Bei einer Online-Veranstaltung am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) in Flawil stand die Frage im Zentrum, wie die Biodiversität auf dem eigenen Betrieb optimiert werden kann.
Es gibt viele Abhängigkeiten
Dabei ging Nicole Inauen von der Fachstelle Pflanzenbau und Umwelt am LZSG zunächst auf die Wichtigkeit der Biodiversität ein, die nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich ist: «Häufig merkt man erst, nachdem eine Pflanzen- oder Tierart verschwunden ist, welche Bedeutung sie eigentlich hatte.» Als Beispiel nannte sie die Mäuse, die vielerorts überhandnehmen, weil die Gegenspieler weg sind. Es bestünden viele Abhängigkeiten untereinander: Eine bestimmte Art diene etwa als Futter, als Lebensraum oder zur Bestäubung für eine andere. «Je mehr Arten in einem Lebensraum existieren, desto stabiler ist das System», so Inauen. Gründe, weshalb Biodiversität so wichtig ist:
Bestäubung: 80 Prozent der Nutzpflanzen brauchen Bestäubung durch Insekten. Dazu braucht es Wildbienen, Hummeln und Honigbienen.
Böden: Die Fruchtbarkeit der Böden ist von der Vielfalt der Bodenlebewesen abhängig.
Schädlinge: Je mehr verschiedene Lebensräume und Arten eine Landschaft beherbergt, desto besser lassen sich Schädlinge in Schach halten. Nützlinge wie Marienkäfer und Florfliegen brauchen blühende Wildpflanzen, welche sie in extensiv genutzten Wiesen, Hecken und aufgewerteten Waldrändern finden.
Wie Umfragen zeigen, wird die Situation der Artenvielfalt in der Schweiz besser eingeschätzt, als sie tatsächlich ist. So sind hierzulande 36 Prozent aller Arten von Tieren, Pflanzen und Pilzen bedroht, mehr noch als in unseren Nachbarländern. «Dies liegt unter anderem daran, dass kaum ein anderes Land so dicht besiedelt und genutzt ist», stellte die landwirtschaftliche Beraterin fest. Beispielsweise sind die anspruchsvollen Brutvögel des Kulturlandes seit 1990 um 60 Prozent zurückgegangen, weil die Nistmöglichkeiten und Insekten als Futter fehlen. Denn im gleichen Zeitraum sind rund 75 Prozent der Insekten verschwunden.
Die Vernetzung fördern
Der Landwirtschaft kommt eine wichtige Rolle bei der Pflege und Erhaltung der Biodiversität zu. Gefördert wird dies mit dem Direktzahlungssystem. Zum einen verlangt der ÖLN einen Anteil an Biodiversitätsförderflächen (BFF) von 7 Prozent. Zudem gibt es Biodiversitätsbeiträge, welche für 21 Typen von BFF, zwei Qualitätsstufen (I und II) sowie für die Vernetzung verschiedener BFF erhältlich sind. Für die höheren Beiträge der Qualitätsstufe II wird eine hohe Arten- oder Strukturvielfalt der BFF gefordert.
Um Vernetzungsbeitrage erhalten zu können, müssen besondere Voraussetzungen erfüllt werden, diese sind auf die in der jeweiligen Region vorkommenden Ziel- und Leitarten abgestimmt. Nicole Inauen veranschaulichte den Sinn von Vernetzungsmassnahmen an einem Beispiel: «Der Neuntöter benötigt in seinem Lebensraum in unmittelbarer Nähe blühende Wiesen und Weiden, wo er Insekten jagen kann, sowie dichte, dornenreiche Hecken als Brutgehölz.»
«Fast eigener Betriebszweig»
Roland Heuberger bewirtschaftet den Biohof Alterswil im oberthurgauischen Gabris. Zu dem Milchbetrieb gehören auch 300 Hochstammobstbäume und Ackerbau. Die Hälfte der Nutzfläche von knapp 30 Hektaren machen Naturwiesen aus. Dazu kommen gut 5 Hektaren extensive Wiesen. Ein Teil der Wiesen sowie die Obstgärten sind als BFF-Flächen mit Qualität ausgewiesen. Weitere ökologische Massnahmen sind etwa ein halber Kilometer Hecken, 29 Aren Buntbrache sowie 30 Aren Feldsäume und Blühstreifen. Der Landwirt setzt sich schon seit Jahren für die Biodiversitätsförderung ein. In seinem Referat erläuterte er: «Es ist schon fast ein eigener Betriebszweig, gestaltet sich entsprechend arbeitsintensiv und macht auch wirtschaftlich gesehen seinen Anteil aus.» Von Landwirten sei oft zu hören, dies sei ja nur Landschaftspflege, man würde lieber produzieren. «Doch auch Biodiversität ist Produzieren», betonte Heuberger, «man schafft damit ökologische Lebensräume.» Als Anreize dafür nannte er:
- Verminderung des Artenschwunds
- Aufwertung der Landschaft,
- Höherer Ertrag durch die Reduktion von Schädlingen.
- Biodiversität muss nicht Produktion konkurrieren.
- Umweltleistungen der Bauern werden für Konsumenten und Steuerzahler sichtbar.
- Biodiversität ist finanziell interessant.
Zahlreiche Möglichkeiten
«Wichtig ist, dass Biodiversitätsflächen sorgfältig geplant werden», sagte der Thurgauer. «Es braucht von Anfang an ein Gesamtkonzept über die Betriebsfläche. Verbesserungen sollten langfristig angelegt, wirtschaftlich und umsetzbar sein. Am besten, man zieht dazu eine landwirtschaftliche Beratungsstelle bei.» Es gebe zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten. Jeder Betrieb habe bereits geeignete Elemente, die sich für die Förderung der Artenvielfalt eignen würden. So lassen sich beispielsweise Büsche von Haselnussstauden zu einer Hecke oder eine nasse Stelle zu einem Tümpel aufwerten. Ein alter Baum könne stehen gelassen werden, er biete Unterschupf für Nützlinge, zudem könne darin ein Nistkasten für Vögel platziert werden. «Die Natur darf auch mal etwas unordentlich sein», ergänzte der Landwirt.
«Interesse ist wichtig»
Indem Roland Heuberger beim grössten Teil der Flächen die Qualitätsstufe II erreicht hat und somit mehr Direktzahlungs-Beiträge erhält, komme sein Betrieb finanziell mittlerweile nahe an die frühere Ausgangslage heran, als er noch hauptsächlich Milchproduzent war. Heuberger betonte jedoch auch: «Will man Biodiversität auf dem eigenen Betrieb fördern, ist es das Allerwichtigste, dass man sich dafür interessiert.»
Weitere Informationen: www.agri-biodiv.ch