In der Schweiz gilt der Maiswurzelbohrer – im Gegensatz zur EU – weiterhin als Quarantäneorganismus. «Aber er erfüllt die internationalen Kriterien für einen Quarantäneorganismus hierzulande nicht mehr, weil er zu verbreitet auftritt», sagt Peter Kupferschmied vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Die Anzahl gefangener Käfer und betroffener Kantone habe stetig zugenommen. An einer Tagung des Internationalen Mais- und Informationsrings (Imir) machte Kupferschmid klar, welche Fragen sich in Zukunft stellen: namentlich, wie es mit den Fruchtfolge-Einschränkungen gegen den Maiswurzelbohrer weiter gehen soll.
Verschiedene Meinungen
Damit die Schweiz nicht ohne Bekämpfungsstrategie dasteht, soll der Maiswurzelbohrer erst ab 2026 nicht mehr als Quarantäneorganismus geregelt sein. «Zum künftigen Vorgehen gibt es verschiedene Meinungen von Produzenten, Kantonen und Bund», so Peter Kupferschmied. Einig sei man sich darin, dass weder systematisch chemischer Pflanzenschutz zum Einsatz kommen soll noch dass es wirtschaftlich relevanten Schaden durch den Maiswurzelbohrer geben darf. Während aber der Schweizer Bauernverband (SBV), einige wenige Kantone und der Schweizerische Getreideproduzentenverband (SGPV) kein Risiko eingehen wollten und es daher begrüssen würden, wenn der Staat weiterhin strikte Fruchtfolgeregeln (kein Mais auf Mais) erlässt, sehen das laut Kupferschmied Bauernverbände aus der Zentral- und Ostschweiz und eine Mehrheit der Kantone anders. Im Sinne einer besseren Planungssicherheit und mehr Eigenverantwortung für die Landwirtschaft forderten sie, dass zwei Jahre Mais am selben Standort zulässig sein soll. Ein weiteres Argument sei die Verhältnismässigkeit, die den Staat dazu verpflichtet, zur Lösung eines Problems die mildest mögliche Massnahme zu treffen, die noch zum Ziel führt. SGPV und SBV hingegen seien der Ansicht, die Eigenverantwortung funktioniere in dieser Sache nicht ausreichend gut und die kantonalen Verbände könnten Fruchtfolgeregelungen schliesslich nicht durchsetzen.
«Das BLW ist auch gegen eine Deregulation, der Saat soll weiterhin die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers anordnen», erklärte Peter Kupferschmied. Die nötige Rechtsgrundlage sei mit der AP 22+ geschaffen worden und trete 2025 in Kraft. Nächstes Jahr wolle das BLW die zwei Optionen in die Vernehmlassung schicken: Entweder ein schweizweites Verbot für Mais auf Mais oder der Strategiewechsel, der in der ganzen Schweiz oder Teilen davon maximal zweimal Mais in Folge erlauben würde. «Bis auf Weiteres gelten die bestehenden Bestimmungen», hielt er fest.
Ausnahme in Luzern
Das BLW erlaubt dem Kanton Luzern eine schweizweit einzigartige Ausnahme, denn dort darf bereits maximal zweimal hintereinander Mais angebaut werden. Danach ist eine zweijährige Maispause auf der jeweiligen Fläche vorgeschrieben. Entstanden ist die Ausnahmeregelung laut Peter Kupferschmied aufgrund des hohen Bedarfs des Kantons an Futtermais. Das BLW habe Luzern auf Gesuch hin im Jahr 2020 die Ausnahme bewilligt, um die Wirkung einer weniger strikten Fruchtfolgeregelung auf die Entwicklung des Maiswurzelbohrers in der Schweiz zu untersuchen. «Es sollte eine wissenschaftliche Begleitung geben, das wurde aber nicht umgesetzt», so Kupferschmied. Es seien zu wenige Käfer eingeflogen, um wissenschaftlich sinnvolle Untersuchungen anzustellen.
Keine Population aufgebaut
Eine Population habe sich aber in Luzern nach den Daten des laufenden Monitorings nicht aufgebaut, bemerkt der BLW-Fachmann. Das gilt auch für die ganze Schweiz: Maiswurzelbohrer fliegen jedes Jahr aus den Nachbarländern ein, scheinen sich hierzulande aber nicht etabliert zu haben. «Es gibt keine Schweizer Maiswurzelbohrer-Population», betont Peter Kupferschmied und führt dies auf die bisher durchgesetzte strikte Fruchtfolge zurück. Dass eine geregelte Fruchtfolge in der Schweiz üblich bzw. im Rahmen des ÖLN vorgeschrieben ist, sorgte an der Tagung bei den Vertretern aus Deutschland und Frankreich für Erstaunen bis Anerkennung. Aber mehrere Vorträge (siehe Kästen) machten klar, wie wertvoll die Fruchtfolge gegen Schädlinge und Unkräuter sein kann. «Man kann immer voneinander lernen», schlussfolgerte der deutsche Imir-Geschäftsführer Hubert Sprich.
