Während das erste Saatgut bereits im (trockenen) Boden ruht, diskutieren oberhalb der Erde zwei führende Kräfte aus der Branche, wie es mit der inländischen Zuckerproduktion weitergehen soll. Trotz des Flächenrückgangs versuchen sie, zuversichtlich zu sein.
Andreas Blank, Sie machen sich grosse Sorgen um das Weiterbestehen der beiden Zuckerfabriken der Schweiz. Warum?
Andreas Blank: Grosse Sorgen ist vielleicht etwas übertrieben, aber wir müssen in den kommenden Jahren unbedingt den Rückgang der Anbauflächen aufhalten, diese stabilisieren und mittelfristig wieder vergrössern. Sonst ist Schweizer Zucker tatsächlich gefährdet. Ich bin aber zuversichtlich, dass dies gelingen wird.
Aus welchen Gründen sind Sie zuversichtlich?
Andreas Blank: Die Politik hat letzten Herbst ein deutliches Zeichen gesetzt. Seither gibt es mit dem Ukraine-Krieg weitere gute Argumente für die Produktion von Schweizer Zucker. Selbstversorgung wird wieder höher gewichtet. Zudem betone ich immer wieder die deutlich bessere Nachhaltigkeit von Schweizer Zucker gegenüber EU-Zucker. Wir werden diese Nachhaltigkeit zudem noch weiter verbessern. Auch bei Rohrzucker aus Südamerika muss man bezüglich Nachhaltigkeit nicht lange nachrechnen. Geben wir die schweizerische Zuckerproduktion auf, verstärkt dies die Abhängigkeit vom Ausland und erhöht den Import von deutlich weniger nachhaltigem Zucker.[IMG 2]
Herr Meyer, Sie stellen die Spitze des SVZ dar. Was sind momentan Ihre grössten Sorgen?
Josef Meyer: Die letzten Jahre waren für unsere Branche tatsächlich nicht ganz einfach. Die anbautechnischen Probleme und der tiefe Zuckerpreis haben viele Berufskollegen entmutigt und so sind viele aus dem Zuckerrübenbau ausgestiegen. Wir sind unheimlich froh, dass wir jetzt das Ende des Tunnels sehen.
Heisst das, Sie haben auch Gründe, um zuversichtlichzu sein?
Josef Meyer: Ja, wir haben Fortschritte gemacht bei resistenten Sorten, um der Krankheit Syndrome Basses Richesses (SBR) zubegegnen, haben dank Notfallzulassungen recht gute Hilfsmittel, um die Blattläuse zu bekämpfen und konnten dank besseren Zuckerpreisen auch den Rübenpreis erhöhen. Damit hoffen wir ab nächstem Jahr wieder Flächen zu gewinnen. Dies ist äusserst wichtig für die Auslastung un-serer Geräte und der beidenFabriken.
Da knüpfen wir gleich an: Aktuell sind Anbauverträge von 16 000 Hektaren unterschrieben. Das sind wiederum 500 Hektaren weniger als letztes Jahr. Haben die Zuckerrübenpflanzer die Hoffnung für diese Kultur aufgegeben?
Josef Meyer: Ich kann verstehen, dass viele Berufskollegen die Freude am Rübenanbau verloren haben. Der Anblick von Kulturen, die von SBR und/oder Viröser Vergilbung befallen sind, ist schwer zu ertragen. Die damit verbundenen Ertragsverluste und die schlechten Rübenpreise haben ihre Spuren hinterlassen.[IMG 3]
Wie sehen Sie das als Verwaltungsratspräsident, Herr Blank?
Andreas Blank: Im Bezug auf die zwei Haupt-Krankheiten im Zuckerrübenbau müssen bald Lösungen gefunden werden. Die Pflanzer müssen wieder eine Perspektive und auch eine Sicherheit erhalten, vernünftige Erträge generieren zu können.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach konkret ändern, damit die Flächen wieder zunehmen?
