Die Kraut- und Knollenfäule, die durch den Erreger Phytophthora infestans verursacht wird, wütet dieses Jahr besonders stark in den Kartoffelfeldern. Das feucht-warme Wetter wie man es im Juni vorfand, liess den Pilz rasant gedeihen und die Sporen verteilten sich im Eiltempo. Innerhalb weniger Tagen kann so ein Kartoffelfeld zerstört werden. Nicht nur bei Biokartoffeln ist der Befallsdruck hoch, auch beim konventionellen Anbau sorgt die Kraut- und Knollenfäule für schlaflose Nächte.
Mit Pflanzenschutzmittel die Kultur schützen
In der Schweiz wird die Krankheit durch Fruchtfolge, tolerantere Sorten und vor allem durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unter Kontrolle gehalten. Im biologischen Anbau ist der Einsatz von Kupfer als Bekämpfungsmittel in beschränkten Mengen erlaubt. Bei der integrierten Produktion (IP) werden hingegen synthetische Pflanzenschutzmittel verwendet.
Auf einen Schlag waren die Kartoffeln verloren
Auch auf den Feldern von Stefan Krähenbühl aus Greng bei Murten FR wütet die Kraut- und Knollenfäule dieses Jahr stärker als sonst: «So etwas habe ich seit vier Jahren nicht mehr erlebt», sagt der Biobauer, der auf seinem Betrieb acht Hektaren Kartoffeln pflanzte. Anfang Juni gab es regelrecht einen «Chlapf»: Die Kraut- und Knollenfäule verbreitetet sich schlagartig auf seinen Feldern. «Am 19. Juni waren auf diesem Feld die Kartoffelstauden noch grün, zehn Tage später das halbe Feld schon braun», kommentiert Krähenbühl die Geschehnisse auf seinen Handybildern. «Als wir die ersten Brandherde entdeckt haben setzten wir alle Hebel in Bewegung, um die Kartoffeln noch zu retten», hält er fest. «Wir haben in diesen zehn Tagen das Feld sieben Mal mit Kupfer und abwechselnd mit zugelassenen Präparaten gespritzt», hält der Agronom fest. Für viele Kartoffelstauden kam die Hilfe jedoch zu spät, sie sind in sich zusammengefallen und ihr Blattgrün ist in ein tödliches Braun übergegangen.
Befälle melden und auf der Karte einsehen
Unter www.phytopre.ch ist jeweils die aktuelle Kraut- und Knollenfäule-Situation in der ganzen Schweiz ersichtlich. Auch ein Warn- und Prognosemodell für die Bekämpfung ist dabei abrufbar. Damit die Karte auch eine grosse Ausschlagekraft und Sicherheit bietet, ist es wichtig, dass jeder Landwirt, der bei seinen Kartoffeln die Kraut- und Knollefäule entdeckt, dies PhytoPRE meldet, damit die anderen Kartoffelbauern sich daran orientieren können.
Ab Mitte April ist das Programm bereit
Jeweils ab Mitte April steht den Kartoffelbauern und den Landwirtinnen und Landwirten das PhytoPRE-Internet-Programm zur Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule bei den Kartoffeln zur Verfügung. Das Programm kann für allgemeine und regionale Krautfäule-Informationen oder zur parzellenspezifischen Beratung genutzt werden. Bio-Produzenten steht Bio-PhytoPRE zur Verfügung. Für beide Versionen wird auch ein SMS-Service angeboten. Dieser Service informiert aktuell über die ersten Krautfäule-Befallsmeldungen.
Kostenlos und täglich aktualisiert
Laut Agroscope können sich interessierte Landwirtinnen und Landwirte auf einer Schweizer Karte kostenlos über die täglich mehrmals aktualisierte Krautfäule-Befallssituation in der Schweiz informieren. Zusätzlich können die aktuelle Fungizidliste und die Sortenliste aufgerufen werden. Für weitere Informationen über lokale und regionale Infektionsrisiken, sowie für parzellenspezifische Behandlungsempfehlungen, kann ein Teilnehmer-Abonnement abgeschlossen werden. Für den konv./ÖLN/IP- und Bio-Kartoffelanbau stehen die Abonnement-Varianten IP-PhytoPRE und Bio-PhytoPRE zur Verfügung.
