Ist die Bewirtschaftung dadurch eingeschränkt?
Nein, überhaupt nicht. Die Anlage wurde so konzipiert, dass die Bewirtschaftung effizient ablaufen kann. Wir haben einen grossen Teil der Anlage vonTerrassen auf Direktzug umgestellt. Basierend auf einer vorgängigen Kartierung der Flora und Fauna wurde die Anlage entsprechend geplant.
In der Mitte des Rebberges haben wir auf eine Reihe Reben verzichtet und einen Blühstreifen angelegt. Der Unterhalt kann mit einer möglichst geschickten Planung relativ überschaubar gehalten werden. Übrigens hat sich aufgrund der bisherigen schonenden Bewirtschaftung des Pächters Adrian Müller eine äusserst seltene Pflanzenart im Rebberg niedergelassen: dernickende Milchstern.
Die GVS Weinkellerei verzichtet auf ein Label, zumindest vorerst. Aus welchem Grund?
Wir haben uns bei der Fragestellung bewusst auf die Gesamtökobilanz eines Weines konzentriert und uns damit gedanklich von Labeln wie Bio-Knospe oder IP-Suisse distanziert. Wir wollen uns vollkommen auf die praktische Anwendung konzentrieren, um nachvollziehbare Erfahrungen für den Rebbau zu sammeln. Oder anders ausgedrückt, frei denken und die Ärmel hochkrempeln zugunsten der Nachhaltigkeit unter Einbezug neuester Technologien.
«Wir rechnen 2025 mit der ersten Ernte.»
Philippe Brühlmann, Geschäftsführer GVS Schachenmann AG
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Wann erwarten Sie die erste Ernte?
So wie sich die schönen Jungreben gerade entwickeln, hoffen wir auf eine erste Ernte 2025. Die Fläche des Rebberges umfasst knapp eine Hektare, somit rechnen wir zu Beginn mit etwa 5000 Kilogramm – je nachdem, wie es dann schon «spriesst».
Welche Massnahmen treffen Sie zur Verbesserung der Ökobilanz des fertigenProdukts?
Bei der Bewirtschaftung des Rebberges sind es minimaler Einsatz an Pflanzenschutzmitteln, Herbizidverzicht, der Einsatz von Robotik. Damit einher gehen ein weitestgehender Verzicht auf fossile Brennstoffe, minimalste Bodenverdichtung und Erweiterung der Biodiversität. Das macht sich letzten Endes auch im Portemonnaie des Produzenten bemerkbar. Im Keller nutzen wir die Abwärme der Klimaanlage, um unser Wasser für die Reinigung der Anlagen zu reinigen. Wir sind seit einigen Jahren von der CO2-Abgabe befreit. Schlussendlich steht auch die Wahl des Behältnisses im Fokus. Heutzutage eine Flasche mit einem Gewicht von 970 Gramm zu wählen, ist nicht mehr zielführend. Eine 430-Gramm-Flasche kann sehr schön und elegant sein und ist als grösster Treiber im Gesamten miteinzubeziehen.
Schöne Weine und eine gute Ökobilanz reichen noch nicht für einen guten Wein, der auch Absatz findet. Wie wollen Sie Ihren «grünen Wein» an die Leute bringen?
Dies dürfte eine Herausforderung sein, aber eine, die zu schaffen ist. Wir glauben an eine Zukunft der robusten Sorten, sei es aus Gründen der Nachhaltigkeit, ökonomisch oder schlichtweg wegen der vielfältigen Aromatik. Auf der anderen Seite werden in 30 Jahren die Blauburgunder- und Riesling-Sylvaner-Rebberge immer noch eine grosse Rolle spielen. Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit wird diese Nische bestimmt verstärken, und dies zurecht. Mitmachen müssen schlussendlich die Konsumenten, welche die Nachhaltigkeit auch fordern.
Was bringt der Versuchsrebberg der Praxis?
Wertvolle Erfahrungen, die wir unseren Produzentinnen und Produzenten weitergeben können. Wir hoffen auf eine Erschliessung von gemeinsamen Geschäftsfeldern und eine praxisorientierte Nachhaltigkeit, die man leben kann. Wir freuen uns jedenfalls darauf.
In Zahlen
- 4000 Rebstöcke stehen auf dem 1 ha grossen Rebberg Stokarberg in der Stadt Schaffhausen.
- Drei robuste weisse Sorten Sauvignac, Souvignier Gris und Cabernet Blanc und zwei robuste rote Sorten Divico und Satin Noir wurden gepflanzt.
- 100'000 Franken investierte die GVS Schachenmann AG in den nachhaltigen Rebberg.