Offenbar klaffen die Mostobsternteschätzung des Schweizer Obstverbandes und die Realität auch dieses Jahr krass auseinander. Letztes Jahr wurde deutlich mehr als erwartet abgeliefert, dieses Jahr dürfte es deutlich weniger sein. Das zeigt eine Umfrage bei Mostereien in der Region. Der Obstverband hatte schon im August sehr hohe Rückbehalte für Mostäpfel festgelegt: über zehn Franken bei der erwarteten Menge von 75 000 bis 80 000 t. Erlöse von nur mehr 13 bis 15 Franken pro Zentner wären die Folge.
Arbeiten fast für Gotteslohn
Der hohe Rückbehalt, trotz einer Normalernte, drücke auf die Stimmung, stellt Beat Felder vom BBZN Hohenrain fest. Und dies sei wohl ein falsches Zeichen für die Motivation der Mostobstproduzenten. «Das kann dem einen oder anderen schon verleiden.» Gleichwohl stellt er aber fest, dass die Bauern ihr Feldobst auflesen und abliefern.
Die schlechte Stimmung zeigt sich bei der Annahmestelle der Mosterei Ramseier Suisse AG in Sursee: «Wir haben heute fast für Gotteslohn gearbeitet, aber wenn wir nicht auflesen, heisst es, wir hätten keine Ordnung», meinte am Montag ein Bauer beim Kippen der wenigen Harassen. «Letzten Sommer wurde noch Mostobst importiert, jetzt sollen wir an die Vermostung der Überschüsse mit hohen Rückbehalten zahlen», nervte sich ein anderer. Dass wegen der minimen Mengen an Mostobstimporten im Jahr 2017 höhere Rückbehalte im Jahr 2019 nötig seien, verneint Jürg Emmenegger von Ramseier Suisse AG klar. Vielmehr habe die Ernte des Vor-jahres eben zu hohen Lagerbeständen geführt. Die Grossernte sorgte zudem für Mehraufwand und zusätzliche Lagerkosten.
«Die Schwankungen sind in den letzten Jahren viel grösser geworden.»
Jürg Emmenegger, Ramseier Suisse AG, Sursee
Geringe Anlieferungen
Jürg Emmenegger bestätigt, dass vor allem in Sursee die Anlieferungen derzeit gering sind, in der Ostschweiz zeige sich eher ein anderes Bild. Prognosen zur Gesamtmenge seien aber im Moment noch schwierig, da denkbar sei, dass in den nächsten Wochen auch in der Zentralschweiz noch mehr Mostobst geerntet werde. Vorgängige Schätzungen seien recht schwierig geworden in den vergangenen Jahren, auch weil Schwankungen zugenommen hätten.
Karl Schmid aus Emmen, Vertreter der Zentralschweiz im Produktezentrum Mostobst des Schweizer Obstverbandes, stellt ebenfalls fest, dass die hohen Rückbehalte bei den Bauern nicht gut ankommen. Er betont aber, dass so hohe Rückbehalte nur beim Erreichen der geschätzten Menge abgezogen würden. Und es deute derzeit alles darauf hin, dass viel weniger Obst als erwartet vermostet wird. «Die Mostereien kommen kaum richtig zum Laufen.» Nicht nur von Hochstämmern, sondern auch aus Tafelobstanlagen fallen viel weniger Mostäpfel an. Auch Birnen gibt es wohl weniger als erwartet, Schmid rechnet deshalb mit einem Rückbehalt bei den Birnen von fünf Franken, bei einem Preis von 23 Franken sind es nach Abzug des Verbands- und Werbebeitrages noch 17 Franken Erlös.
Von viel geringeren Anfuhren wird nicht nur aus dem Kanton Luzern, sondern auch von Schwyzer Mostobstverwertern berichtet. Und viele direktvermarktende Mostobstbauern müssten gar Obst zukaufen, um die Nachfrage von Kunden für den selbst gemachten Süssmost zu befriedigen.
Schwankungen ausgleichen
Zu den Rückbehalten meint Schmid, dass dies keine Preissenkung sei, sondern diese dienten im Gegenteil dazu, die Preise zu halten. «Würden die Preise bei Grossernten effektiv gesenkt, statt mengenabhängige Rück-behalte zu erheben, wie das bäuerlicherseits teils gefordert wird, so wäre dies ein falsches Zeichen», findet Schmid. «Einmal gesenkte Preise könnten im Folgejahr kaum mehr erhöht werden, auch wenn weniger Ware anfällt.».
Rückbehalte seien auch keine Subventionen für Mostereien, sondern dienten dazu, Ernteschwankungen auszugleichen, betont Schmid. Und das Problem sei dieses Jahr, dass wenig Geld für Marktentlastungen – das heisst Export von Konzentrat und Ankurbelung der Inlandverwertung – zur Verfügung stehe und anderseits noch zu grosse Lager vom Vorjahr bestünden. Deshalb seien eben bei grosser Menge grosse Rückbehalte nötig.
«Rückbehalte helfen, Schwankungen auszugleichen.»
Karl Schmid, Emmen, Vertreter Zentralschweiz beim Produktezentrum Mostobst des Schweizer Obstverbandes
Tieferer Rückbehalt erwartet
Karl Schmid geht aber davon aus, dass aufgrund des aktuell geringeren Mostobstanfalles wohl nur der Mindestrückbehalt von fünf Franken erhoben werde.
Er erwähnt auch, dass der Süssmostkonsum in der Schweiz «leider nach wie vor rückläufig» sei, die Importe von Fertigprodukten aber steigen, was der Verwertung von Schweizer Mostobst nicht förderlich sei.
Ja, die Stimmung sei schlecht wegen der festgelegten Rückbehalte, bestätigt Adrian Muff von der gleichnamigen Mosterei in Römerswil. Er verarbeitet jährlich rund 1000 t Mostobst. Die Kritik sei aber wohl nicht ganz gerechtfertigt, und die Bauern könnten wohl mit besseren Erlösen als befürchtet rechnen. Denn bisher seien die Anlieferungen bei den Äpfeln gering. «Von einer Grossernte keine Spur», erklärt Adrian Muff. Da habe man sich wohl im Sommer völlig verschätzt und unnötig hohe Rückbehalte festgesetzt. Offenbar seien viele unreife Äpfel nach der Schätzung noch von den Bäumen gefallen, wohl trockenheitsbedingt und wegen mehr Wurmbefall, vermutet er.
Dass in den nächsten Wochen noch viel Mostobst angeliefert wird, glaubt Adrian Muff nicht, denn bereits sei Halbzeit bei der Ernte. Birnen würden eher den Erwartungen entsprechend angeliefert. «Aber auch davon könnte ich viel mehr gebrauchen, ich habe einen guten Abnehmer für Birnensaft.»