Josef Meyer: Ich bin überzeugt, dass wir die Talsohle erreicht haben. Die Rübenpreiserhöhung und der politische Entscheid, den Zuckerrübenanbau weiterhin zu unterstützen, wurden leider zu spät kommuniziert. Zum Zeitpunkt der Kommunikation hatten sich die Betriebe bereits entschieden, welche Kulturen sie auf welcher Fläche anbauen. Ich gehe allerdings davon aus, dass in der aktuellen unsicheren Weltversorgungslage die Zuckerrübenpreise weiter steigen werden.
«Die Preiserhöhung wurde leider zu spät kommuniziert.»
Josef Meyer, über das Timing des politischen Entscheids, die Zuckerproduktion zu stützen.
Sie sprechen es an: Die eine Herausforderung ist der Preis, die andere der Schädlingsdruck. Nun laufen zahlreiche Forschungsprojekte, um auch biologische Lösungen auszuarbeiten. Zudem spannt die Branche beispielhaft zusammen. Sehen Sie dennoch schwarz, was die zukünftige inländische Zuckerproduktion angeht?
Josef Meyer: Die verschiedenen angelaufenen Forschungsprogramme im In- und Ausland werden uns bald erste positive Resultate bringen. Ich bin froh, dass erkannt wurde, wie wichtig es ist, resistente Sorten zu haben, aber auch alternative Bekämpfungsmethoden zu erforschen und zu prüfen.
Um die Fabriken weiterhinvoll auszulasten, werden teils Rüben aus Deutschland inder Schweiz verarbeitet. Das entspricht wohl nichtder Wunschvorstellung der Zucker-ag" target="_blank">Schweizer Zucker AG?
Andreas Blank: Nein, wir möchten bei den konventionellen Rüben am liebsten ausschliesslich solche aus der Schweiz verarbeiten. Um jedoch die Fabriken auszulasten, müssen wir bei geringer Ernte und abnehmenden Anbauflächen vorübergehend ausländische Rüben beschaffen.
Offensichtlich wollen Sie auch in Zukunft möglichst beide Zuckerfabriken erhalten. In einem Interview vom Januar konnte die Zucker-ag" target="_blank">Schweizer Zucker AG gegenüber der Bauern-Zeitung die unterste Schmerzensgrenze (minimale Zuckerrübenfläche oder TonnenZuckerrüben) für den Erhaltder Fabriken nicht beziffern. Können Sie das jetzt?
Andreas Blank: Nein, es gibt da keine fixe unterste Limite. Einerseits gibt es grosse Schwankungen im Ertrag je nach Klima etc., andererseits beziehen wir wie oben erwähnt ausländische Rüben. Aber wenn entgegen der Erwartung die Fläche weiter zurück geht, werden wir einmal an einen Punkt kommen, wo Entscheide gefällt werden müssen.
«In der Branche geht es um alles oder nichts.»
Andreas Blank, im Rahmen der Diskussion, ob eine Fabrik geschlossen werden muss.
Und diese Entscheidung wäre?
Andreas Blank: Die gemeinsam mit dem Bundesamt für Landwirtschaft ausgearbeitete betriebswirtschaftliche Studie kommt eindeutig zum Schluss, dass Schweizer Zucker nur mit beiden Standorten Aarberg BE und Frauenfeld TG rentabel ist. Die Schliessung eines der Werke wäre mit Investitionen verbunden. Also müsste der Verwaltungsrat dann entscheiden, ob solche Investitionen noch sinnvoll sind, wenn dann auch die verbleibende Fabrik nach einigen weiteren Jahren wiederum gefährdet wäre. Aus diesem Grund geht es nach meiner Einschätzung für die gesamte Branche in den kommenden Jahren um alles oder nichts. Dessen müssen sich alle bewusst sein.
Was muss sonst nochgeschehen?
Andreas Blank: Die Politik hat letzten Herbst mit der Verlängerung der Massnahmen Einzelkulturbeitrag und Grenzschutz ein wichtiges Zeichen gesetzt. Das allein genügt aber wegen der Krankheiten nicht. Es braucht zusätzliche Unterstützung durch die Politik. Dazu wurden bereits in mehreren Kantonen Vorstösse eingereicht, insbesondere auch zwei Standesinitiativen in den Kantonen der Standorte unserer Fabriken, Thurgau und Bern. Gemeinsam muss es gelingen, den «Turnaround» bezüglich Fläche zu schaffen.
