«Ich weiss, zum Teil kochen die Emotionen immer noch hoch, wenn man über die Kirschen- und Zwetschgenernte 2024 spricht», sagte Benno Neff, Geschäftsführer Tobi Seeobst AG, an der Steinobsttagung in Gossau SG. Philipp Angehrn, Obstproduzent aus Häggenschwil und Präsident der Steinobstkommission St. Gallen und Thurgau fasste die vergangene Saison zusammen.

Erntemengen und Preise 2024

«Es war eine nasse und kühle Blütenphase, und der Erntezeitpunkt war früher als in den Vorjahren», sagte Angehrn und zählte die Auswirkungen auf. Die Kirschenernte war mit 2754 t überdurchschnittlich, ebenso die Zwetschgenernte mit 4625 t. Die Ernteschätzungen waren zu tief angesetzt worden, und bei der Vermarktung dieser Grossernten lief es nicht rund. Die Kirschen waren zum Teil wässrig, was die Lagerfähigkeit einschränkte. Bei den Zwetschgen gab es ein Überangebot an Frühzwetschgen, und die Haltbarkeit am Lager war mässig. Die Richtpreise wurden nicht realisiert. Auch dauerte es, bis die Produzenten Bescheid über den definitiven Auszahlungspreis erhielten.

Richard Hollenstein, Obstbauberater Kanton St. Gallen, zeigte Verständnis für den Unmut. Die Ostschweizer seien schweizweit die wichtigsten Steinobstproduzenten. Eins zu eins bekämen sie es zu spüren, wenn es am Markt nicht rund laufe. Aber gar so übel sei die Grossernte 2024 für die Produzenten nicht gewesen, sagte Benno Neff und verwies auf die Auszahlung: «Auch wenn Erntekosten gestiegen sind, lieber eine Grossernte wie 2019 und 2024 als eine kleine Ernte. Am Schluss ist mehr auf Ihrem Konto.» So habe die Tobi Seeobst 2024 bei den Kirschen 70 Prozent mehr ausbezahlt als 2023, und bei den Zwetschgen seien es 30 Prozent mehr gewesen.

Produktion, Qualität und Absatz müssen in Einklang sein. Benno Neff zählte auf, wie dies erreicht werden kann: «Ernteschwankungen müssen durch Kulturführung und optimale Standortwahl verringert werden.» Zudem brauche es Qualitätsförderung auf allen Stufen. «Der Schlüssel für Qualität sind bessere Sorten», sagte Neff. Frühe und mittelfrühe Sorten wie Bellise, Merchant, Grace Star oder Vanda müssten ersetzt werden. Auch brauche es wirksame Massnahmen in Absatzförderung und Werbung. Zurzeit überarbeitet der Handel die Sortenliste. Die Vielfalt der Steinobstsorten verursacht eine heterogene Qualität am Verkaufspunkt und ist unerwünscht, wie am Steinobstseminar in Bern Ende Jahr bemängelt wurde. «Gut, sind wir in der Ostschweiz immer eine Strategie mit wenig Sorten gefahren», hielt Richard Hollenstein fest.

Die grosse Neuerung beim Steinobst ist das Branchenkonzept «Nachhaltigkeit Früchte». Bruno Eschmann, Obstproduzent aus Niederbüren und Präsident des Produktzentrums Kirschen/Zwetschgen SOV/Swisscofel, stellte den Branchenstandard vor. Dabei stehen drei Checklisten für Tafelkirschen, Tafelzwetschgen und Hochstammzwetschgen zur Verfügung. Die erforderliche Punktzahl beträgt:

  • 2025: 30 Punkte
  • 2026: 35 Punkte
  • 2027: 40 Punkte

Der Handel entschädigt die Produktion mit einem Aufpreis von 20 Rp./kg bei Zwetschgen und 25 Rp./kg bei Kirschen. «Das muss auf der Abrechnung ausgewiesen sein», so Eschmann. Für Mehrleistungen bei der Ernte sind befristet auf 2027 bei Tafelkirschen 25 Rp./kg, bei Tafelzwetschgen 20 Rp./kg vorgesehen. Die Verwaltungskosten betragen jährlich 80 Franken. Nachhaltigkeit wird zusammen mit Suisse Garantie und Swiss-GAP kontrolliert und kostet 300 bis 400 Franken. Die Anmeldung läuft über Agrosolution bis 28. Februar. Wer nicht angemeldet ist, kann kein Obst an den Handel liefern.

«Erwartet keine Wunder»

Der Schweizer Obstverband hat Anträge für Notfallzulassungen eingereicht. Das betrifft Mittel zur Bekämpfung des Pflaumenwicklers bei Hochstammbäumen. Zum einen handelt es sich um den Wirkstoff Spinetoram (Zorro), zum anderen um Emamectinbenzoat bei den Mitteln Affirm, Affirm Profi, Atac und Rapid. Die Bewilligung ist noch ausstehend.

Der Verwirrungsversuch von Richard Hollenstein in Zusammenarbeit mit Agroscope fand in Kombination mit Pflanzenschutzmitteln bei Hochstämmern in einer geschlossenen Parzelle statt. Der Befall 2024 konnte gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent reduziert werden. «Dazu beigetragen hat sicher der starke Behang und das kühle und nasse Wetter», führte Hollenstein aus. Die Erfolgsquote kann von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich sein.

