In der Landwirtschaft sind Zielkonflikte ein immer wiederkehrendes, schwieriges Thema. Auch bei der Nutzung und Bearbeitung von Böden sei das der Fall, da man auf eine möglichst gute Bodenstruktur angewiesen sei – diese aber durch die Produktion mitunter in Mitleidenschaft gezogen werde, hielt Stéphane Burgos fest. Der Dozent für Bodenkunde an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) referierte anlässlich der IP-Suisse-Hofwochen und rief dazu auf, sich nicht allein auf Bodenanalysen aus dem Labor zu verlassen: «Meistens muss man graben», sagte er. So sei es möglich, sich einen Eindruck vom Zustand der eigenen Fläche zu verschaffen.
Moderne, ganzheitliche Sicht
In einem vereinfachten – und laut Stéphane Burgos veralteten – Verständnis erfüllt der Boden primär eine Funktion als Produktionsgrundlage. Modern sei hingegen eine ganzheitlichere Sicht, die unter anderem auch regulierende Funktionen (z. B. von Nährstoffkreisläufen oder die Filtrierung von Wasser) berücksichtigt und den Boden als Lebensraum für diverse Organismen versteht.
Statt lediglich die verfügbaren Nährstoffe zu analysieren und über die Düngung auszugleichen, brauche es heute daher andere Indikatoren. Als Beispiele nannte der Fachmann den Verschlämmungsgrad oder die Gefügebildung – Eigenschaften, für deren Beurteilung man ins Feld gehen und zum Spaten greifen muss.
Wie weit Wurzeln gehen können
Das tat Stéphane Burgos denn auch und erläuterte an zwei Beispielen von Wiesenflächen auf dem Gastgeberhof Märchligen in Allmendingen b. Bern, was ein Flügelbohrer und ein Spaten zutage fördern können. Ersterer gibt einen Eindruck der Gründigkeit der Fläche, die für die durchwurzelbare Tiefe entscheidend ist und von geologischen Faktoren wie Gletschermoränen beeinflusst wird. «Neben Flachgründigkeit können aber auch steinige oder sandige Schichten, Staunässe oder eine Pflugsohle das Wachstum der Wurzeln begrenzen», erläuterte Burgos.
Unter optimalen Bedingungen könne Gras seine Wurzeln bis zu 80 cm tief nach unten ausstrecken, Getreide bis zu einem Meter. Da flachgründige Böden schneller austrocknen, ist das Potenzial von Düngemitteln für ein besseres Pflanzenwachstum dort begrenzter. «Das ist wie bei euch», meinte Burgos schmunzelnd, «wenn es an Wasser fehlt, nützen alle Guetzli nichts.»
Sorgfältig zerbrach der HAFL-Dozent einige Erdbrocken aus seiner Spatenprobe, die schnell in lockere Krümel zerfielen. «So ein Krümelgefüge sollte man eigentlich überall haben», sagte Stéphane Burgos. Unter einer Wiese ist es eher anzutreffen als auf einer Ackerfläche.
[IMG 3]
Hilfsmittel für die Spatenprobe
Fachleute aus Praxis, Beratung, Bildung und Forschung haben 2023 die neue Methode «Boden-Dok» lanciert. Damit soll sich der Zustand der Bodenstruktur schnell und einfach bestimmen lassen, um Fragen zu Befahrbarkeit, Bearbeitbarkeit, Kulturwahl oder Bewirtschaftungsform, Humusverteilung, zu passender Bearbeitung für optimale Bedingungen für die Kultur oder die Entwicklung des Bodenzustands über die Zeit zu beantworten. Auf der Website von Boden-Dok (Link siehe unten) sind passende Anleitungen zu Durchführung und Interpretation der Spatenprobe verfügbar. Beispielbilder machen das Ganze anschaulich und es gibt bei Interesse Massnahmenvorschläge.
