Nach «umfangreicher und sorgfältiger Prüfung» hat das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Ende März sieben Notfallzulassungen erlassen. Sie betreffen den Einsatz bereits regulär erlaubter Wirkstoffe zur Bekämpfung von Glasflügelzikaden in Zuckerrüben.

Dies sei ein «Baustein im Rahmen der abgestimmten Strategien zur Bekämpfung von Glasflügelzikaden als Überträger zweier bakterieller Krankheitserreger», teilt das BVL mit und macht detaillierte Angaben zu erlaubten maximalen Mengen und Flächen für die Behandlung. Sie darf nur erfolgen, wenn die zuständige Behörde basierend auf flächendeckenden Monitoringdaten zustimmt.

Keine Bestrebungen

Bisher waren in Deutschland gegen die Glasflügelzikade als Vektorinsekt keine Mittel zugelassen. Das ist in der Schweiz nach wie vor der Fall. Es gebe hierzulande auch keine Bestrebungen in diese Richtung, erklärt Luzi Schneider, Geschäftsführer der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenanbau (SFZ) auf Anfrage der BauernZeitung. «Wir gehen nicht davon aus, dass die Zikade bekämpft werden kann», so seine Begründung.

Vergangene Versuche hätten nämlich gezeigt, dass die chemische Bekämpfung der Glasflügelzikade trotz mehrfacher Wiederholungen nicht von Erfolg gekrönt war. Die adulten Tiere seien durch die lange Einflugszeit schwer zu erfassen, sagt Luzi Schneider, «zudem sprechen wir von einjährigen Versuchen in Deutschland.» Die SFZ verfolge das Geschehen im Nachbarland aber gespannt und stehe mit den dortigen Forschenden und Verbänden im Austausch.

Regionale Strategie

Auch das BVL ist sich der Schwierigkeiten bewusst. «Biologie und Mobilität des Vektors setzen dem Einsatz von Pflanzenschutzmittel Grenzen», heisst es in seiner Mitteilung. Es sei ein umfangreiches Überwachungskonzept etabliert worden, um die regionalen Flughöhepunkte für eine effiziente Bekämpfung zu bestimmen. Ausserdem laufe intensiv die Forschung nach weiteren Optionen. Zur Eindämmung der Zikaden-Population sowie der Vermeidung ihrer weiteren Ausbreitung brauche es regional, aber auch kultur- und spartenübergreifend abgestimmte Strategien.

Wieder 16 Prozent Zucker

«Wir sind nach wie vor überzeugt, dass wenn, dann eine chemische Behandlung gegen die Nymphe sinnvoller wäre», erläutert Luzi Schneider. Zudem glaube die SFZ an den Erfolg der Fruchtfolgeumstellung und an die Sortenwahl, die in der Schweiz verbessert werden müsse.

Ersteres zielt darauf ab, den Zikaden möglichst keine Überwinterungsmöglichkeiten zu bieten und daher auf den Anbau von Winterweizen nach Zuckerrüben zu verzichten. In Kombination mit SBR-toleranten Sorten konnte laut der Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) dank der regionalen Umsetzung einer so angepassten Fruchtfolge in der Schweiz wieder rund 16 Prozent Zuckergehalt erzielt werden.

Andere Lage in Deutschland

Während die Schweizer Rübenpflanzer primär mit SBR zu kämpfen haben, tritt in Deutschland ein «neuartiger Krankheitskomplex» auf, wie das BVL schreibt: Neben SBR grassiert Stolbur, die ebenfalls durch Bakterien hervorgerufen und via Zikaden-Vektor übertragen wird. «Das Besondere am aktuellen Schadgeschehen ist das meist gemeinsame Auftreten beider bakterieller Krankheiten», beschreibt die Behörde die Lage in unserem Nachbarland. Die Erreger lassen sich nicht direkt bekämpfen und die Glasflügelzikade habe binnen weniger Jahre auch Kartoffeln und verschiedene Gemüsearten als weitere Wirtspflanzen erschlossen.

Durch Stolbur verursachte «Gummirüben» sind in der Schweiz bisher nicht aufgetaucht. Aktuelle Untersuchungen der HAFL bestätigen, dass Stolbur hierzulande wohl im Unterschied zu Deutschland auch (noch) kaum in Kartoffeln auftritt, wo es mit schlechten Backtests in der Verarbeitung in Verbindung gebracht wird.