«Massenhaft tote Bienen: Kontrolleure finden verbotene Pestizide auf Schweizer Feldern», heisst es in der «Sonntagszeitung» von letzter Woche.
Eine unschöne Geschichte, die auch von SRF aufgenommen und in den abendlichen Hauptnachrichten im Fernsehen ausgestrahlt worden ist. Die Rollenverteilung ist klar, die Landwirtschaft steht am Pranger und der Schweizer Bauernverband versucht, die Sache zu erklären. Den Lesenden und den Zuschauer(innen) wird vor Augen geführt, was in der Landwirtschaft schieflaufe. Das interessiert, denn jeder Konsument fühlt sich betroffen – als Kunde, Teil des Stimmvolks oder Steuerzahler.
Der Wirkstoff war im Rapsfeld
Am Anfang dieser Berichterstattung steht der jährliche Rapport des Bienengesundheitsdienstes (BGD) zu Bienenvergiftungen. Daraus stammt auch das Zitat, das der «Sonntagszeitung» ihren knackigen Titel lieferte: «Massenhaft tote Bienen». Ein Imker habe im Mai 2023 dieses Bild auf den Flugbrettern seines Bienenstands vorgefunden. Später stellte sich durch Proben der Bienen und aus einem nahen Rapsfeld heraus, dass der Insektizid-Wirkstoff Dimethoat bzw. ein Abbauprodukt für diese Bienenvergiftung verantwortlich sein dürfte. «Diese scheinbar bewusste Anwendung eines zurückgezogenen und zudem für Rapskulturen nicht zugelassenen Produktes führte zu einer starken akuten Vergiftung von 81 Bienenvölkern», so der BGD. Wie die «Sonntagszeitung» schreibt, liegen ihr zusätzlich Laboranalysen aus risikobasierten Kontrollen vor, die weitere Anwendungen unerlaubter Pflanzenschutzmittel bzw. deren Rückstände auf Lebensmittel zeigten. Die Beanstandungsquote liege bei 11 Prozent. Kantonale Kontrollen auf den Feldern und von genussfertigen Lebensmitteln bestätigen in dem Artikel das Bild, dass sich zumindest ein Teil der hiesigen Bauern nicht an die Vorschriften hält.
Was der Bienengesundheitsdienst schlussfolgert
Der Rapport des BGD liest sich da weit weniger aufgeregt. Es habe 2023 15 Verdachtsfälle auf Bienenvergiftungen gegeben, zwei davon wurden bestätigt. Die Schilderungen des ersten Falls mit Dimethoat hat die «Sonntagszeitung» aufgenommen. Die zweite akute Bienenvergiftung in jenem Jahr geht gemäss BGD auf eine unsachgemässe Verwendung von Spinosad zurück, bei der die zulassungsbedingten Auflagen nicht eingehalten worden seien. So kommt der BGD zu folgendem Fazit: «Die beiden Fälle zeigen, dass akute Bienenvergiftungen dann auftreten, wenn nicht erlaubte, für Bienen giftige PSM angewendet oder Bienenschutzauflagen nicht respektiert werden.» Es sei daher wichtig, vor jedem PSM-Einsatz die Anwendungsvorschriften durchzulesen und sich genau daranzuhalten. So klingt das eher nach Einzel- oder sogar Unfällen als nach bösen Bauern.
Der Hintergrund der «Grossoffensive»
Was hingegen gut zum Bild der bösen Bauern passt, ist die «Grossoffensive» an Direktzahlungskontrollen, von denen die «Sonntagszeitung» weiter schreibt. So finanziert der Bund nicht mehr nur 200, sondern 1000 Laboranalysen von Böden und Pflanzen pro Jahr. Der Beschluss dafür geht auf die AP 22+ zurück und die Analysen sollen die Selbstdeklaration via Aufzeichnungen durch die Betriebsleitenden ergänzen – davon steht in jenem Artikel allerdings nichts. Wie das Bundesamt für Landwirtschaft gegenüber der BauernZeitung erläutert hat, liegt der Fokus dabei auf dem ÖLN und dem Produktionssystembeitrag für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. In der Sonntagspresse klingt es eher nach einem Versuch, dem illegalen Einsatz von PSM endlich einen Riegel vorzuschieben.
Ausgehend von denselben Fakten lassen sich unterschiedliche Geschichten erzählen. Man könnte auch sagen, nur ein Bruchteil der Verdachtsfälle von Bienenvergiftungen seien auf Pflanzenschutzmittel zurückzuführen, eine Mehrheit der Landwirt(innen) halte sich an Auflagen und Verbote und die risikobasierten Kontrollen würden dort durchgeführt, wo tatsächlich Verstösse geschähen. Aber man kann daraus auch einen medialen Skandal machen.
Vertrauen nicht aufs Spiel setzen
Die gute Nachricht: Die Schlagzeilen sind schnell vergessen. Die schlechte: Der negative Eindruck bleibt. Und das gilt es zu vermeiden, denn Bäuer(innen) sind auf die Bevölkerung angewiesen – als Kunden und als Souverän in unserer direkten Demokratie.
Die Abhängigkeit besteht indes genauso umgekehrt, denn welcher Landwirtschaftskritiker lebt nur von Luft und Liebe oder vertraut der ausländischen Produktion mehr als der hiesigen? «Wir brauchen mal wieder eine Hungersnot», wird in bäuerlichen Kreisen gemurrt, wenn die Laien mit überbordendem Selbstbewusstsein Forderungen stellen. Aber die grosse Masse der Schweizer steht hinter ihren Landwirten, das hat sich immer wieder gezeigt. Es sind nur leider die lauten, die am ehesten gehört werden. Wie jene medial negativ auffallen, die mit Verfehlungen im Pflanzenschutz für Empörung sorgen. Es gilt, das grosse Ganze im Blick und auch mal die Ohren steif zu halten. Der Sturm zieht vorbei und echtes, über Jahre aufgebautes Vertrauen hält einigen Böen stand. Man sollte es aber nicht auf Spiel setzen.