Seit letztem Herbst ist das Wetter praktisch dauernass. Diese Bedingungen haben heuer auch die Produktion von pestizidfreiem IP-Suisse-Weizen erschwert. «Es gab kaum einmal ein trockenes Zeitfenster über drei Tage, um zu striegeln», hält Reto Ryser fest. Der Agronom arbeitet bei IP-Suisse im Bereich Pflanzenbau und baut selbst auf dem elterlichen Betrieb in Ramsen SH pestizidfreies Getreide an.

Viele gute Bestände

[IMG 2]Ganz so schlimm sehe es aber nicht aus, sagt Reto Ryser. «Ich habe viele Bestände gesehen, die sich trotz der Widrigkeiten betreffend Unkrautbekämpfung sehr gut präsentieren», schildert er. Bei feuchtem Wetter verbreiten sich auch Pilzkrankheiten stärker. «Da gibt es bei IPS-Pestizidfrei nicht mehr Probleme als in anderen Produktionsformen», so Ryser. Für die Extenso-Produktion mit einer robusten Sorte erwarte er ähnliche Resultate, wie wenn eine intensiv geführte, anfällige Sorte auf dem Feld stehe.

Auch in diesem Jahr sei der pestizidfreie Anbau demnach nicht am Anschlag. Wobei zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts zur Qualität der kommenden Ernte bekannt ist. «Prognosen sind immer schwierig», winkt Reto Ryser ab. Erst wenn die Ernte angelaufen bzw. abgeschlossen sei, werde es gesicherte Resultate etwa zu Hektolitergewicht und Proteingehalt der Ware geben.

Keine Plätze im Regal verlieren

2023 wurde erstmals IP-Suisse-Getreide der Klassen TOP und I «umlabelisiert» und als Suisse Garantie verkauft. Dies, um ein bestehendes Marktungleichgewicht zu beheben, wie es damals vonseiten des Schweizerischen Getreideproduzentenverbands (SGPV) hiess. Gleichzeitig konnten hohe Kosten für die Überlagerung bei IP-Suisse vermieden werden. Nach wie vor habe man aber letzterntiges Getreide am Lager, versichert Reto Ryser. «Es handelt sich um eine strategische Lagerhaltung», erklärt der Agronom.

Damit sei sichergestellt, dass IP-Suisse ihre Abnehmer auch im Falle einer schlechten Ernte ausreichend beliefern kann, damit keine Produkte aus den Regalen verschwinden. Insofern wäre man zumindest markttechnisch für Ausfälle bzw. eine schlechte Qualität der derzeit abreifenden Getreideposten vorbereitet.

Neue Sortenmischung im Herbst 2024

Um das Krankheitsrisiko bei pestizidfreiem Weizen zu minimieren, empfiehlt IP-Suisse Sortenmischungen. Denn «die perfekte Sorte gibt es nicht», heisst es in einem Merkblatt. Vorteile habe eine Mischung mehrerer Sorten auch hinsichtlich Standfestigkeit und sie soll zu stabileren Erträgen sowie einer stabileren Backqualität führen. «Auch in der Verarbeitung haben sich Sortenmischungen bewährt», sagt Reto Ryser, IP-Suisse.

Diavel und Caminada
Bisher ist «Isuela» erhältlich, eine TOPQ-Mischung aus Montalbano und Baretta. Für den Anbau im Herbst 2024 soll eine neue, weiterentwickelte Sortenmischung mit Diavel und Caminada verfügbar sein. «Es werden zunehmend mehr Flächen mit Sortenmischungen angebaut», gibt Reto Ryser Auskunft. Zwar macht es anbautechnisch keinen Unterschied, ob mit einer einzelnen Sorte oder einer Mischung gearbeitet wird – im Gegensatz zu Mischkulturen gibt es etwa keine nennenswerten Unterschiede in der Saatgutgrösse. Aber ein Sortenwechsel brauche immer etwas Zeit, ist sich der Agronom bewusst; «meist bleibt man bei der Sorte, mit der man bisher gute Erfahrungen gemacht hat».

