«Die Landwirtschaft macht Symptombekämpfung und Pflästerlipolitik, handelt nach dem Willen der Agroindustrie, von der sie abhängig ist», wettert Fredy Abächerli aus Edlibach. Der Geschäftsführer des Maschinenring Zuger Berggebiet engagiert sich seit Jahrzehnten in der Grüngutverwertung und für gesunde Böden durch Kompostwirtschaft. So ist er auch bei der Verora GmbH, Neuheim, tätig, die ressourcenschonende Naturerzeugnisse wie Pflanzenkohle herstellt, und bei der Bionika AG, Neuheim, die auf Humuskompost und Schwarzerden zur Bodenverbesserung setzt.

Mehr Kreislaufdenken

Viele Probleme der Landwirtschaft, sei es bei der Tiergesundheit, wegen Emissionen oder auch beim Pflanzenschutz, wären mit mehr Kreislaufdenken lösbar, ist er überzeugt. Abächerli bedauert, dass Aspekte der regenerativen und nachhaltigen Landwirtschaft auch in der Bildung noch kaum vermittelt würden. Er weist auf das Potenzial von Pflanzenkohle und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten hin, welches bisher erst wenige Pioniere erkannt hätten. Auch dazu gebe es eben noch viel Unkenntnis und Vorurteile, Pflanzenkohle werde teils falsch eingesetzt, und auch der Vollzug hinke hinterher. Es brauche zudem bessere Parameter für die Bewertung der Kohlequalität.

«Es ist wichtig für die Wirkung, welche Kohle wofür eingesetzt wird.»

Adrian Würsch von Verora warnt vor falschen Erwartungen aufgrund verschiedener Qualitäten.

«Nicht jede mit dem Label EBC zertifizierte Pflanzenkohle ist für die Landwirtschaft tauglich, sondern nur jene der Klassen ‹Futter plus› und ‹Agrobio›», erklärt Abächerli. Das «European Biochar Certificate» (EBC) werde derzeit auch missbraucht von einer Lobby, die Pflanzenkohle aus Holzvergasung als CO2-Senke propagiere und damit viele Klimaschutz-Fördergelder generiere. Es gebe eben sehr verschiedene Pflanzenkohle, und die richtige Kohle für den richtigen Einsatz sei entscheidend für die Wirkung. Die Verora setze etwa auf Pyrolyse, nach dem Prinzip der trockenen Karbonisierung, für hohen Kohlenstoffgehalt und optimale Struktur.

Einsatz in der Tierhaltung

Adrian Würsch, Geschäftsführer bei der Verora, unterstreicht die Bemerkungen von Fredy Abächerli. Pflanzenkohle sei für viele Bauern immer noch neu, das Wissen und die Erfahrung gering, und es bestünden teils falsche Erwartungen. «Es ist wichtig, welche Kohle wofür eingesetzt wird.» Vor Jahren lag der Fokus eher bei den Böden, heute eher bei der Tierhaltung, für die Fütterung und die Hofdüngeraufwertung. Pflanzenkohle sei ein kleiner Nischenmarkt, der Marktaufbau brauche Zeit, kantonale Förderprogramme könnten aber rasch zu einem Durchbruch führen. Verora hat 2012 eine Pilotanlage für Pyrolyse in Betrieb genommen, seit 2016 läuft der Regelbetrieb. In Neuheim selbst werden jährlich 150 t produziert, vermarktet aber gegen 500 t, da noch von andern Produzenten zugekauft wird.

Nutzung in Kaskaden
Wirtschaftlich sei Pflanzenkohle in der Landwirtschaft nur bei einer Kaskadennutzung, sagt Fredy Abächerli: Zuerst der Einsatz in der Tierhaltung als Futtermittel und Einstreu, dann zur Aufwertung der Hofdünger und schliesslich zur Verbesserung der Böden. Für die Rindviehfütterung empfiehlt er 15 Gramm pro 100 kg Lebendgewicht. Ein Big Bag, der rund 450 Franken kostet, reiche für 10 bis 15 GV und verursache jährliche Kosten von 40 bis 50 Franken pro GVE. Mit besserer Tiergesundheit und besseren Böden seien diese Kosten sicher überkompensiert.