Infos zur Methode Boden-Dok: www.spatenprobe.ch
Vorsicht auch bei Wiesen
Aber auch auf intensiv bewirtschafteten Wiesen treffe man auf schlechteres Bodengefüge, z. B. eine oberste Schicht des Bodens, die durch hohe Belastung bzw. Befahren unter suboptimalen Bedingungen zerdrückt wurde. Zwar trockneten Wiesen oder Böden unter dichten Beständen wegen der starken Verdunstung über die Pflanzen oberflächlich schneller als ein frisch eingesäter Acker. Es bestehe aber das Risiko, tiefer liegende, nassere Schichten beim Befahren zu komprimieren. Zur Veranschaulichung knetete Burgos den Brocken in seiner Hand zu einer kompakten Kugel: Das Gefüge ist zerstört. «Ihr müsst euch vorstellen, ihr wärt eine Wurzel, und euch fragen, wo ihr euch wohlfühlen würdet.» Ein luftiges, lockeres Krümelgefüge ist da klar im Vorteil.
Weil man aber nicht überall Gras haben kann, brauche es ein Gleichgewicht auch im Ackerbau, fuhr Burgos fort. Wichtig sei zu bedenken, dass die Gefügebildung ein biologischer Prozess sei. Maschinen könnten höchstens unterstützen. Oder aber mehr Schaden anrichten als nützen, wenn Bodenkrümel zum Beispiel mit einer Kreiselegge mit zu hoher Geschwindigkeit zerbrochen und die Erde geradezu pulverisiert werde. Für die Durchmischung verschiedener Schichten im Untergrund und die Bildung von Krümeln, zwischen denen Platz bleibe für Luft und gespeichertes Wasser, würden unter anderem Regenwürmer sorgen.
«Das Problem ist die Pauschallösung.»
Laut Stéphane Burgos, HAFL, ist der Pflug auf flachen Flächen per se kein Problem.
Die Stoppeln sind geblieben
Die zweite Spatenprobe stammte von einer Fläche, auf der im Vorjahr Mais stand. Einzelne Maisstoppeln finden sich noch in der Erde und markieren die Bearbeitungstiefe. «Wenn diese Reste nach Jahren noch zu finden sind, ist das kein gutes Zeichen», kommentierte der Bodenkundler. Nach einer Maisernte bei nassen Bedingungen habe er selbst – drei Jahre später und trotz Raupendrescher – noch Stoppeln im Boden gefunden. Die Verdichtung habe den Abbau des Materials verhindert.
Was zum Bodenschutz bzw. dessen Verbesserung getan werden müsste, sei eigentlich längst bekannt, bemerkte Stéphane Burgos. Es gilt, Verdichtungen, Erosion und Schadstoffeinträge zu vermeiden und nicht zuletzt Landwirtschaftsflächen vor der Überbauung zu bewahren. Auch den Boden bedeckt zu halten, fördere die Gefügebildung und den Aufbau organischer Substanz, was wiederum ein höheres Wasser- und Nährstoffspeichervermögen bedeute. «Für die Produktion ist es besser, wenn der Boden umfassend funktioniert», fasste Burgos zusammen. Da gebe es keinen Widerspruch bei der Förderung seiner verschiedenen Funktionen.
[IMG 2]
Grosser Beitrag von Hofdüngern
Viele Böden im Schweizer Mittelland enthielten heute aber wenig bis zu wenig organischen Kohlenstoff und der Anteil lasse sich nur langsam steigern, fuhr der Fachmann fort. Er sieht Hofdünger und Kompost in einer wichtigen Rolle dafür, da sich ohne deren Zufuhr die Humusbilanz nur schwer ausgleichen lasse. Gründüngungen, Ernterückstände, Stroh oder Kunstwiesen leisteten allesamt ebenfalls einen Beitrag zum Humusaufbau, jedoch einen kleineren.
Der Weg zu mehr Humus und besserer Bodenstruktur dauere sicher mehrere Jahre und müsse in jedem Fall betriebsspezifisch sein – auch, was die Debatte um den Pflug angeht. «Als Bodenkundler plädiere ich in Hanglagen für den Erosionsschutz», erklärte Burgos. Sonst verliere man den Boden total. Das bedeutet entweder eine Weidenutzung oder reduzierte Bodenbearbeitung, die heute aber in der Regel mit dem Einsatz von Glyphosat verbunden ist. In jedem Fall sollte der Boden nicht durch schwere Maschinen oder bei nassen Verhältnissen in grösserer Tiefe verdichtet werden, als die Bodenbearbeitungsgeräte hinabreichen. An flacheren Standorten sei der Pflug per se kein Problem, ergänzt Stéphane Burgos. «Das Problem ist die Pauschallösung», ist der Bodenfachmann überzeugt.

