Die Nachfrage nach Weizen ist hoch – ob ungespritzt oder in Extenso-Qualität. IP-Suisse (IPS) könnte von beidem deutlich mehr brauchen. Doch was müsste passieren, dass die Produzenten bereit sind, die Flächen, gerade beim herbizidfreien Anbau, zu erhöhen? Wir haben mit Sandro Rechsteiner von IP-Suisse gesprochen.

Obwohl die Getreideernte abgeschlossen ist, hat der Feldbau-Spezialist enorm viel Arbeit. Die Ernte ist klein ausgefallen und die Lager werden nach dieser Saison leer sein, gleichzeitig steigt der Absatz. «Viele unserer Abnehmer möchten in Zukunft auf ungespritztes Getreide setzen und sind bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen», sagt Sandro Rechsteiner. IP-Suisse ist sicher, die zusätzliche Prämie von Fr. 10/dt bietet dem Produzenten die Chance, mit Brotweizen eine höhere Wertschöpfung als bis anhin zu erzielen. Die Reduktion von Pflanzenschutzmittel werde zudem vonseiten der Bevölkerung von den Landwirtinnen und Landwirten erwartet. «Die Produktion von herbizidlosem Getreide bietet eine machbare Variante, um Pflanzenschutzmittel einzusparen und die Anstrengungen werden erst noch am Markt honoriert», sagt Rechsteiner.

Viel zu wenig

Für die Ernte 2021 war eine Anbaufläche angemeldet, die zirka 20 000 Tonnen Weizen ergeben hätte. Hätte, weil die Bedingungen im gesamten Ackerbau für Ausfälle und Ertrags- und Qualitätseinbussen sorgten. Wie die Ernte heuer ausfiel ist noch nicht abschliessend bekannt, da die genauen Erntezahlen noch nicht komplett seien. Auch wenn das Jahr gut verlaufen wäre und die 20 000 Tonnen tatsächlich hätten realisiert werden können – die Menge reicht bei Weitem nicht. «Mittelfristig werden jährlich rund 80 000 bis 100 000 Tonnen herbizidloses IPS-Getreide benötigt», weiss der Feldbauspezialist.

Mehr Handarbeit und höhere Erwartungen der Konsumenten heisst die Sache zusammengefasst also. Aber was hat schliesslich der Produzent davon? «Die Anbausysteme extenso und herbizidlos werden aktuell auf Praxisbetrieben in einem Projekt mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) verglichen», erklärt Sandro Rechsteiner. Mit der zusätzlichen Herbizidlos-Prämie von Fr. 10/dt und Bundesbeiträgen sowie Einsparungen bei den Herbiziden stünden einem Betrieb rund 900 bis 1000 Franken/ha für die mechanische Unkrautbekämpfung und allenfalls Ertragsverluste im herbizidlosen Verfahren zur Verfügung. Das im Vergleich mit dem Extenso-Verfahren. Erntereduktionen konnten im aktuellen Projekt bis anhin nur in geringem Masse festgestellt werden, heisst es bei IP-Suisse.

Gefahren am Markt

Die Nachfrage für Getreide aus PSM-freiem Anbau ist also hoch und wird noch weiter zunehmen. «Es wird eine Weile dauern, bis wir diese Nachfrage befriedigen können», sagt Sando Rechsteiner auf die Frage nach möglichen Gefahren am Markt. Bei den Abnehmern sei daher Geduld und Verständnis gefragt.

«Uns ist klar, dass nicht alle Betriebe die gleich guten Voraussetzungen für eine Umstellung auf mechanische Unkrautbekämpfung haben und dass der Aufbau der Mengen Zeit braucht», sagt Rechsteiner weiter. Darum sei IP-Suisse daran mit Beratung und Verbesserung der Maschinenverfügbarkeit sowie mehr Flexibilität bei der Parzellenwahl, Voraussetzungen zu schaffen, damit die Flächen stetig zunehmen können.

«Bei den Verarbeitern braucht es den Willen zum Mehrpreis»

[IMG 2]

Was ist agronomisch gesehen die grosse Herausforderung beim Anbau von herbizidfreiem Getreide?

Bernhard Streit: Striegeln im richtigen Moment. Die sensible Phase für Schäden durch Unkräuter ist während der Bestockung des Weizens – die Unkräuter müssen dann weg sein. Normal gesäter Weizen, also in der 1. Hälfte Oktober gesät, bestockt im frühen Frühling zu einer Zeit, wo die Felder nicht optimal befahrbar sind. In solchen Fällen kommt die Unkrautbekämpfung immer zu spät. Das heisst, entweder braucht es einen früheren Saattermin mit Striegeleinsatz noch im Herbst oder einen späteren Saattermin mit vorgängiger Unkrautkur, damit die Bestockung auch später im Frühling zu einer Zeit ist, bei der die Felder befahren werden können, was wir generell empfehlen.

