Nachhaltigkeit ist aktuell in aller Munde. So wurde sie auch an der Nordwestschweizer Obstbautagung im aargauischen Eiken thematisiert. Seit 2022 haben sich der Schweizer Obstbauverband (SOV) und Swisscofel mit den Handelspartnern auf das nationale Nachhaltigkeitsprogramm «Nachhaltigkeit Früchte» beim Kernobst geeinigt.

Man wolle so den gestiegenen Anforderungen von Konsumierenden, Markt, Gesellschaft und Politik Rechnung tragen. Während seit 2022 bereits Schweizer Äpfel und Birnen unter der Branchenlösung produziert werden, ziehen ab diesem Jahr nun auch die Tafelkirschen und Tafelzwetschgen nach.

Verschärfungen zuvorkommen

Aufgebaut ist das Programm auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales. Die Ökologie spielt in der landwirtschaftlichen Produktion und Politik eine wichtige Rolle. Der ökologische Leistungsnachweis (ÖLN) bestimmt derzeit alle verpflichtend einzuhaltenden Regelungen im Schweizer Obstbau. Wie auch in den übrigen Produktionsrichtungen der Landwirtschaft müsse man aber auch beim Obst in naher Zukunft mit der Weiterentwicklung des ÖLN rechnen, so Edi Holliger, Leiter Abteilung Innovation und Entwicklung des Schweizer Obstverbandes.

Mit der Branchenlösung wolle man allfälligen resoluten Verschärfungen der Nachhaltigkeitsziele des Bundes zuvorkommen, schildert Holliger. Die Branche nehme mit ihr die Eigenverantwortung wahr. «Wenn wir als Branche Landwirtschaft das Ziel des Absenkpfades nicht erreichen sollten, dann hat der Bund die Möglichkeit, Verschärfungen des Pflanzenschutzes zu lancieren», so der Experte. Neben der gezielten Überprüfung von Wirkstoffen und deren möglichen Schadpotenzial auf die Umwelt, können auch Einschränkungen der Behandlungsapplikationen oder eine Ausweitung der Gewässerabstandsauflagen drohen, erklärt er weiter.

Praxistaugliche Checkliste

Die Massnahmen der Branchenlösung sind in neun Handlungsfelder unterteilt und gelten national. Damit werde eine einheitliche Regelung für die Obstbetriebe geschaffen. Wie beim Kernobst sind die einzelnen Massnahmen für die Kirschen und Zwetschgen-Produzenten in einer Checkliste ersichtlich. «Viele der bewährten Massnahmen wurden vom Kernobst übernommen oder sind daran angelehnt», so Holliger. Aufgrund der sich stark unterscheidenden Anbauformen zwischen Niederstammanlagen und Hochstammanlagen bei den Zwetschgen seien hier zwei getrennte Checklisten erstellt worden. «Bei den Hochstammzwetschgen wäre beispielsweise eine Totaleinnetzung nicht machbar», erklärt Holliger.

Auf Pilotbetrieben in der ganzen Schweiz wurde die Umsetzbarkeit der Massnahmen bereits überprüft. «Die Ausarbeitung einer Checkliste, welche für die Produzenten nicht erfüllbar ist, würde keinen Sinn ergeben», betont Holliger. «Viele dieser Programmmassnahmen habt ihr zudem auf euren Betrieben im Sinne von Vorleistungen bereits umgesetzt», beruhigt Holliger die Produzenten weiter. Zudem seien ausser des ÖLN und das Einhalten von Swissgap alle weiteren Massnahmen von den Obstbauern frei wählbar und keine davon Pflicht. «Die Massnahmen sind sehr breit und ihr könnt euren Betrieb so für die Zukunft ausrichten, wie es aus eurer Sicht auf eurem Betrieb Sinn ergibt», erklärt der Nachhaltigkeitsexperte weiter.

Information nach aussen tragen

Pro Handlungsfeld muss von den Produzenten eine Mindestpunktzahl erreicht werden. Im Total sind in diesem Jahr 30 Punkte zur Erfüllung des Branchenstandards Kirschen und Zwetschgen notwendig.

Neben den pflanzenbaulichen Massnahmen könne man auch durch Öffentlichkeitsarbeit Punkte erreichen. «Oft höre ich von Produzenten, wir würden schon sehr viel machen und das stimmt, doch häufig wird diese Information zu wenig nach aussen getragen», so Holliger. Aktuell werde von den Detailhändlern Migros und Coop an der Ladentheke nicht auf die Nachhaltigkeit Früchte aufmerksam gemacht. «Umso wichtiger ist es, dass wir darüber sprechen und Werbung dafür machen», so der Experte.

«Wir sind gut vorbereitet»

In den zwei kommenden Jahren wird diese Mindestpunktzahl bei Kirschen und Zwetschgen auf 35 Punkte im Jahr 2026 und auf 40 Punkte im 2027 erhöht. Vom Handel werden die Obstbauern für ihre Mehrleistungen mit einem Aufpreis von 20 Rp./kg für Tafelzwetschgen und 25 Rp./kg für Tafelkirschen entschädigt.

«Wichtig ist, dass ihr als Produzenten darauf beharrt, dass der Aufpreis durch eure Mehrleistungen separat auf eurer Abrechnung ausgewiesen ist», sagt Edi Holliger. Auf das erste Jahr des neuen Branchenstandards blickt der Nachhaltigkeitsexperte positiv: «Wir sind im ersten Jahr und im Prinzip alles Lehrlinge in der Nachhaltigkeit, Zwetschgen und Kirschen. Wir sind aber sehr gut vorbereitet und ihr seid schon jetzt sehr gut unterwegs. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das Konzept gemeinsam zum Erfolg bringen.»

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