Das wettermässig schwierige Vorjahr und die Diskussionen um den Pflanzenschutz gaben den robusten Piwi-Sorten im Vorjahr Auftrieb. In der Zentralschweiz ist bereits jeder dritte und wohl bald jeder zweite Rebstock eine pilzwiderstandsfähige Sorte. In der Schweiz steht dieser Anteil erst bei etwa 3 Prozent. Die Weine überzeugen Kunden und Fachleute. Ohne Hagel und mit den empfohlenen minimalen Pflanzenschutzmassnahmen gab es selbst 2021 volle Erträge.
Zu viele Experimente
Weniger Sorten wären mehr. Es wurde in der Praxis zu viel experimentiert. Sogar Zuchtnummern sind auf dem Markt. Die Kunden können und wollen sich diese neuen Sorten und Zungenbrecher nicht alle merken. Sie trinken Genuss und nicht Umwelt. Bei den roten Sorten fehlt nach wie vor jene, welche mit angenehmen Tanninen, schöner Farbe, reiffruchtigen Noten und genügend Robustheit zu überzeugen weiss. Das gemeinsame Züchtungsprogramm Inra-Agroscope hat da aber etwas in der Pipeline.
Minimaler Schutz ist nötig
Piwis gelten als robust und nicht als resistent. Ein minimaler Pflanzenschutz ist nötig. Der kann mittels alternativer Präparate erfolgen. Je nach Robustheit und Witterung sind dazu zwei bis sechs Behandlungen erforderlich. Selbst die gegen den Falschen Mehltau äusserst robusten Sorten sind leicht anfällig auf den Echten Mehltau. Das reicht, die Umweltbelastung im Anbau auf über 50 Prozent zu reduzieren. Mit den neuen Produktionssystemen des Bundes, «Bio-Mittel ab Schrottschuss» und «Einsatz von Bio-Mitteln», wird das neu finanziell honoriert. Die neue Strukturverordnung des Bundes sieht zudem vor, den Anbau robuster Rebsorten finanziell zu unterstützen.
Die Sorten sind geschaffen für regenreiche Regionen. Mit ihren fruchtigen, zum Teil grünen, erfrischenden Noten sind sie geschaffen für kühle Nächte. Aus den eher dicken Beerenhäuten lässt sich viel extrahieren. Der voralpine Raum mit den von den Gletschern geprägten Böden scheint dafür die ideale Region zu sein, die Zentralschweiz also. Bedenken sind angezeigt bei zu schweren Böden oder zu starkem Nährstoffeintrag durch die vorgängige Nutzung. Hier kann Verrieselung und Fäulnis zu Problemen führen.
Es braucht anderen Namen
Ein weiteres Problem besteht im Namen. Für die Beratung mag der Begriff «Piwi» okay sein. Er hat sich etabliert. Beim Weinverkauf jedoch von Pflanzenschutz, Pilzen und Widerstand zu sprechen, macht wenig Spass. Da wurde in der Namensgebung gesündigt, eine grosse Chance verpasst. «Neue Sorten» tönt wohl gut, sagt aber wenig aus. Bei Weinen mit kontrolliertem Ursprung (AOC) ist die Benennung der Sorte auf der Etikette Pflicht. «Greenwine» ist so ein neuer Ansatz. Es gibt noch einiges zu tun.
Spannende Sorten
Folgende Sorten scheinen sich zu bewähren:
Solaris: Nicht für beste Lagen, infolge früher Reife anfällig auf Wespenfrass, sehr robust, Weine mit viel Alkohol und Säure, zum Teil hohe Restsüsse, ideal auch als Verschnittwein.
Johanniter: Reduktion im Pflanzenschutz leider nur um etwa 50 Prozent möglich, regelmässig gute Erträge, die dicke, tanninhaltige Beerenhaut hat viel Potenzial für den oxidativen Ausbau.
Muscaris: Im Anbau ähnlich wie die Muttersorte Solaris, neigt etwas zu Traubenwelke und Verrieselung, Wein zum Teil etwas üppig, im Wein intensive Aromen von Muskat und tropischen Früchten.
Souvignier gris: Der neue Star, robust, guter Ertrag, kaum Fäulnis, langes Erntefenster, grosse Weinvielfalt, wirkt fruchtig und erfrischend, schönes Bild der reifen Trauben im Rebberg.
Sauvignac: Erinnert stark an Sauvignon blanc, ergibt Weine mit würziger und fruchtiger Note, scheint recht robust zu sein, im Ertrag jedoch etwas tiefer als Souvignier gris.
Divico: Unter den roten Sorten jene mit dem wohl höchsten önologischen Potenzial, erinnert an Gamaret, sehr robust auf Falschen, etwas weniger auf Echten Mehltau, verlangt gute Lagen.