Hoher Proteingehalt
Bei der Weiterentwicklung von Sortenmischungen achtet man z. B. darauf, dass die Mischungspartner gleichzeitig abreifen. Das ist besonders in Jahren mit eher ungünstigen Erntebedingungen wichtig, damit es nicht zu Auswuchs kommt. In der in Kürze neu verfügbaren Mischung ist ausserdem mit Caminada eine neue, begrannte TOP-Sorte enthalten, die sich laut Agroscope durch eine hohe Backqualität und einen hohen Proteingehalt auszeichnet.

Noch viel Potenzial am Markt

Die Nachfrage nach pestizidfreiem Getreide übersteigt derzeit aber klar das Angebot. «Die Ware ist auf jeden Fall noch gesucht und unsere Abnehmer sehr interessiert an grösseren Mengen», hält Reto Ryser fest. Allein die Migros-Bäckerei (FFB-Group) mache einen Bedarf von 85 000t pro Jahr geltend, was einer Produktion von rund 30 000t jährlich gegenübersteht. Neben der FFB-Group gibt es ausserdem noch andere Abnehmer. Die Labelorganisation ermuntert daher alle bestehenden IP-Suisse-Weizenproduzenten, auf pestizidfreien Weizen umzustellen. Für die Ernte 2025 könne man allerdings keine neuen Brotweizenproduzenten mehr aufnehmen.

Der Schritt vom Extenso- zum pestizidfreien Weizen bedeutet, auch bei der Unkrautbekämpfung auf chemische Verfahren zu verzichten. Um dies zu meistern, sei vor allem eine gute Planung von Vorteil. «Das beginnt bei der Wahl der passenden Fläche, die frei sein sollte von Problemunkräutern», erläutert Reto Ryser. Bei der Saatgutbestellung sei auf ungebeiztes oder nichtchemisch behandeltes Saatgut zu achten, fährt er fort. Im Bundesbeitrag für Herbizidfrei sind chemische Beizungen erlaubt, ebenso Einzelstockbehandlungen. «Wie beim Bundesbeitrag beginnt der Herbizidverzicht für pestizidfreien IP-Suisse-Weizen ab der Ernte der Vorkultur», erinnert der Agronom. Daran gilt es zu denken, bevor zum Beispiel vor der Saat noch Glyphosat zum Einsatz kommt.

Zur Planung würden Überlegungen zum Saatzeitpunkt gehören. Ryser rät entweder zu einer frühen Saat mit Striegeldurchgang im Herbst oder aber, mit dem Säen bis Ende Oktober / Anfang November zu warten. Das Saatgut sollte sauber abgelegt werden, damit die Kultur beim Striegeln nicht zu Schaden kommt.

Möglichst früh striegeln

«Ich empfehle, im Frühling so früh als möglich mit dem Striegel aufs Feld zu fahren», bemerkt der Schaffhauser. Für ihn sei das eine der ersten Handlungen auf dem Acker im neuen Jahr. Sobald das Getreide im 3-Blatt-Stadium ist, Wetter und Bodenbedingungen stimmen, kann so das Unkraut vor einer Etablierung bekämpft werden.

Ab- oder ummelden möglich

Die Anmeldung zur pestizidfreien Produktion ist keine Verpflichtung ohne Ausweg. «Im Frühling braucht es eine ehrliche Beurteilung auf dem Feld», sagt Reto Ryser. Hat das Unkraut überhandgenommen, kann die Fläche ab- bzw. umgemeldet werden: Abgemeldet vom Bundesbeitrag für Herbizidfrei und umgemeldet auf IP-Suisse-Extenso.

Eine weite Fruchtfolge wird bei der pestizidfreien Produktion grossgeschrieben. «Wir leben das auf unserem Betrieb», erzählt Reto Ryser, «denn das hat nicht nur beim Unkraut, sondern auch betreffend Krankheiten grosse Vorteile.» Auf den 60 ha LN, die Ryser zusammen mit seinen Eltern bewirtschaftet, wechseln sich Hartweizen, Brotweizen, Urdinkel, Gerste, Raps, Zuckerrüben, Mais, Lupinen und Eiweisserbsen ab, ergänzt durch Biodiversitätsförderflächen. Auch ein Rebberg sowie 25 Milchkühe gehören zum Betrieb.