Wie sieht es mit den Problemunkräutern aus?

Die Bekämpfung von Ackerfuchsschwanz ist heikel. Wir empfehlen Spätsaat mit erhöhter Saatdichte ab November und vorgängiger Unkrautkur, früher Striegeleinsatz im Frühling sowie frühe und erhöhte erste Düngergabe, vorzugsweise flüssig. Ebenso herausfordernd ist die Bekämpfung von Klettenlabkraut. Auch hier empfehlen wir eine frühe und erhöhte erste Düngergabe mit späterem Striegeleinsatz.

Wo ist der herbizidfreie Anbau nicht geeignet?

Generell dort, wo hoher Unkrautdruck herrscht. Auch Parzellen mit Problemunkräutern wie Ackerfuchsschwanz, Klettenlabkraut und mehrjährige Arten, sind weniger geeignet. Eventuell sind auch steile Flächen weniger geeignet, wenn intensiv gestriegelt werden muss.

Wo liegen wettertechnisch die grossen Herausforderungen?

Bei der mechanischen Unkrautbekämpfung bei Nässe. Die Konsequenz ist klar: leichtere Fahrzeuge. Weiter anspruchsvoll ist die Wirksamkeit der Stickstoffdüngung bei Trockenheit. Hier heisst die Konsequenz Flüssigdüngung, Einsatz von Rotorstriegel und Rotorhacken, um die Bodenoberfläche aufzubrechen.

Wo sehen Sie denn die Vorteile des herbizidfreien Anbaus?

Das erfüllt eine Nachfrage des Marktes und der Konsumentenschaft. Weiter ist der Mehrerlös also ein höherer Produzentenpreis zu nennen. Was auch dazugehört ist, dass der herbizidfreie Anbau zum guten Image der Landwirtschaft beitragen kann.

Und die Nachteile?

Das Risiko für eine Verunkrautung ist grösser. Das bedeutet einen Mehraufwand bei der Unkrautbekämpfung. Weiter besteht ein erhöhtes Wetterrisiko, insbesondere bei Nässe. Als Negativpunkt muss auch die Einschränkungen bei reduzierter Bodenbearbeitung genannt werden. Direktsaat ist zwar möglich, es müssen aber mehr Punkte beachtet werden als bei intensiver Mulch- und Pflugsaat. Herausfordernd ist zudem, dass die richtigen Geräte für mechanische Unkrautbekämpfung teuer oder nicht verfügbar sind. Mit einem einfachen Striegel können einige Probleme wie Ackerfuchsschwanz oder Unkrautbekämpfung bei Mulchsaat nicht mehr gelöst werden.

Was ist bei der Vorkultur von herbizidfreiem Weizen zu beachten?

Es ist wünschenswert, vor der Weizensaat eine Unkrautkur zu machen. Deshalb sollte der Erntetermin der Vorkultur Raum für solche Aktionen lassen – das heisst 10 bis 14 Tage. Raps als Vorkultur ist für die Weizenentwicklung günstig, der richtige Umgang mit dem Ausfallraps ist aber unabdingbar für eine kontrollierbare Verunkrautung – auch innerhalb der gesamten Fruchtfolge. Das heisst Anregung der Keimung des Ausfallrapses nach der Ernte des Rapses, eine Unkrautkur und keine vorschnelle, tiefe Bodenbearbeitung, sonst gibt es Probleme in den Folgejahren.

Und bei der Nachbearbeitung?

Nach der Ernte von herbizidlos angebautem Weizen ist mit einer erhöhten Verunkrautung zu rechnen. Diese zu entfernen verursacht einen Mehraufwand und braucht Zeit. Möglicherweise wird dadurch die Ansaat der Folgekultur verzögert.

Wie schätzen Sie die Zukunft des herbizidfreien Anbaus von Getreide generell ein?

Der Markt für diese Art von Getreide muss unbedingt bedient werden. Im Gegenzug muss aber ein angemessener und deutlicher Mehrpreis bezahlt werden. Wenn wir es zudem fertig bringen, dass auf allen Stufen mehr Flexibilität kommt, wird die Fläche stark zunehmen.

Was bräuchte es denn dazu konkret?

Bei den Produzenten braucht es etwas mehr Toleranz gegenüber Unkräutern und die Akzeptanz für ein eingeschränktes Sortenspektrum. Bei den Abnehmern braucht es Massnahmen, die unter Umständen auch parzellenbezogen gemacht werden können. Weiter sollten nicht zu viele Label und Vorschriften eingeführt werden. Und bei den Verarbeitern braucht es den Willen zum Mehrpreis.