Lärchen mit vergilbten Nadeln bis zur vollständigen Entlaubung der Bäume: Im Walliser Saastal und in Goms VS präsentiert sich Anfang Juni in manchem Wald ein tristes Bild. Etwa zur selben Zeit gibt es Meldungen von Schwarz- und Waldföhren mit auffälligen Nadelverfärbungen im Westschweizer Jurabogen. Verantwortlich für diese Schäden: Zwei Insektenarten, die bisher unauffällig waren.

Passendes Wetter

«Die Lärchennadeln sind den Raupen des Orangegelben Breitflügelspanners (OB) zum Opfer gefallen», sagt Simon Blaser, Wald-Insektenforscher an der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Es handelt sich um einen einheimischen Schmetterling, der heuer in besonders grosser Zahl auftritt und von den zuletzt vorherrschenden Witterungsbedingungen offenbar profitiert hat. Bisher gab es nur selten solche Massenvermehrungen. Allerdings geht Blaser davon aus, dass der OB auch in Zukunft nur eine Generation pro Jahr anlegen wird: «Zyklisch auftretende, entlaubende Insektenarten sind in ihrer Entwicklung häufig stark an jene ihrer Wirtspflanzen gekoppelt», erklärt er. Was hingegen in Nordeuropa beobachtet worden sei, ist eine Verschiebung des Verbreitungsgebiets des OB nach Norden.

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Die stellenweise kahlgefressenen Walliser Lärchen haben mit Wiederaustrieb reagiert. Üblicherweise fallen die Populationen von entlaubenden Schmetterlingsarten nach Massenvermehrungen rasch von selbst wieder zusammen, schildert Simon Blaser. Massnahmen zur Bekämpfung seien daher nicht nötig. «Sie wären sicherlich aufwändig, man könnte etwa Leimringe am Stammfuss gefährdeter Bäume anbringen», schildert er. Ob es durch den Klimawandel in Zukunft mehr Schäden durch den OB geben wird, könne man derzeit noch nicht sagen.

«Vielerorts bereits etablierte Populationen.»

Simon Blaser, WSL, über die nicht-einheimische Kiefernblutzikade.

Bereits vielerorts etabliert

Im Gegensatz zum OB ist der Verursacher der Nadelverfärbungen an Föhren im Jurabogen nicht einheimisch: Die Kiefernblutzikade (KBZ) stammt aus südlicheren Regionen Europas und hat sich in den letzten Jahrzehnten weiter nach Norden ausgebreitet. «Wir gehen aufgrund von Befallsbeobachtungen und Fundmeldungen davon aus, dass sich an vielen Standorten in der Schweiz bereits Populationen der KBZ etablieren konnten», erläutert Simon Blaser. Typisch für die KBZ sind ringförmige Saugspuren an den Föhrennadeln. Seit einigen Jahren gab es einzelne Funde dieser Art in der Schweiz, bisher aber keine derart gravierenden Nadelschäden.[IMG 4]

«Die schädliche Saugaktivität der KBZ findet hoch oben in den Kronen der Föhren statt. Daher erweist sich eine Bekämpfung als sehr schwierig», gibt der Fachmann Auskunft. Zurzeit seien daher keine geeigneten Bekämpfungsmethoden bekannt. Gleiches gilt für die Folgen des Befalls durch KBZ, trotz wiederholten Auftretens im benachbarten Frankreich.

«Noch konnten keine Absterbeprozesse beobachtet werden, die auf Angriffe der Zikaden zurückzuführen wären», stellt Blaser fest. Er hält es trotzdem für wahrscheinlich, dass wiederholte Befälle zu einer Schwächung und Wachstumsreduktion führen könnten und die Bäume anfälliger machen gegenüber weiteren Schädlingen und Krankheitserregern. «Vermutlich muss die KBZ langfristig als invasive Art eingestuft werden.»

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Was ist aktuell sichtbar?

Nach dem Wiederaustrieb der betroffenen Lärchen sind die Frassschäden durch den Orangegelben Breitflügelspanner nicht mehr zu sehen. «Wer allerdings unterhalb der Bäume im Streu und im Boden gräbt, kann dort Puppenstadien finden», sagt Simon Blaser. Daraus schlüpfen ab Oktober die adulten Schmetterlinge.

Die Saugstellen der Kiefernblutzikade sind hingegen noch erkennbar. «Betroffen sind meist ältere Nadeljahrgänge», so Blaser. Die Zikade hinterlässt eine typische, ringförmige Verfärbung in gelb-braun an den Saugstellen.

Die WSL bzw. Waldschutz Schweiz möchten das Ausmass der Schäden durch OB und KBZ schweizweit erfassen und bitten, Verdachtsfälle online zu melden.