Zuletzt haben Schadstoffe im Boden in Form von PFAS Schlagzeilen gemacht. Im Gegensatz zu diesen breit eingesetzten Industriechemikalien entstehen Dioxine, die als besonders toxische Schadstoffe gelten, bei Verbrennungsprozessen bei Temperaturen über 200 Grad. So werden bei der Kehrichtverbrennung «kleinste Mengen» freigesetzt und über die Luft in der Umwelt verbreitet, ist beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zu lesen. Ein neuer Bericht gibt einen Eindruck von der Dimension der Dioxinbelastung rund um Kehrichtverbrennungsanlagen (KVAs) in der Schweiz. Schliesslich gab es in den letzten 50 Jahren über 60 KVAs, die heute teilweise nicht mehr in Betrieb sind. Und Dioxine reichern sich nicht nur im Boden an, sondern sind auch sehr langlebig.
Einzelfall in Lausanne
Der Bericht des Bundesamts für Umwelt (Bafu) gibt in weiten Teilen Entwarnung: «Die Bodenanalysen der Kantone seit 2021 haben ergeben, dass die hohe und grossflächige Dioxinbelastung rund um die KVA Vallon in Lausanne VD ein Einzelfall geblieben ist.» Auf dem Stadtgebiet mussten gewisse Sportanlagen und Spielplätze wegen zu hoher Dioxinwerte gesperrt werden. «Warum gerade rund um die KVA Vallon die Dioxinbelastung derart hoch und grossflächig ist, konnte nicht definitiv geklärt werden», so das Bafu. Mögliche Ursachen seien die Muldenlage direkt am See oder das Alter der Anlage, in der demnach über lange Zeit grosse Mengen Abfall verbrannt worden sind.
Der Lausanner Standort sei auch die einzige KVA, bei der das Altlastenrecht Sanierungsmassnahmen vorschreibt. Aber der Fall Vallon könnte auch für den Rest der Schweiz Folgen haben: Gemäss Bericht gibt es Hinweise auf Gesundheitsrisiken beim Verzehr von Eiern, Geflügel und weiteren tierischen Lebensmitteln. «Dadurch wird eine Aktualisierung der Richt-, Prüf- und Sanierungswerte der Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBO) voraussichtlich nötig.» Was das bedeutet, führt der Bericht selbst aus: «Ein künftig tieferer Prüfwert könnte zu zusätzlichen Nutzungseinschränkungen auf Flächen für die Lebensmittelproduktion führen, die früher Dioxine und Furane ausgestossen haben.»Die Flächen könnten nach wie vor landwirtschaftlich genutzt werden, jedoch mit angepasster Nutzung (z. B. Rindfleisch- statt Eierproduktion, da sich Dioxine im Ei stärker anreichern).
Nicht vor 2029
«Das Bafu wurde beauftragt, die Richt-, Prüf- und Sanierungswerte der VBBO für Dioxine und Furane im Boden basierend auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu überprüfen», erklärt Mediensprecherin Dorine Kouyoumdjian. Die Überprüfung solle bis Ende 2027 abgeschlossen sein. «Falls daraufhin eine Anpassung dieser Werte nötig wäre, nähme das bis zur Inkraftsetzung nochmals 1,5 Jahre in Anspruch.» Mit vorgeschriebenen Nutzungsänderungen rund um KVA-Standorte wäre demnach nicht vor 2029 zu rechnen.
Wie gross die betroffenen Flächen sein könnten, hänge von den allenfalls neuen VBBO-Werten ab, so Kouyoumdjian weiter. «Da es nur bei Richtwertüberschreitungen Hinweise auf Gesundheitsrisiken gibt, sind potenziell höchstens Teile der Flächen rund um KVAs betroffen, die jetzt schon Dioxin-Konzentrationen zwischen Richt- und tiefstem Prüfwert aufweisen.» Das trifft schweizweit auf etwa 20 Standorte zu.
Unterstützung ist wahrscheinlich
Gäbe es Unterstützung für Betriebe, die sich wegen KVA-bedingter Bodenbelastungen anpassen müssen? «Zu klären wäre, ob der Boden mit einer Melioration saniert werden könnte», heisst es beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage. Für die Beseitigung von Altlasten gelte, dass der Verursacher primär für die Behebung des Schadens aufkommen müsse. Der Grundeigentümer hafte nur dann, wenn der Verursacher unbekannt ist oder (rechtlich) nicht mehr existiert.
«Bei KVA dürfte der Verursacher bekannt sein und weil diese häufig der öffentlichen Hand gehören, ist es kaum denkbar, dass diese nicht mehr vorhanden sind bzw. sich die öffentliche Hand wegen der Auflösung der juristischen Personen aus der Verantwortung stehlen könnte», schildert das BLW und gibt das Beispiel der Sanierung der Sondermülldeponie in Kölliken AG. Dieses Projekt hat über 500 Millionen Franken gekostet, die – bis auf einen Beitrag des Bundes – die früheren Betreiber zahlen.