Angeblich gibt es Diskussionen darüber, dass die Westschweizer Zuckerrübenpflanzer (der grösste Einzelaktionär) die Fabrik in Aarberg unbedingt erhalten wollen. Diese Forderung ist verständlich. Was entgegnen Sie den Westschweizer Kollegen in diesem Aspekt?
Josef Meyer: Der westschweizerische Verband der Zuckerrübenpflanzer hält knapp ein Viertel der Aktien. Ich bin aber überzeugt, dass wenn wirklich eine Fabrik geschlossen werden muss, nicht mehr oder weniger Aktienbesitz darüber entscheiden wird welche Fabrik geschlossen wird. Um diesen Entscheid zu fällen, muss eine Analyse gemacht werden, um die Vor- und Nachteile aufzuzeigen. Nur noch mit einer Zuckerfabrik zu arbeiten, würde uns grosse Schwierigkeiten bereiten, also muss diejenige erhalten bleiben, die die besseren Karten hat, um zu überleben.
Andreas Blank: Die Frage der Schliessung einer Fabrik und falls ja welche, ist wie gesagt vorläufig hypothetischer Natur. Falls der Verwaltungsrat einmal zum Schluss kommen sollte, wirklich eine Fabrik zu schliessen, wird er bei seinem Entscheid ausschliesslich objektive, betriebswirtschaftliche und technische Argumente berücksichtigen. Beide Standorte haben Vorteile und Nachteile. Natürlich werden aber auch die grossen Aktionäre in die Überlegungen mit einbezogen. Wie die Aktionäre darauf reagieren werden, kann ich nicht beurteilen.
Der Rübenring machte schon einige Male Schlagzeilen. Nun gehen Meldungen ein, dass auch die letzte Kampagne nicht zufriedenstellend abgelaufen ist. Was lief falsch? Was muss dieses Jahr besser laufen?
Josef Meyer: Die Anlieferung der Rüben in Aarberg hat letzten Herbst sehr gut funktioniert. Auch die Organisation und der Verlad des Rübenrings geben insgesamt keinen Anlass zu Reklamationen. Dass nicht immer alle 100% zufrieden sind, ist schwierig zu vermeiden.
Die Zucker-ag" target="_blank">Schweizer Zucker AG ist die Abnehmerin der Wärme des Holzkraftwerks in Aarberg, welches im August 2021 nach einer sehr langen Bewilligungsphase errichtet worden ist. Welche Konsequenzen hätte die Schliessung der Fabrik in Aarberg für das Holzkraftwerk?
Andreas Blank: Das Modell Holzkraftwerk Aarberg basiert auf der KEV. Um diese zu erhalten, braucht es einen gewissen Wirkungsgrad der gesamten Anlage. Das Werk Aarberg bezieht ca. 50 GW in Form von Dampf. Sollte dies wegfallen und nicht ersetzt werden können (was bei einer so grossen Menge wohl schwierig wäre) würde somit die KEV wegfallen und das Kraftwerk könnte nicht weiter betrieben werden. Aber auch beim Standort Frauenfeld hätte eine Schliessung erhebliche finanzielle Konsequenzen.
Schnell gelesen: Das «Zückerli» hält nicht mehr
Im Herbst hat die Politik den Grenzschutz für den Import von Zuckerrüben erhöht und den Einzelkulturbeitrag gefestigt. Das war ein «Zückerli» für die Branche. Nichtsdestotrotz stehen die Zuckerrübenpflanzer und Zuckerrübenpflanzerinnen hinsichtlich des Schädling-drucks vor bekannten Herausforderungen. So fordert Andreas Blank, Verwaltungsratspräsident der Zucker-ag" target="_blank">Schweizer Zucker AG, die Politik weiterhin auf, zusätzliche Anstrengungen zu leisten. Der Chef der Zuckerrübenpflanzer, Josef Meyer, ist zwar zuversichtlich, strebt aber die komplette Auslastung beider Fabrikenmit Schweizer Rüben an.Ansonsten müsse man sich entscheiden, welche Fabrikin Betrieb bleibe.