In jedem Fall sei es nicht die Idee, im pestizidfreien Weizen eine starke Verunkrautung einfach zu akzeptieren, betont der Schaffhauser. «Manchmal hat man gegenüber dieser Anbauform etwas das Vorurteil, es werde Unkraut gezüchtet», sagt Reto Ryser. Die Messlatte lege aber der konventionelle Anbau, was die Sauberkeit des Feldes angehe. «Daran messen wir uns, sind aber auch tolerant, z. B. gegenüber dem einen oder anderen Acker-Stiefmütterchen.» Schadloses Beikraut bedeutet schliesslich einen Gewinn für die Biodiversität, unter dem die Kultur nicht leiden sollte.

Was tut sich beim Bundesbeitrag?

Bei IP-Suisse ist es möglich, beim Getreide klassenweise auf Herbizide zu verzichten. Der Bundesbeitrag hingegen schreibt vor, dass ein Betrieb alle Flächen derselben Kultur herbizidfrei bewirtschaften muss. Bei beiden Programmen ist der Einsatz von Herbiziden ab Ernte der Vorkultur und bis zur Ernte der Hauptkultur untersagt.

Branche interveniert
«Fast die ganze Branche hat sich dafür eingesetzt, dass auch beim Bundesbeitrag der klassen- oder parzellenweise Verzicht ermöglicht wird», sagt Reto Ryser. Mehrmals sei das Anliegen in Vernehmlassungen zum Ausdruck gebracht worden.
Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) stellt auf Anfrage klar, man habe nach der Einführung des Produktionssystembeitrags mit den neuen Vorgaben – anstelle des bisherigen Ressourceneffizienzbeitrags (REB) – keinen Rückgang bei den angemeldeten Flächen zu verzeichnen. Im Gegenteil sei die herbizidfrei bewirtschaftete Fläche 2023 auf 47 000 ha angewachsen (wovon etwa 24 000 ha Bio). 2022 seien es noch deren 15 842 gewesen. «Die Beteiligung ist um etwa 49 Prozent gestiegen (ohne Bio)», sagt BLW-Mediensprecher Hugo Wyler.

Bundesamt beobachtet weiter
Es sei vorgesehen, die Entwicklung der herbizidfreien Flächen über den Zeitraum von einigen Jahren weiter zu beobachten. «Basierend auf diesen Entwicklungen wird geprüft, ob und welche Anpassungen bei den Bedingungen erforderlich sind», so Hugo Wyler. Kurzfristig blieben also die Teilnahmebedingungen unverändert, der Beitrag für Herbizidverzicht gelte weiterhin für alle Flächen einer Kultur.

«Ausgesprochen anspruchsvoll»

Und wenn man nun vor seinem Feld steht und angesichts von z. B. einer Windhalm-Invasion nur noch die Hände verwirft? Nach den Gründen für einen Fehlschlag zu suchen, mache bei starker Verunkrautung einer pestizidfrei geführten Fläche Sinn. «Habe ich zu früh gesät oder zu wenig aggressiv gestriegelt?», gibt Reto Ryser Beispiele für die Fragen, die man sich stellen könnte. Heuer seien die Bedingungen aber ausgesprochen schwierig gewesen und die «Schuld» für einen Misserfolg sei daher nur bedingt beim Landwirt zu suchen. Ryser ermutigt, deswegen nicht vorschnell die Flinte ins pestizidfreie Korn zu werfen. «Unbedingt nochmals probieren», findet er, «im Notfall kann man die Fläche dann im nächsten Frühling immer noch abmelden und mit einem Herbizid korrigieren.»

Mehr zum pestizidfreien Anbau: www.ipsipedia.ch