Das Angebot sei in den letzten Jahren deutlich gewachsen, die Nachfrage aber nicht parallel gestiegen, was zu einem gewissen Druck am Markt führe, sagt Würsch. Inzwischen gibt es neben der Verora in der Region einige weitere grössere Produzenten von Pflanzenkohle. So die Naturaenergie in Kägiswil (siehe BauernZeitung vom 20. September 2024) oder Energy Ocean in Luthern (siehe BauernZeitung vom 31. Oktober 2024).

Direktabsatz floriert

Laut Benjamin Schmeisser, Co-Geschäftsführer von Energy Ocean, hat sich der Standort Luthern bewährt. Dort werden seit letztem Jahr täglich drei Big Bags Pflanzenkohle produziert, ein Grossteil der jährlich 300 t wird über die Verora vermarktet. Aber auch der Direktabsatz an Landwirte floriere. «Wer einmal Pflanzenkohle bezogen hat, kommt immer wieder», sagt Schmeisser. Bezogen wird das Rohmaterial, Restholz aus Wald und Strauchpflege von minderer und somit preisgünstiger Qualität, von Waldeigentümern aus der Region. Die Beschaffung der wöchentlich 70 m3 Schnitzel sei möglich, aber anspruchsvoll, sagt Martin Hafner, Geschäftsführer der Napfholz GmbH.

Aufgrund des gestiegenen Angebots an Pflanzenkohle müssten neue Standorte sehr gut gewählt werden, damit die Rohstoffbeschaffung und der Absatz gewährleistet seien, betont Schmeisser. «Förderungen seitens der Kantone und Investitionshilfen für neue Anlagen wären wichtig und nötig, damit die Kantone Klimaschutz- und Umweltschutzziele erreichen können», sagt er.

Laufendes Projekt im Aargau
Im Kanton Aargau läuft derzeit ein Projekt zum Nutzen und zum Einsatz von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft. Diese gilt auch als mögliche CO2-Senke und wird vom Weltklimarat als vielversprechende Negativ-Emissionstechnologie bezeichnet.

Erwartet werden auch eine Minderung der Treibhausgasemissionen in der Tierhaltung und der Düngung sowie weniger Geruchsemissionen, eine Verbesserung der Tiergesundheit, mehr Wasserspeicherfähigkeit der Böden, eine bessere Ausbeute von Methan in Biogasanlagen und mehr. Sowohl die Herstellverfahren als auch der grossflächige Einsatz in der Landwirtschaft stehen aber erst am Anfang ihrer Entwicklung. In Zusammenarbeit mit den Forschungsanstalten sollen die Wissenslücken zu Herstellung und Verwendung über mehrjährige Versuche geschlossen werden, heisst es auf der Website des Kantons. Gesamthaft kostet das seit 2021 und noch bis 2027 laufende Projekt rund eine Million Franken, der Anteil des Kantons beträgt 420 000 Franken.

Im Rahmen des Projekts wurde in einer Studie zusammen mit FiBL und Agrovet-Strickhof der Einfluss bei Tieren untersucht. Demnach kann Pflanzenkohle als Futterzusatz nicht dazu beitragen, den Methanausstoss von Milchkühen zu senken. Sie kann aber sehr wohl für die Tiergesundheit einen Wert haben, zumal viele Landwirte von positiver Wirkung bei Durchfallerkrankungen berichten. Und Pflanzenkohle kann als Kohlenstoffspeicher in Böden eingearbeitet auch Teil einer Klimastrategie sein.