Weitere Informationen zu PhytoPRE finden Sie hier.
Breite Dämme schützen
«Nun haben wir die Stauden abgeflammt und warten, bis die Kartoffeln schalenfest sind, damit wir das Feld ernten können», so der Landwirt. Eigentlich hätten die Kartoffeln im Boden noch wachsen sollen, jetzt ist es zu spät dafür: «Schau, sie sind noch viel zu klein», sagt der Landwirt, während er eine Probegrabung vornimmt. Vor allem die Kartoffelsorte Annabelle sei sehr anfällig auf die Kraut- und Knollenfäule. Hingegen seien Agata, Cheyenne oder Lady Christl toleranter. Aber auch bei diesen Sorten sei der Druck da: «Zum Glück sind unsere Kartoffeldämme gross und breit», sagt der Kartoffelspezialist. Denn die Sporen der Blatt- und Knollenfäule wandern vom Blattwerk zu den Kartoffeln hinunter und beginnen dann zu faulen. «Ein guter Damm, mit viel Erde, bietet einen zusätzlichen Schutz», ist Stefan Krähenbühl überzeugt.
Wenn aber nach Niederschlägen oder Stürmen die Kartoffelstauden in sich zusammenfallen, komme es zu einer schlechten Abtrocknung und der Krankheitsdruck nehme deutlich zu. «Dank Bise und trockenem Wetter im Mai hatten wir mit der Krankheit noch keine Probleme. Mit dem Wetterumschwung im Juni änderte sich die Situation schlagartig», sagt Krähenbühl.
Zu milder Winter
Der Agronom vermutet, dass der Grund für den hohen Krankheitsdruck auch beim milden Winter zu suchen ist: «Viele liegen gebliebene Kartoffeln sind nicht erfroren, schlugen aus und bildeten in den Nachfolgekulturen grosse Krankheitsherde. Mit dem Wind gelangten so die kranken Sporen in die gesunden Kartoffel-Bestände.»
Ein Streifen ist noch ganz gesund
Auf die Nachfrage, warum dieser schmale Kartoffelsteifen zwischen den zwei kranken Feldern nicht von der Kraut- und Knollenfäule befallen ist, schmunzelt Stefan Krähenbühl nur. «Das ist ein Versuchsfeld, dass ich eigenhändig angelegt habe, mehr sage ich nicht dazu, auch nicht zur Sorte», sagt er und lacht verschmitzt. «Ich sage nur, die Kartoffelsorte kommt aus Deutschland.» Er bedauert, dass diesbezüglich die Forschung in der Schweiz dem Ausland hinterherhinke. «Von der Politik bis hin zu den Konsumenten wird von uns Bauern gefordert, dass wir immer weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen sollen. Alternativen bieten sie aber nicht dazu», ärgert sich der Biobauer. Jetzt müsse man den Fokus vermehrt auf krankheitsresistente Sorten und Alternativen zu Kupfer legen, da sei auch die Forschung gefordert. «Gegenüber den Franzosen und Österreichern haben wir hier einen grossen Aufholbedarf», sagt er.
Definitiv kein erfolgreiches Kartoffeljahr
So oder so muss Stefan Krähenbühl mit dem Schaden, den die Kraut- und Knollenfäule dieses Jahr verursachte, zurechtkommen. «Ich schätze ihn auf zirka 30 000 bis 50 000 Franken», rechnet er. Dazu komme noch der Mehraufwand durch den Pflanzenschutz mit rund 1000 Franken pro Hektare. «Um dem Problem entgegenwirken zu können, werde ich nächstes Jahr die Kartoffelparzellen kleiner gestalten», sagt der Profi. Mit dieser Massnahme erhofft er sich, die Kraut- und Knollenfäule besser isolieren zu können. «Definitiv wird das 2020 aber kein erfolgreiches Kartoffeljahr für die Familie sein, obwohl die Ernte im Mai gut gestartet wäre», hält der Landwirt fest. Nun hofft Krähenbühl auf besseres und beständigeres Wetter: «Zum Glück haben die Hitze und die niederschlagsarmen Tage von dieser Woche die Kraut- und Knollenfäule vorerst gedämmt», freut er sich.
