«Soll ich mich jeden Tag fragen, ob ich mich aufs Bike schwingen oder wandern will?», sagt Peter Kistler (59) aus Reichenburg (SZ) und fährt fort: «Ich habe Freude am Arbeiten.» Und dabei will er auch die Früchte seiner Arbeit und seiner Investitions- und Risikobereitschaft geniessen.
Glashäuser statt Tunnels
Peter Kistler plant auf 10 ha die modernste Gemüsegärtnerei der Schweiz zu bauen. «Das Ziel ist, energieautark und CO2-neutral während des ganzen Jahres Gemüse anzubauen», fügt er an. CO2-Neutralität sei von der Politik gefordert. Den Strom müsse man selbst haben, der werde nämlich in Zukunft immer teurer. Die jetzigen Tunnels sollen flächendeckend durch 10 m hohe Glashäuser ersetzt werden. Und wo immer möglich, sollen Solarmodule installiert werden. Schon jetzt sind sämtliche Betriebsgebäude mit Dach- und Fassaden-Solarmodulen versehen.
Peter Kistler faltet am Küchentisch die Baupläne auseinander. «Wir sitzen jetzt hier im Wohnhaus, von wo aus wir unseren Betrieb managen», erklärt er. Daneben stehen die Kühl- und Lagerräume, die Gemüserüsterei und der Hofladen auf rund 45 a Eigenland. «Diese Parzelle hat mein Vater 1961 von der Allgemeinen Genossame Reichenburg (AGR) erworben. Schon Jahre vorher hatte er die 12,5 ha rundherum gepachtet», erzählt Kistler.
Damals habe niemand Interesse an diesen sumpfigen Streueböden in der Linthebene gehabt. Das habe sich seit der Gesamtmelioration geändert. Das Pachtland wurde dadurch immer begehrter. Nach jahrelangen Pachtstreitigkeiten und vertragslosem Wirtschaften gelang es Peter Kistler 2021, zusammen mit einer Interessengemeinschaft an der Genossengemeindeversammlung eine Mehrheit zu finden.
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Baurecht für 70 Jahre
Nun hat er einen Pacht- und Baurechtsvertrag über 70 Jahre. Die Zonenplanänderung in eine Speziallandwirtschaftszone ist abgesegnet. Fehlt nur noch die Baubewilligung. Gegen diese ist noch eine Einsprache der Umweltverbände hängig, die mehr ökologischen Ausgleich fordern. «Ich habe die Umweltverbände von Anfang an ins Projekt einbezogen – das würde ich nie mehr machen», so Kistlers Bilanz.
In trockenen Tüchern ist die Finanzierung. Über 40 Millionen Franken kostet das Projekt. Vorausschauend haben Peter Kistler und seine Frau Monika 2021 die Kistler Gemüsebau AG gegründet. Das kinderlose Ehepaar wird ab 2026 Aktienanteile an die vier mitarbeitenden Fabian Betschart, Elias Klaus, Ferdi Kistler und Ladina Schuler übergeben. «Sie stehen voll hinter dem Projekt. Wenn ich 65 bin, haben sie 40 Prozent der Aktien», sagt Kistler.
«Klar doch» werde er übers Pensionsalter hinaus weiterarbeiten. Hat er doch in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er mit den Veränderungen umgehen kann. «Es braucht Glück im Leben und man muss dran glauben, dass man es schafft», sagt er und erinnert sich an die harten Zeiten auf dem Markt.
Kistler Gemüsebau AG
Monika und Peter Kistler-Hinder
Ort: Reichenburg SZ
Anbaufläche: ca. 100 ha zusammen mit Landwirten
Gemüsesorten: 25, Hauptkulturen sind Bohnen, Tomaten, Karotten, Spinat
Angestellte: 50
Erfahrungen am freien Markt
Jahrelang hatte sein Vater an die Migros geliefert. Das blieb auch nach der Betriebsübernahme 1994 so – bis 2002. Im Rahmen einer Lieferantenrestrukturierung sei ihm damals gekündigt worden, sagt Peter Kistler. Er ist noch heute überzeugt davon, dass dies ein Vorwand gewesen sei. Dabei habe nämlich ein «persönlicher Zwischenfall» mit einem Einkäufer eine Rolle gespielt. So oder so – auf einen Schlag musste sich der Betrieb neu orientieren. «Wir hatten in den Jahren davor gross investiert, neue Treibhäuser und die Gemüserüsterei gebaut und eine Bohnenerntemaschinen angeschafft», erklärt Kistler die damalige Situation.
