Am Samstag 22. Mai war internationaler Tag der Biodiversität und in diesen Wochen finden wieder einige Aktivitäten statt. Häufig steht die Landwirtschaft am Pranger, sie sei schuld am Artenschwund und es brauche wieder viel mehr Biodiversität in der Landschaft. Für Hubert Schürmann vom Gritzenmoos ist die Förderung der Biodiversität auf seinem Betrieb seit vielen Jahren ein Anliegen.

Betrieb umgestellt

Bei der Betriebsübernahme vor 15 Jahren wurde aufgrund der kleinen Nutzfläche von 12 ha das Betriebskonzept angepasst, auf Ackerbau und Nebenerwerb umgestellt und extensiviert, nach den IP-Suisse-Richtlinien.

Schürmanns Vater führte einen klassischen Vollerwerbsbetrieb mit Milchwirtschaft und Schweinehaltung. Stallumbauten wären fällig gewesen. Zupacht von Land war schwierig. Betriebswirtschaftlich war für Landwirt Schürmann deshalb klar, dass Veränderungen nötig sind. Statt für grosse Investitionen und teure Landzupacht entschied er sich für die Nebenerwerbsstrategie und bildete sich weiter, zum Agrokaufmann und Wirtschaftsingenieur.

«Ich bin sehr gerne Landwirt, arbeite aber auch gerne auswärts und mag verschiedene Menschen um mich.» Die Mischung sei für ihn das Richtige, gleichzeitig sei dies auch eine Herausforderung, beides unter einen Hut zu bringen. Beispielsweise, wenn sowohl auf dem Betrieb wie bei der auswärtigen Tätigkeit die Arbeitsspitzen gleichzeitig anfallen.

Beratung für Praktiker

Schürmann arbeitete mehrere Jahre bei den Zentralschweizer Milchproduzenten und bei der Dienststelle Landwirtschaft und Wald und nun bei der Vogelwarte Sempach. Bei der Vogelwarte betreut Schürmann den Bereich Landwirtschaft. Er hilft mit, Forschungsresultate in die Praxis zu bringen, macht Beratungen, begleitet Ressourcenprojekte. Die Vogelwarte setze sich durchaus auch für eine produzierende Landwirtschaft ein, betont Schürmann, strebe aber, wie er persönlich auch, eine Optimierung der Biodiversität an. Das könne durchaus ein Betriebszweig sein und helfe mit, das Image der Landwirtschaft zu verbessern. «Von einer intakten Natur ist vieles abhängig.»

Auf dem Bauernhof Gritzenmoos wurden deshalb zur Schonung und Erhaltung der Ressourcen nach Möglichkeit pflanzenschutzfreie, bodenschonende und extensive Produktionsformen bevorzugt. So könne er in einigen Kulturen auf Herbizide verzichten, bei anderen verzichte er zum Bodenschutz auf den Pflug, erzählt Schürmann. Er setzt auch auf «Getreide in weiter Reihe», Buntbrachen, Blumenwiesen, Blühstreifen für Bestäuber, hat 70 Hochstammbäume und 800 Meter Hecken, und prüft auch Säume auf Ackerflächen.

Nun wurde eine weitere Optimierung für die Biodiversität vorgenommen und das Projekt Goldammer lanciert.

Viele Bauern sensibilisiert

Biodiversität habe heute in der Landwirtschaft einen viel grösseren Stellenwert als noch vor Jahren. Die Bauern würden das nicht nur als Pflicht erachten, sondern viele seien von der Bedeutung überzeugt und motiviert, mehr für die Natur zu machen. Klar bleibe die Produktion im Vordergrund und Leistungen für die Biodiversität müssten durch Beiträge abgegolten werden. Wichtig findet Schürmann, dass Bestehendes erhalten und, wo sinnvoll aufgewertet oder ergänzt werde, für mehr Qualität. «Es ist nicht zwingend nötig, grossflächig viel mehr neue Biodiversitätsflächen zu schaffen.» Die Quantität sei in der Schweiz schon recht hoch, bei der Qualität, der Anzahl Strukturelementen und auf einigen Ackerflächen gebe es aber schon noch Potenzial.

