«Es ist für mich unbegreiflich, dass Blacken nur bei Einzelstockbehandlung mit der Rückenspritze mit Ally-Tabs bekämpft werden dürfen, dieses Mittel für die Flächenbehandlung aber nicht zugelassen ist, dafür das problematischere Asulam.» Werner Rüttimann, Landwirt und seit vielen Jahren zuständig für Pflanzenschutz beim Lohnunternehmen Estermann AG in Eschenbach, hat Mühe, wenn Innovationen von den Zulassungsbehörden ausgebremst würden. Er stelle eine Klimaveränderung fest, das politische Klima habe sich stark abgekühlt. «Jeder weiss heute Bescheid über Pflanzenschutz.» Dabei bestünden viele falsche Vorstellungen und Unwissenheit über das, was sich schon alles getan habe, und welches Potenzial technische Innovationen noch böten.

Denkanstösse für Politik

Spitzentechnologie im Pflanzenschutz vorstellen und die Situation der Landwirtschaft aufzeigen, das war Ziel einer Veranstaltung vergangenen Samstag, initiiert von den beiden Luzerner Kantonsräten Bernadette Rüttimann, CVP, und Martin Birrer, FDP. Rund 50 Kantonsräte, Gemeinderäte und auch Ständerat Damian Müller und Nationalrat Leo Müller leisteten der Einladung Folge.

Es gebe heute schon viele umweltschonende Technologien für den Pflanzenschutz, welche darauf warten, breiter eingesetzt zu werden, meinte Bernadette Rüttimann. Es brauche aber offenbar einen Schub seitens Politik, dass bremsende Rahmenbedingungen und Prozessabläufe, beispielsweise bei Zulassungen, hinterfragt würden.

Auch in Zukunft flüssig

Im praktischen Einsatz zu sehen war der Präzisionssprayer ARA der Schweizer Firma Ecorobotix, welcher ermöglicht, dass 90 Prozent der Pflanzenschutzmittel eingespart werden können (siehe auch BauernZeitung vom 23. April). Geschäftsführer Claude Juriens wies bei der Präsentation darauf hin, dass damit nicht wie derzeit nur Blacken, sondern künftig auch Zuckerrüben, Raps, Mais, Salat, Gemüse und weitere Kulturen behandelt werden könnten, auch gegen Insekten und Pilze. «Wir wollen Geräte für die Landwirtschaft entwickeln, damit die Pflanzen gezielter geschützt werden können.» Dabei stehe die flüssige Behandlung mit Wirkstoffen auch künftig im Vordergrund, mechanische Unkrautbekämpfung sei mit Robotertechnik schwierig und Behandlungen mit Heisswasser sehr energieintensiv. Er lobte im übrigen die enge Zusammenarbeit mit der Firma Estermann, diese habe die weltweit erste Maschine bestellt.

Laufende Optimierungen

Thomas Estermann wies bei der Vorstellung der Firmengeschichte darauf hin, dass man schon immer offen und häufig Pionier für neue umweltschonendere Verfahren war, so mit der Streifenfrässaat oder mit der Schälfräse, welche den Verzicht auf Glyphosat ermöglichte. Mitinhaber Werner Rüttimann führte dazu Spritzgeräte mit schonender Applikation vor, so mit Anti-Drift-Düsen, oder wie dank GPS-Steuerung Überlappungen und so Doppelbehandlungen vermieden werden können. Er betonte, dass kein Feld ohne vorherige Beratung bespritzt werde, und Lohnunternehmer könnten modernste Geräte einsetzen, welche sich einzelne Bauern gar nicht leisten könnten.

Fakten statt Vorurteile

Rüttimann bedauerte, dass die sachliche Diskussion über Pflanzenschutz verloren gegangen sei. «Ihr Politiker solltet die Konsumenten erziehen, dass sie nachhaltiger einkaufen.» Auch Landwirt und Kantonsrat Martin Birrer ermahnte seine Politikerkollegen, dass sich die Umweltleistungen der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren massiv verbessert hätten und noch viele Innovationen möglich seien.

Qualitätsansprüche hinterfragen

Alfons Beerli, pensionierter ehemaliger Pflanzenschutzberater, beleuchtete die Entwicklung und heutige Situation der Schweizer Ernährungswirtschaft gegenüber früher, mit höherer Produktion und Effizienz bei immer weniger Fläche. Mit dem Rückgang der landwirtschaftlichen Bevölkerung habe die Entfremdung zugenommen, begründete er das fehlende gegenseitige Verständnis. Die Konsumenten sollten ihre Einkaufsgewohnheiten und Qualitätsvorstellungen hinterfragen, so gäbe es viel weniger Food Waste und so bräuchte es auch viel weniger Pflanzenschutzmittel. «Es wäre besser, wenn die 90 Prozent der Gesellschaft sich fragen würden, was sie besser machen könnten, statt den 10 Prozent zu sagen, was diese alles falsch machen.»