Schön steht der Weizen, Sorte Nara, bei Roland Binder. Wenig Beikraut ist zu erkennen, einige Klebern, Kamillen, einzelne Blacken. Ende Juli wird er in dieser Höhenlage dreschen können, je nach Wetter. Es ist ein spezielles Brotgetreide: Nicht nur ohne Fungizide und Insektizide, sondern erstmals auch ohne Herbizide angebaut.

Binder ist ein erfahrener IP-Bauer, seit Anbeginn mit dabei. Er legt Wert auf Biodiversität und Ressourcenschutz, erreicht bei dieser IP-Suisse-Labelanforderung 31,5 Punkte.

Die Chance nutzen

Auch mit IP-Suisse-Brotgetreide,  gemäss Anforderungen ohne Fungizide und ohne Insektizide, hat er positive Erfahrungen gemacht. «Klar sehen die Felder nicht immer so schön aus, und es hat auch einige Getreidehähnchen. Das ist aber nicht weiter schlimm.» Die trockene Region mit wenig Pilzdruck könne eher von diesen Anbaubedingungen profitieren.  So könnten im Schnitt durchaus 60 bis 65 dt pro Hektare geerntet werden. Die Rechnung gehe also auf. «Wenn der Konsument bereit ist,  diese Bemühungen zu honorieren, sollten wir diese Chance nutzen.»  Als Binder vom neuen ­Programm hörte, dass nun Brotgetreide ohne Einsatz von Herbiziden gesucht wird, habe er rasch reagiert. Zumal mit acht bis zwölf Franken Zuschlag eine faire und realistische  Abgeltung in Aussicht gestellt wurde. Schliesslich sei dies ein grösseres Risiko, es brauche  ein grösseres Wissen, mehr Feldbeobachtung, andere Geräte und mehr Handarbeit.

Striegeln genügte

Was hat denn geändert mit dem erstmaligen Verzicht auf Herbizide? Ausser der mechanischen Unkrautbekämpfung und etwas mehr Handarbeit zum Ausreissen einzelner Beikräuter  waren keine weiteren Veränderungen bei der Anbautechnik nötig, erzählt Binder. Das Striegeln übernahm  im Übrigen ein benachbarter Biobauer. Binder  war aber bestrebt, vor der Ansaat ein möglichst sauberes Feld zu bestellen, um  das mögliche Unkrautpotenzial gering zu halten. Zumal er danach keine Möglichkeit mehr hatte, die Felder mit Herbiziden zu «putzen». Zu erwähnen ist, dass Binder das Getreide pfluglos anbaut.

Noch wagt er keine Prognose zum Mehraufwand oder Minderertrag wegen dem Herbizidverzicht. Er sei gespannt, wie sich der Weizen beim Dreschen präsentiere, betreffend Menge und Qualität. Die Ergebnisse würden dann auch für die Wirtschaftlichkeit entscheidend sein.

Für IP-Suisse-Weizen in dieser Kategorie löst Binder rund
52 Franken, dazu kommt die nach Klassen abgestufte Zusatzprämie von bis zu fünf Franken. Mit der Herbizidverzichtsprämie von rund zehn Franken kommt er somit auf rund 67 Franken. «Das ist ein guter Preis.»

Erfahrungen austauschen

Binder beabsichtigt, auch nächstes Jahr wieder mitzumachen. Es reize ihn, für einen solchen Markt zu produzieren. Das sei auch ein gutes Signal im Zusammenhang mit den anstehenden Pflanzenschutz-Initiativen, wenn die Bauern aufzeigen könnten, dass sie bereit seien, die Herausforderungen anzunehmen.

Er sei aber noch nicht sicher, ob die jetzigen auch die richtigen Sorten für diesen Anbau seien. Schliesslich sei wichtig, dass der Boden gut bedeckt sei, damit das Unkraut unterdrückt werde. Je nach Abschluss der Ernte wird er weitere Schlüsse für den künftigen Anbau ziehen können.  Binder wäre auch sehr interessiert an einem Erfahrungsaustausch mit Berufskollegen, welche ebenfalls erstmals auf Herbizide verzichteten.

 

Betriebsspiegel Zimberi

Name: Roland Binder mit Familie; Betrieb «Zimberi», weil der Betriebsgründer einst Zimmermann war.

Ort: Baldingen AG, Voralpine Hügelzone

LN: 36 ha

Betriebszweige: IP-Suisse Betrieb; Obstbau 280 Aren (Kirschen, Äpfel, Zwetschgen), 140 Hochstammbäume; Ackerbau, Mutterkühe, Weideschweine, Direktvermarktung, Hofevents.

Ackerbau: 8 ha Weizen, 2 ha Roggen, 2 ha Sonnenblumen, 2 ha Eiweisserbsen, Kunstwiese

Viehbestand: Mutterkühe seit 1984, 32 Angus, derzeit die Hälfte gealpt im Kanton Fribourg; Rinder und Ochsen über Swiss Black Angus Programm sowie teils direkt vermarktet.

 

 

Das Interesse und die Erfahrung wachsen

Sehr kurz vor der Aussaat schrieb IP-Suisse letzten Herbst das Programm für einen herbizidfreien Getreideanbau aus. Dies auch, weil der Grossbäcker Fredy Hiestand solchen Weizen, Urdinkel und Roggen  suchte, und auch einen Mehrpreis zusicherte. Diese Vertragsfläche macht rund 700 ha aus.  Zum Vergleich: In der Schweiz werden auf rund 80 00 ha Brotgetreide pro­duziert. IP-Suisse-Getreide, schon bisher ohne Fungizide und Insektizide angebaut, wächst auf einer Fläche von 25 00 ha.  Das zusätzliche herbzidfreide Getreide für Hie­stand wird in der Lindmühle in Birmenstorf zu Mehl verarbeitet. Laut Angabe von IP-Suisse ist auch die Migros-Bäckerei Jowa an einer Produktion ohne synthetischen Pflanzenschutz interessiert.  Laut Sandro Rechsteiner von IP-Suisse sind für die Ernte  2019 von 200 Produzenten rund 1300 ha  herbizidloses IPS-Getreide im Anbau, von Genf bis Graubünden. Dies, um eine Reserve zu haben, wenn die Ernte je nach Witterung tief ausfällt. «Aufgrund der Aktualität, so auch wegen den Pflanzenschutz-Initiativen, rechnen wir mit einer erhöhten Nachfrage bei Abnehmern. Diese wollen wir schnell befriedigen können», ergänzt Rechsteiner.  Das Projekt wird auf 20 Betrieben von zwei wissenschaftlichen Arbeiten der ETH und HAFL begleitet, um die agronomischen und ökonomischen Auswirkungen eines Herbizidverzichts zu evaluieren. So auch zu den Erfahrungen mit Hack- und Striegelgeräten, Gründüngungen, Untersaaten und mehr. Auch seitens Forum Ackerbau läuft derzeit ein dreijähriger Versuch, wo Striegel- und Herbizidvarianten verglichen werden, wie Andrea Enggist vom LZ Liebegg erklärt. Sie erwähnt auch das neue Bundesprogramm, wo erstmals Beiträge von 250 Franken pro Hektare für Herbizidverzicht angemeldet werden konnten.