Auch die betriebswirtschaftliche Situation müsse allerdings stimmen und Biodiversität müsse dem Betriebsleiter Freude machen.

Natur im Siedlungsgebiet

In der Region könne nicht von ausgeräumter Landschaft gesprochen werden. Wichtig sei eine gute Strukturierung bestehender Elemente, und Schürmann plädiert auch für den Erhalt von alten, freistehenden Hochstammbäumen. Auch wenn diese vielleicht nicht mehr sehr produktiv und für die Bewirtschaftung hinderlich sind, seien es eben auch sehr wertvolle Lebensräume. Potenzial für mehr Biodiversität habe es sicher noch überall und die Betriebsleiter müssten sich entscheiden, was für sie optimal sei und dies bestmöglich umsetzen.

Ein grosses Manko bezüglich Biodiversität sieht Schürmann im weiter rasant wachsenden Siedlungsraum. Da werde noch immer viel versiegelt, Steingärten angelegt oder ungeeignete Pflanzen gesetzt. «Und dann wundert man sich, wieso man keine Vögel mehr sieht.» Da brauche es noch ein Umdenken der Gesellschaft und es sei unfair, von der Landwirtschaft zu erwarten, dass diese die Mankos kompensiere. Die Bevölkerung plädiere zwar schon für mehr Natur, aber wenn es um das eigene Grundstück gehe, höre man oft: «Aber bitte nicht bei mir.»

 

Das Projekt Goldammer

Hubert Schürmann analysierte auf seinem Betrieb bestehende Ökoelemente und stellte unter anderem eine lückige Hecke und wenig wertvolle Bestockung entlang eines Baches fest. So wurde das Projekt Goldammer lanciert, mit dem Ziel, die Hecke zu erweitern und zur Qualitätsstufe II aufzuwerten. Als erstes wurde die Uferböschung saniert, welche immer wieder einstürzte. So wurde Anfang 2019 eine sogenannte Faschine, eine ökologische Bachverbauung mit Weiden, erstellt. Ein Jahr später folgte der Rückschnitt des bestehenden Gehölzes und es wurden Kleinstrukturen wie Ast- und Steinhaufen erstellt.

Weiteres Ziel war der Einbezug von lokalen Akteuren und der Bevölkerung. «Ich wollte vor allem auch Kinder ansprechen und sensibilisieren», zumal er selber drei Kinder hat. So gelangte Schürmann im Sommer 2020 an den Naturschutzverein, den Fonds Landschaft Schweiz, Schulen, die Vogelwarte, Stiftungen, Firmen und fragte zum Mitmachen und zur Mitfinanzierung für das Projekt Goldammer an. Der Name bezieht sich auf die Vogelart Goldammer, der schöne Bestand in der Region soll weiter gefördert werden. Goldammern würden nicht nur in Hecken nisten, sondern bräuchten auch benachbarte Ackerfelder, eine vielfältige Landschaft, sagt Schürmann.

Das Echo auf die Anfrage war gross. Die Vogelwarte, der Naturschutzverein und Jardin Suisse boten fachliche Unterstützung, mit mehreren Schulklassen wurden Asthaufen und Nisthilfen erstellt und diesen Frühling gemeinsam hunderte von Heckenpflanzen gesetzt. Von der Firma Hinnen wurde eine Sitzbank zur Verfügung gestellt und geplant ist eine Infotafel. Auch die Medien interessierten sich, ein Fernsehteam schaute vorbei. Im Juni erfolgen weitere Einsätze von Schulklassen, so für ein Wildbienenhotel oder Erstellung einer Holzbeige.

Er wolle als Landwirtschaftsbeauftragter der Gemeinde den Berufskollegen aufzeigen, dass solche Projekte durchaus realisierbar sind und man dabei auf Unterstützung zählen kann. «Wer offen kommuniziert, kann durchaus Partner gewinnen.»

Das Projekt habe nicht zu Bewirtschaftungseinschränkungen geführt, aber das ökologische Potenzial verbessert. Zudem gibt es für die Erstellung und den Unterhalt von solchen Ökoelementen teils auch Beiträge. Und Schürmann betont: «Es ist wichtig, dass die Landwirtschaft mehr Kontakt und Nähe zur Bevölkerung sucht, solche Aktionen helfen mit.»