Ab August in Betrieb

Das Energie- und Klimakonzept 2025 des Kantons Obwalden sei für die Realisierung der Pyrolyseanlage in Kägiswil dienlich gewesen, sagt Tobias von Rotz, Betriebsleiter Naturaenergie. Zumal darin auch auf das Potenzial der Pflanzenkohle hingewiesen werde. Die Anlage hätte eigentlich schon letztes Jahr in Betrieb gehen sollen. Es habe aber Verzögerungen wegen Umbauten gegeben. Und derzeit laufe das langwierige und komplizierte Zertifizierungsverfahren. Das EBC-Label sei nun für Anfang August in Aussicht gestellt worden. Dann soll auch die Produktion starten. «Ohne EBC-Label ist Pflanzenkohle nicht verkäuflich.»

«Wer einmal Pflanzenkohle bezogen hat, kommt immer wieder.»

Benjamin Schmeisser von Energyocean zum Interesse der Landwirte.

Tobias von Rotz sieht ein grosses Absatzpotenzial in der Nid- und Obwaldner Landwirtschaft, aber auch im Gartenbau. «Der Verkauf ist aber kein Selbstläufer, es braucht grosse Marktanstrengungen.» Zumal die grosse Anlage an 300 Tagen je 1,8 m3 Pflanzenkohle herstellen soll, also rund 300 t jährlich, so von Rotz. Für das kommende Jahr sind auch Studien mit dem Bundesamt für Landwirtschaft geplant, um mehr Erkenntnisse zur N-Effizienz, Nährstoffbindung und Geruchsminderung durch Pflanzenkohle zu bekommen. Grosses Interesse gebe es auch von Betreibern von Biogasanalgen, sagt von Rotz: Wenn Pflanzenkohle dem Prozess beigemischt werde, vermöge diese Ammonium zu binden, das sonst die Methanproduktion hemme. Und weil Pflanzenkohle dann in der vergärten Gülle gebunden sei, könne diese wirkungsvoller eingesetzt werden, was Kunstdünger spare.

Luzern prüft Projektförderung
Der Pflanzenkohle würden zwar positive Effekte für Tiere und Böden zugesprochen, bei der Herstellung könnten aber auch Schadstoffe in Luft und Böden gelangen, heisst es im Luzerner Merkblatt Pflanzenkohle. Und der langfristige Einfluss auf das Zusammenspiel der Bodenlebewesen sei noch wenig untersucht.

Behörden zurückhaltend
Deshalb sind die Behörden bezüglich der Anwendung in der Landwirtschaft generell zurückhaltend. Und von einer grossflächigen Ausbringung wird derzeit abgeraten. Bei der Anwendung in der Nutztierhaltung oder in Böden sind die rechtlichen Vorgaben aus einer Vielzahl von Verordnungen einzuhalten, die im Merkblatt erläutert sind.

Basierend auf einem Postulat im Kantonsrat und der Massnahmen- und Umsetzungsplanung Klima und Energie wurde in einem erst Ende Juni 2025 publizierten Bericht die Verwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft und als CO2-Speicher näher untersucht. Dies unter Leitung der Dienststelle Landwirtschaft und Wald unter Beizug eines externen Ingenieurbüros. Bei Verwendung von Pflanzenkohle auf landwirtschaftlich genutzten Böden besteht das grösste CO2-Speicherpotenzial und das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis. Der Bund rät aktuell allerdings von einer flächendeckenden Ausbringung ab. Untersucht wurde auch die Einbindung in Asphalt und Beton.

Im Bericht wurden auch Empfehlungen für die nächste Massnahmenplanung 2027 bis 2031 gelistet. Auf ein eigentliches Förderprogramm für Pflanzenkohle soll verzichtet werden.

Innovative Projekte
Hingegen wird die «Förderung innovativer Projekte mit Jurybegleitung» empfohlen. Das biete die grösste Hebelwirkung für Klimaschutz und Effizienz im Umgang mit natürlichen Ressourcen. Mögliche Projektthemen wären:
• Kosten und Nutzen in der Landwirtschaft
• Langfristige Auswirkung auf Boden und Tiergesundheit
• Potenzial für die Hofdüngerbewirtschaftung
• Anwendung im Bauwesen und im Stadtraum
• Einsatz von Pflanzenkohle bei grossflächigen Rekultivierungsprojekten.