«So lange die Migros mit einem Anteil von 80 % unser Hauptkunde war, spürten wir den freien Markt nicht.» Aber er sei motiviert gewesen und belieferte daraufhin die Markthalle Zürich und baute den schmucken Hofladen für Privatkunden aus. Bald konnte er auch Detailhändler in der ganzen Schweiz als Kunden gewinnen. Wie ein Sechser im Lotto sei es dann gewesen, als er Coop mit Bohnen und San-Marzano-Tomaten beliefern konnte.
Über einen Zwischenhändler konnte er auch Aldi liefern, weil er als schweizweit erster schon im Februar im grossen Stil Spinat liefert. Seit 2025 ist er Direktlieferant von Aldi. «Aldi ist ein sehr fairer Partner, der Schweizer Gemüse bevorzugt behandelt, ungeachtet des befristeten Zollschutzes», sagt Peter Kistler. Aldi Suisse sei auch bereit, Schweizer Preise zu zahlen. Auch Coop sei etwas flexibler. Andere Discounter und Detailhändler kauften Schweizer Gemüse nur solange der Zollschutz gelte und importierten ausserhalb der Saison so viel wie möglich.
Sei das Wetter schlecht wie 2024, laufe der Absatz gut. Bei langen Schönwetterperioden sei hingegen genug Ware auf dem Markt. Dann frage niemand nach Gemüse. Nicht zu vernachlässigen sei zudem die Gemüseproduktion in den Hausgärten. In Jahren wie diesem versorge sich jede Familie, die einen Garten hat, selbst – und teile ihre Ernte auch mit Nachbarn oder Verwandten.
Den Preiskampf im Detailhandel spüren die Gemüseproduzenten. «Aber wir Gemüseproduzenten sind verbandsmässig gut aufgestellt», sagt Kistler. Er war zwölf Jahre bis 2024 im leitenden Ausschuss des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) tätig und präsidierte während dieser Zeit die Berufsbildungskommission vom VSGP. Auch engagierte sich Kistler im Vorstand der Gemüseproduzenten-Vereinigung des Kantons Zürich, wo die Produzenten des Kantons Schwyz angeschlossen sind. Für Peter Kistler rutschte Reto Huber aus Sünikon in den leitenden Ausschuss des VSGP nach. Huber übernahm auch das Präsidium der Berusfbildungskommission.
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Die Interessen der Pächter
Der Pächterverband bereitet Peter Kistler mehr Sorgen. Bis 2022 war er deren Präsident. «Früher gab es Pächter oder Eigentümer. Heute hat jeder Landwirt Pachtland. Bei den Mitgliederzahlen liegt es aber im Argen», stellt er fest. Es sei wichtig, dass sich die Pächter organisierten und auf dem Laufenden sein. Sie müssten wissen, welche Auswirkungen zum Beispiel die Teilrevision des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht haben werde.
Zölle im Visier
Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) konnte mit seinem Präsidenten Werner Salzmann im Februar 2025 einen grossen Erfolg verbuchen, als die Kommission für Wirtschaft und Abgaben die Motion «Stärkung der einheimischen Gemüseproduktion» an den Bundesrat überwies. Im Vorfeld hatte sich der Bundesrat dagegen ausgesprochen. Die Motion verlangt, den Importschutz (bewirtschaftete Phase) den heute länger dauernden Produktionszeiträumen anzupassen. Beispielsweise soll für Tomaten die effektive Bewirtschaftung (wo Schutzzölle gelten) einen Monat früher beginnen (Mai) und drei Wochen später enden.
Bereits ist der nächste Vorstoss des VSGP in der Pipeline. Die Delegierten des VSGP haben an der Delegiertenversammlung vom 30. April aufgrund eines Antrags der Zürcher Sektion einstimmig beschlossen, eine Anpassung des Ausserkontingentszollansatz (AKZA) Code 1 an die aktuellen Gegebenheiten vorzunehmen. Der AKZA Code 1 soll in der Hauptsaison verhindern, dass Schweizer Ware aufgrund der unterschiedlichen Preise durch Importe benachteiligt wird. «Seit dem Jahr 2000 hat der Euro 58 % an Wert eingebüsst, wodurch die Importe trotz AKZA immer lohnender werden. Mit der Konsequenz, dass lieber importiert wird, statt einheimisches Gemüse zu verkaufen», sagt Peter Kistler. Den Auftrag diesen Beschluss beziehungsweise Antrag umzusetzen, liegt in den Händen der VSGP-Geschäftsstelle.