«Explosion» von giftigem Unkraut im Elsass
Im französischen Elsass machen im Frühling keimende Unkräuter zunehmend Probleme. François Lannuzel von der dortigen Landwirtschaftskammer erläuterte die schwierige Bekämpfung von Stechapfel, Ambrosia und Borstenhirse. «In der EU gibt es neue Höchstwerte für Tropanalakaloide», so Lannuzel. Diese Giftstoffe sind sowohl in den Samen als auch im Saft des Stechapfels zu finden. Sie haben laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bereits in geringer Dosis einen Einfluss auf Herzfrequenz und das zentrale Nervensystem, was sowohl für Lebens- als auch Futtermittel problematisch ist. Es gelten hierzulande Höchstgehalte für Stechapfelsamen und -fruchtstücke in Futtermittel-Ausgangserzeugnissen und Mischfuttermitteln sowie für Tropanalakaloide in Breikost, Buchweizen, Hirse und Mais zu Lebensmittelzwecken.
In der Schweiz tritt der Stechapfel nicht verbreitet auf, während François Lannuzel von einer wahren «Explosion» im Elsass sprach. Allerdings sollten gemäss Strickhof hierzulande Sommerkulturen darauf kontrolliert und etwaige Pflanzen vor der Samenreife ausgerissen sowie im Kehricht entsorgt werden. Biofarm warnt vor dem Unkraut insbesondere in Bio-Hirsefeldern, da die Stechapfelsamen schlecht von der Hirse zu trennen seien. Eine mechanische Bekämpfung sei wegen des hohen Keimpotenzials von Stechapfelsamen im Boden schwierig, sagte François Lannuzel. Vorbeugend sollten Maschinen nach Gebrauch gereinigt werden, um das Unkraut nicht zu verschleppen. Agronomisch könne eine Fruchtfolge im Sinne des Wechsels von Sommer- und Winterkulturen helfen
[IMG 2]
Aufruf zum integrierten Pflanzenschutz
Olaf Zimmermann vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (D) hielt einen Vortrag darüber, welche neuen Schaderreger im Mais künftig noch zu erwarten wären. Er konzentrierte sich auf die Baumwollkapsel-Eule, «einen der interessantesten Kandidaten», wie er sich ausdrückte.
In Ungarn rangiere der unscheinbare Falter mit seinen bunten Raupen neben Maiszünsler und Maiswurzelbohrer bereits in den Top drei der Maisschädlinge. Er fresse eigentlich so gut wie alles, so Zimmermann, von Maiskolben über Tomaten bis Lavendel und Kichererbsen. Immerhin habe man bereits eine natürliche Parasitierung der Raupen festgestellt – der invasive Schädling hat also natürliche Feinde in seinem neuen Verbreitungsgebiet. Auch erwähnte Olaf Zimmermann die Bekämpfung mit Trichogramma-Schlupfwespen und anderen Nützlingen, in der Schweiz seien zusätzlich Viruspräparate zugelassen. 2023 habe die Baumwollkapsel-Eule hierzulande teils beträchtliche Ausfälle im Acker- und Gemüsebau verursacht, der Mais sei aufgrund günstiger Witterung stark befallengewesen.
«Die Zuflüge machen die gezielte Bekämpfung schwierig», stellte Zimmermann fest. Umso mehr sei das ein Appell zum integrierten Pflanzenschutz, um nicht mit Insektiziden mögliche natürliche Feinde der Baumwollkapsel-Eule auszuschalten. Seit 40 Jahren setze man schliesslich systematisch keine Insektizide im Mais mehr ein, da gelte es auch hier, eine biologische Lösung zu finden.
[IMG 3]
«Japankäferzucht» im Mais
Wie wirksam die behördlichen Massnahmen gegen den Japankäfer in Kloten ZH waren, wird sich erst noch zeigen. «Dazu, ob dieser Käfer auch im Ackerbau wichtig sein könnte, gibt es keine belastbaren Daten», sagt Giselher Grabenweger von Agroscope. Bekannt seien Skelettierfrass an Soja und ein ähnliches Schadbild des Japankäfers am Mais wie im Fall des Maiswurzelbohrers. «Aber», erklärte Grabenweger, «Japankäferengerlinge fressen Maiswurzeln.» Somit könnte sich unter einem Maisfeld eine Population aufbauen. Der Fachmann sprach von wahren «Zuchten» im Piemont, wo in bewässerten Maiskulturen unter einer einzelnen Pflanze bis zu 20 Engerlinge seien. Denn im Sommer braucht das Insekt feuchte Böden. Kritisch wäre diesbezüglich auch die Abfolge Kunstwiese-Mais mit Streifenfrässaat, da sich Japankäferlarven ebenso von Graswurzeln ernähren können.
Bezüglich Schäden haben Maisbauern nach Meinung von Giselher Grabenweger wahrscheinlich wenig vom Japankäfer zu befürchten. Da unter ihren Feldern aber eine massenhafte Vermehrung des Schädlings möglich sei, könnten sie dennoch von Bekämpfungsmassnahmen betroffen sein.
Potenziell wären Japankäfer in der Lage, in ganz Europa aufzutreten. «Aber in einem Grossteil Europas sieht nicht so aus, als ob er dort einmal in Massen vorkommen würde», so Grabenweger.