Im Süden Deutschlands klagen Landwirte und Zuckerwerke über «Gummirüben». Verantwortlich dafür ist die Pflanzenkrankheit Stolbur, die wie das Syndrome Basses Richesses (SBR) von der Schilf-Glas-flügelzikade übertragen und von einem zellwandlosen Bakterium (Phytoplasma) verursacht wird. Sind auch in der Schweiz Fälle von Gummirüben bekannt?
Proben analysiert
«Nein», sagt Luzi Schneider bestimmt. Laut dem Leiter der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau wurden nach Bekanntgabe des Stolbur-Befalls in Deutschland umgehend alle Schweizer Proben von 2022 auf Stolbur untersucht. Zudem habe man diverse Proben aus der aktuellen Erntekampagne gezogen, deren Analysen noch ausstehen.
Man sei aber in engem Austausch mit Deutschland und die Forschung sowie die Pflanzenzüchtung befassten sich bereits mit Stolbur, fährt Schneider fort. «Alle tun ihr Bestes», versichert er. Bei dieser neuen, mit SBR verwandten Krankheit sei aber noch vieles unklar.
Ungeklärt ist aktuell zum Beispiel, unter welchen Bedingungen das Phytoplasma Stolbur auslöst. Die betroffenen Gebiete in Süddeutschland waren warme Regionen (Weinbaulagen), was an der Zikade als Vektor liegen dürfte. «Zikaden lieben Wärme und können sich in Regionen ohne strenge Winter vermehren», schreibt das deutsche «Agrarheute». Wissenschaftler würden daher davon ausgehen, dass mit dem Klimawandel auch in den gemässigten Regionen der Welt grössere Phytoplasma-Epidemien auftreten werden.
2023 zum ersten Mal konfrontiert
Wie sich Stolbur auf den Zuckergehalt der Rüben auswirkt, muss noch erforscht werden. Luzi Schneider nimmt aber nicht an, dass bei Gummirüben noch viel zu holen ist. «Die Konsistenz ist wie warme Butter», beschreibt der Fachmann, der dieses Jahr zum ersten Mal in Deutschland betroffene Felder gesehen hat. «Das ist nicht mit einer Rübe vergleichbar, die nach einer Woche in der Miete schrumplig geworden ist», betont Schneider. Stolbur deformiere sie zudem bereits im Boden.
Könnte man das Phytoplasma bekämpfen? «So weit sind wir noch nicht», antwortet Luzi Schneider. Die Forschung laufe, sei aber in diesem September erstmals überhaupt mit Stolbur bei Zuckerrüben konfrontiert gewesen.
Die Bekämpfung ist schwierig
Bisher trat die Krankheit im Ausland bei Kartoffeln auf. Auch gegen die übertragende Zikade vorzugehen, sei schwierig. Ihr Lebenszyklus muss noch erforscht werden. Die lange Flugzeit, in der die Insekten in die Felder einfliegen, ist allerdings ein bereits bekanntes Hindernis. «In Deutschland gab es Versuche, in denen bis zu 30-mal gespritzt worden ist – ohne Erfolg», schildert Schneider. Zwar zeigte ein Fruchtfolge-Experiment in der Schweiz eine gewisse Wirkung: Mais nach Zuckerrüben reduzierte den Zikadenflug. Allerdings funktionierte das nur mit einer winterlichen Brache (keine Gründüngung) und trotzdem sei SBR danach auf den Versuchsparzellen weiterhin in erheblichem Mass aufgetreten.
Mehr Hoffnung setzt Luzi Schneider auf resistente Sorten. «Es ist aber wichtig, dass diese Sorten auch angebaut werden», hält er fest. In einigen Kantonen laufe dem die Förderung von Extenso-Rüben zuwider. Weiter seien insbesondere ALS-Rüben anfällig für SBR.
Unsicherheit bei BFF
Dieses Jahr war der regenreiche Frühling für den Zikadenflug ungünstig und bis jetzt sieht es nach weniger SBR aus als in anderen Jahren. Zumindest sind die Felder weniger gelb gefärbt. «Die Kampagne ist gerade erst gestartet», gibt Luzi Schneider zu bedenken. Verlässliche Informationen zu Befall und durchschnittlichen Zuckergehalten sind daher noch nicht möglich.
Wie sich die geplante Pflicht zu 3,5-Prozent-Acker-BFF in diesem Zusammenhang auswirken wird, ist eine weitere Unsicherheit. Denn damit kommen verschiedene potenzielle Wirtspflanzen für Zikaden in die Nähe der Kultur.
Er werde Ende Oktober erneut nach Deutschland fahren, um sich vor Ort ein Bild von der Lage mit den Gummirüben zu machen, sagt Luzi Schneider.

