«Im Juni kein stabiles Hoch in Sicht», hiess es Mitte Woche bei «SRF Meteo». Keine guten Aussichten für die Futterbauern der Region. Besonders betroffen sind silofreie Betriebe im Hügelgebiet und in den tiefen Bergzonen. Sie haben Ende April meist noch aufs Heuen verzichtet. Seitdem gab es aber nur noch Mitte Mai ein sicheres Zeitfenster. Danach musste man mehr Glück als Verstand haben bzw. darauf hoffen, dass sich der Niederschlagsradar auf der Wetter-App irrt.
Stefan Emmenegger, Futterbaulehrer am BBZN Schüpfheim LU und Praktiker, beobachtet die Situation mit Unbehagen : «Das Futter ist sehr alt, oft bereits am Versamen.» Natürlich werde die Qualität schlecht sein. Dazu komme vermehrt Schimmel von unten, der zu Sporenbildung im Futter führen werde. Jetzt sei es besonders wichtig, nicht zu tief zu mähen. «Lieber zehn statt acht Zentimeter», sagt er. Auch, wenn es im Rückspiegel dann nicht gewohnt sauber ausschaue. Auf Silage sei bei alten Beständen nach Möglichkeit zu verzichten. Das Gras ist verholzt, hat nur noch wenig Zucker und gärt schlecht. Emmenegger beobachtet solch lang anhaltende Wetterphasen mit Sorge. Sehr lange nasse Phasen oder dann wieder sehr trockene kommen seiner Meinung nach gehäuft vor. Er empfiehlt, im Frühling früh mit dem Heuet zu starten. Auch wenn es bezüglich Menge und Stadium noch nicht optimal sei. Abwarten bewährte sich in den vergangenen Jahren meist nicht.
Auf den Alpen «richtig» nass
«Jetzt ist es auf unseren Alpweiden richtig nass», erklärt Älpler Oskar Pfyl gegenüber der BauernZeitung. Mit seiner Frau Marianne bewirtschaftet er die Alp Tröligen auf dem Stoos SZ. Bereits am 25. Mai sind sie aufgefahren. Sie versuchten nun aktuell, mit einem grosszügigen Weidegrasangebot die Tiere möglichst ruhig zu halten und so übermässige Trittschäden zu vermeiden. «Die Kühe werden zudem länger als üblich im Stall gehalten. Wir haben noch schöne Heureserven vom letzten Jahr, welche wir nun verfüttern», so der Muotathaler Älpler weiter. Die Milchmenge sei zwar aktuell dank des jungen Grases noch ansprechend. Die aktuell kühle Witterung verlangsame zudem die Reifung im Käsekeller. Der Verkauf von frischem Käse werde dieses Jahr dadurch wohl etwas später starten.
Lawine im Urserental
Nicht nur die Alpbewirtschaftung ist dieses Jahr wetterbedingt anspruchsvoll. Teils war es heuer bereits herausfordernd, mit dem Vieh überhaupt auf die Alp zu kommen. So war beispielsweise der Urner Älpler Heinz Planzer auf grobes Gerät angewiesen, um die Zufahrt auf seine Rindervoralp in Realp frei zu bekommen. Acht Stunden benötigte der Baggerfahrer, um mit seinem 10-Tonnen-Gefährt den Weg vom Lawinenschnee zu befreien. Der Schnee sei teils «pickelhart» und an den einzelnen Stellen bis zu sechs Meter hoch gewesen. Nur schon sicher auf den imposanten Lawinenkegel zu gelangen, sei für den routinierten Baggerfahrer eine Herausforderung gewesen. Ansonsten sei der Start in die Alpsaison geglückt. «Wir haben hier im Urserental nicht so viel Niederschlag erhalten und dank der sandigen Böden trocknete es auch wieder ab. Die kühle Witterung verlangsamte das Graswachstum aber schon etwas», so Heinz Planzer.