Der KEF-Befallsdruck war 2024 hoch. «Das Einzige, was hilft, ist eine Abdeckung mit Vollnetzung», sagte Hollenstein. Tafelkirschenproduktion sei nur noch auf Niederstamm möglich. Wolfram Lempp von Agroline stellte das Produkt Priapak vor. Es handelt sich um eine einheimische Schlupfwespe gegen die Kirschessigfliege. «Erwartet keine Wunder», sagte Lempp. Der Wirkungsgrad sei mit 20 bis 30 Prozent tief.


«Auch Swiss-GAP wird strengere Massnahmen fordern»

Die Branche hat eine Branchenlösung für Nachhaltigkeit Steinobst ausgearbeitet. Wie die Produzenten dazu stehen, wollte die BauernZeitung von Philipp Angehrn und Bruno Eschmann wissen.[IMG 2]

Viele Landwirte beklagen den administrativen Aufwand. Ist es nicht widersprüchlich, dass mit der Branchenlösung «Nachhaltigkeit Früchte» für Steinobst drei neue Excel-Listen mit jeweils über 100 Massnahmen dazukommen?

Bruno Eschmann: Der administrative Mehraufwand ist bedauerlich. Wir haben das nicht gesucht. Aber es braucht die Branchenlösung. So konnte man vermeiden, dass jeder Grosshändler und Vermarkter eine eigene Linie fährt. Nur so ist es für uns Produzenten möglich, an alle Kanäle zu liefern. Auch können wir damit unsere Anstrengungen zur Erfüllung des Absenkpfades aufweisen. Zumal wir Obstproduzenten schon all die Jahre unzählige Massnahmen im Bereich Biodiversität umgesetzt haben, ohne dass dies honoriert wurde. Jetzt zumindest wird dies mit 20 bzw. 25 Rp./kg abgegolten.

Sie, Herr Angehrn, waren Pilotbetrieb. Wie gross war für Sie der Aufwand für «Nachhaltigkeit Steinobst»?

Philipp Angehrn: Mein Aufwand war nicht riesengross. Wir haben 2022 schon «Nachhaltigkeit Kernobst» eingeführt und konnten auf diesen Erfahrungen aufbauen. Wir benutzen schon länger Anti-Drift- oder Injektor-Düsen, haben Vegetationssensoren installiert und setzen auf Verwirrungstechnik. Wir haben letztes Jahr eine neue Zwetschgenanlage mit Witterungsschutz erstellt und konnten von Anfang an Strukturelemente, Blühstreifen oder Wildbienenhotels einplanen. Ich sehe ganz klar Vorteile in den ausführlichen Listen. So hat jeder Obstproduzent einen Spielraum, Massnahmen zu übernehmen, die zu seinem Betrieb passen.

Befürchten Sie nicht, dass Massnahmen im ÖLN integriert werden, und neue dazukommen werden?

Angehrn: Davon ist auszugehen. Da bin ich realistisch.

Eschmann: Immerhin können wir mit dem Nachhaltigkeitskonzept Gegensteuer geben, auch wenn unsere Liste nicht abschliessend ist. Auch Swiss-GAP und Global-GAP werden schärfere Regelungen in den nächsten Jahren fordern. So sind wir gewappnet.

Warum ist auf der Liste der Punkt Arbeitsverträge und -sicherheit? Das wird ja von Swiss-GAP schon abgedeckt …

Eschmann: Nachhaltigkeit ist ein Gesamtkonzept mit Ökonomie, Sozialem und Ökologie. Deshalb gehören auch Arbeitsverträge, Arbeitssicherheit und Gesundheit sowie Unterkunft in diese Liste. Das sind Pflichtfelder auf der Checkliste.

Gibt es beim Steinobst eine Kennzahl für die Wirtschaftlichkeit?

Angehrn: Wir schreiben in die Liste keine Kennzahlen, sicher nicht den Markterlös oder ob der Richtpreis unterboten wurde. Dieses Feld muss man nur ankreuzen. Jeder, der dort sein Kreuzchen macht, ist wirtschaftlich unterwegs.

Eschmann: Wir haben 2022 in der Branche Kostenkalkulationen gemacht und mit unseren Handelspartnern besprochen. Daraus wurden aber keine Kennzahlen generiert. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft. Es gibt Richtpreise, das heisst aber nicht, dass sich der Handel auch immer daran hält. Nicht verhandelbar ist der Nachhaltigkeitszuschlag von 20 und 25 Rappen. Der Marktpreis ist Verhandlungssache. Als Unternehmer in der Landwirtschaft muss sich jeder fragen, ob er mit seiner Kostenstruktur auf einen guten Stundenlohn kommt. Das Nachhaltigkeitskonzept beruht auf Selbstdeklaration. Jeder weiss, ob er wirtschaftlich unterwegs ist. Auch unsere Handelspartner haben ein Interesse, dass die Betriebe wirtschaftlich sind und aus eigener Kraft Investitionen tätigen können.