«Die Lage ist gespannt, aber nicht so dramatisch wie im 2016»
Thomas Kämpfer ist Pflanzenschutzberater bei der Fenaco-Genossenschaft in Lyssach BE, beurteilt im Interview die Lage und sagt, was man gegen die Kraut- und Knollenfäule unternehmen kann.
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Dieses Jahr sei der Befall von Kraut- und Knollenfäule besonders gross. Wie schätzen Sie die Situation aktuell ein?
Thomas Kämpfer: Der Juni war mit den regelmässigen Niederschlägen ideal für die Kraut- und Knollenfäule. Der Druck ist hoch und wird bei gleichbleibender Witterung hoch bleiben. Es gibt Orte, wo es mehr Krautfäule hat als letztes Jahr. Die Lage ist aber nicht so dramatisch wie 2016.
Gibt es einen Unterschied zwischen Bio- und konventionellen Kartoffeln?
Der Hauptunterschied ist sicher bei den Fungiziden zu suchen. Im Bio können nur kupferhaltige Produkte eingesetzt werden, welche vorbeugend wirken. Bei regelmässigem Niederschlag hält dieser Schutz nicht lange. Im konventionellen Anbau ist die Produktepalette viel grösser. Teilsystemische und sporentötende Produkte kommen bei Krautfäule-Wetter zum Einsatz.
Welche Kartoffelsorten sind besonders anfällig auf die Kraut- und Knollenfäule, welche weniger?
Die Schweizerische Sortenliste gibt Auskunft über die Anfälligkeit. Es wird zwischen Kraut- und Knollenfäule unterschieden. Die Sorten Annabelle und Concordia sind hochanfällige Sorten, Jelly wird als gering anfällig eingestuft.
Ab welchem Zeitpunkt sollte man gegen die Kraut- und Knollenfäule vorgehen?
Grundsätzlich beginnt man die Kartoffeln mit einem Fungizid, bei Berühren der Stauden innerhalb der Reihe, alle sieben bis zehn Tagen zu schützen. Fünf Punkte sind zu beachten, um das richtigen Spritzintervall festzulegen. Stadium der Pflanze (Hauptwachstum/Neuzuwachs), Witterung, Befallssituation im Feld und in der Region, Wahl des Fungizides (teilsystemisch/Kontakt) und die Sortenanfälligkeit.
Welche Fungizide sind zu empfehlen?
Bei Bio kupferhaltige Produkte (siehe Bio-Zielsortiment 2020). Konventionell: Teilsystemisch und Kontakt mit abstoppender und sporentötender Wirkung (siehe Zielsortiment Acker- und Futterbau 2020).
Der Grund für den starken Befall könnte mit dem milden Winter zusammenhängen, da die liegen gebliebenen Kartoffeln der letzten Ernte nicht erfroren seien. Teilen Sie diese Meinung oder gibt es noch andere Gründe?
Es ist korrekt, dass der Pilz auf dem lebenden Gewebe überwintert. Wenn wir die Durchwuchskartoffeln in andern Kulturen sehen, hat man schon den Verdacht. Ich sehe aber in einem Rüben- oder Getreidefeld, wo Durchwuchskartoffeln wachsen, ganz selten Krautfäule-Kartoffeln. Ich würde den Grund eher bei der Witterung und dem Spritzintervall suchen.
Kann man prophylaktisch etwas gegen die Kraut- und Knollenfäule unternehmen?
Eine geregelte Fruchtfolge mit einer praxisnahen Feldhygiene sind das A und O im Kartoffelanbau. Zudem ist zertifiziertes Saatgut zwingend empfohlen.
Mit welchem finanziellen Aufwand müssen die Bauern pro Hektare rechnen, wenn sie die Kartoffeln gegen die Kraut- und Knollenfäule spritzen müssen?
Pro Behandlung muss zwischen 50 und 60 Franken gerechnet werden. Ich gehe davon aus, dass es dieses Jahr eine bis zwei Behandlungen mehr braucht.
Was passiert, wenn ein Kartoffelfeld aufgegeben werden muss?
Muss ein Feld aufgegeben werden, sollte zuerst mit dem Vermarkter der Kontakt gesucht werden, um die beste Lösung zu finden.