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Beim Alpaufzug auf den Urnerboden, mit über tausend weidenden Kühen schweizweit die grösste Kuhalp, lag dieses Jahr beim Alpaufzug Anfang Juni auf der Klausenpassstrasse bis zu 30 Zentimeter Neuschnee, sodass vor den Viehsenten der Schneepflug fahren musste und die Viehtransporter die Schneeketten montierten. Noch 200 Meter höher als der Klausenpass liegt die Ruosalper Chulm, über welche vom Schächental her ein Teil des Viehs auf die Alpen Ruosalp und Alplen zu Fuss aufgetrieben wird. Über mehrere hundert Meter musste dazu über die grossen Schneefelder mit der Schaufel von Hand vorgespurt werden. Zudem wurden im Schnee beidseitig Zäune erstellt, damit die Tiere nicht in gefährliches Gelände gelangten.
«Dank des kompakten Schnees war die Überquerung der Schneefelder heuer für Mensch und Tier gut machbar, und alle kamen gesund auf der Alp an», berichtet Landwirt Beat Brand aus Bürglen. Er ist einer der Bauern, der mit seinem Jungvieh über die Ruosalper Chulm lief.
Beeren benötigten heuer einen Witterungsschutz
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Anspruchsvoll ist das aktuelle Wetter auch für Beerenproduzenten. «Die Beeren haben grundsätzlich nicht gerne feuchtes und nasses Wetter, wie es die vergangenen Wochen vorherrschte», erklärt Jonas Boog vom Buuregarte Boog. Zusammen mit seiner Familie baut er auf der Reussebene in Hünenberg ZG verschiedene Sorten von Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren und Cassis an. Die Erdbeeren im Freiland hätten stark unter dem Wetter gelitten, mittels einer hohen Feldhygiene, sprich dem Entfernen von faulen Früchten, werde versucht, grössere Verluste zu verhindern. Ein Teil der Früchte könnte noch für Konfitüre verwendet werden, sobald Fäulnis erkennbar sei, würden die Früchte aber entsorgt.
Bedeutend besser als im Freiland präsentierten sich die Erdbeeren in den gedeckten Anlagen. «Diese überzeugen heuer mit einer super Qualität und hervorragendem Geschmack, denn die Temperaturen und Wachstumsbedingungen waren ideal», so Jonas Boog weiter. Dank den moderaten Temperaturen sei im Moment auch die Kirschessigfliege noch kein Problem. Jonas Boog hofft nun, dass es endlich abtrocknet, und auf einen langsamen Übergang zu schönem Sommerwetter. Einen zu abrupten Wetterwechsel mit Hitzetagen würde den Früchten nicht guttun. «Die Beeren sind dieses Jahr intensiven Sonnenschein gar nicht gewohnt und würden wohl verbreitet einen Sonnenbrand bekommen.» reb
Viel Handarbeit im Gemüseanbau
Das nasse Wetter erschwert auch die Arbeit der Gemüseproduzenten erheblich, der Anbau von verschiedenen Kulturen stösst in der Zentralschweiz aktuell an seine Grenzen. Insbesondere der Druck durch Pilzkrankheiten wie Mehltau oder Kraut- und Knollenfäule ist nach mehreren lang andauernden Feucht- und Nässeperioden enorm hoch. «Die aktuelle Situation fordert uns noch mehr als im ebenfalls sehr nassen Frühling 2023», erklärt der Beeren- und Gemüsebauer Michael Reichmuth aus Oberarth SZ. Dringend nötige Pflanzenschutzbehandlungen könnten bei nun unbefahrbaren Böden nicht ausgeführt werden. Auch Hacken oder Striegeln ist in seinen Kulturen aktuell nicht möglich, was zu sehr viel Handarbeit führe. Über die Sommermonate habe er auf seinem Biohof dieses Jahr zum Glück ein Jätteam mit fünf Personen angestellt, die momentan vor allem bei seinen Biokarotten und Biozwiebeln im Einsatz seien. «Doch auch das Jäten von Hand ist bei den aktuellen Bedingungen wenig effizient. Für eine Hektare Rüebli investieren wir so 300 Arbeitsstunden pro Durchgang», so Reichmuth. reb