Ein Gemüsegärtner eröffnet mit seiner Familie in einem kleinen Bauerndorf eine Gelateria. Und das so erfolgreich, dass die Gemüseproduktion etwas heruntergefahren werden kann. Das ist nicht der Inhalt eines schnulzigen Romans, sondern die wahre Geschichte der Familie Jampen aus Müntschemier im Berner Seeland.
Lange einen grossen Traum geträumt
Solche Geschichten kann das Leben schreiben, wenn Träume in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Und die Gelateria war schon lange ein Traum von Markus, genannt Muck, und Ursula Jampen sowie den erwachsenen Kindern Anina, Jano und Dilia. Mutter Ursula hat sich bereits zur Hochzeit eine Glacemaschine gewünscht und verwöhnte die Familie mit selbst gemachtem Eis aus eigenen Früchten. Als Gemüseproduzenten sind Ferien für die Familie im Sommer nicht möglich. Daher zog es sie im Herbst gegen Süden, wo sie sich gerne ein Eis in einer Gelateria gönnten. Waren die Arbeitstage im Sommer dann lang, wünschten sie sich so manches Mal, am Feierabend auf einen Sprung in eine Eisdiele oder ein Eiscafé gehen zu können. Doch sowas gab es in der Umgebung nicht. Schon früh scherzten Mucks, wie sie im Dorf genannt werden, dass sie eine Gelateria aufmachen würden, sobald sie pensioniert werden. Wie das Leben manchmal so spielt, kam es früher dazu.
Bisher hat eine Gelateria gefehlt
Als kleiner Betrieb, ohne gekühlte Lagermöglichkeit für Wintergemüse, wurde für die Familie der Absatz des Gemüses, mit den immer höher werdenden Qualitätsanforderungen, zunehmend schwieriger. Die Gegend rund ums grosse Moos mit den Seen ist beliebt bei Touristen, eine Gelateria war jedoch nirgends zu finden. Jampens machten Anfang 2014 kurz entschlossen Nägel mit Köpfen. Die Familie baute ihren Lagerraum um, und gründete «Muck’s Gelati». Im September fand in Kerzers ein dreitägiges Gemüsefest zum 75. Jubiläum der Gemüseproduzenten der Kantone Bern und Freiburg statt. Markus Jampen wusste: «An diesem Fest müssen wir mit dem Glaceverkauf starten.» Und der Start sei geglückt. «Was wir da an Glace rausgegeben haben, ist enorm», erinnert er sich. Seine Frau musste am Samstagabend gar Glace für den Sonntag nachproduzieren. Und der Erfolg ist bis heute geblieben.
Alle packen mit an
Das Handwerk von A bis Z zur Glaceproduktion, etwa über Hygiene, bauliche Massnahmen und vieles mehr, hat sich Ursula Jampen an einem Kurs an einer Eisfachschule in Deutschland angeeignet. Die Gelateria ist das Familienprojekt, bei dem alle, auch die Kinder, die auswärts ihren Berufen nachgehen, mit anpacken. Keines der Familienmitglieder hat eine Ausbildung in Marketing. Doch gelang es ihnen gemeinsam, eine Marke mit passendem Logo zu kreieren, das einen grossen Wiedererkennungswert hat. Die ganze Familie arbeitet mit spürbar viel Herzblut im Betrieb mit. Dabei ist ihnen Saisonalität sehr wichtig. Die Produkte stammen möglichst aus der Region und werden je nach Saison verarbeitet. «Nicht alles gibt es das ganze Jahr über», betont Ursula Jampen. Zwar geht bei vielen Konsumenten der Trend wieder zurück zu Saisonalem. Dennoch sind Gespräche und Aufklärung notwendig.
Gesamtsortiment umfasst 130 saisonale Sorten
Mucks Gelati werden ohne Farb- und Aromastoffe hergestellt. «Das Authentische, Natürliche, schätzen die Leute enorm», weiss Ursula Jampen. Zählen Mucks alle möglichen Sorten zusammen, kommen sie auf rund 130. Darunter einige spezielle mit Gemüse und Kräutern, wie etwa Rüebli mit Haselnuss, die an Rüeblikuchen erinnert, Schnittlauch oder aktuell Spargel. «Glace mit Gemüse ist eine Spielerei, etwa für einen Zwischengang in einem mehrgängigen Menü, auf einem Flammkuchen oder in einer kalten Tomatensuppe», nennt Ursula Jampen einige Beispiele. Sie tüftelt gerne an neuen Kreationen. Manchmal würden auch Kunden oder Lieferanten Ideen für neue Sorten einbringen. So etwa, als ein Nachbar mit Zitrusfrüchten kam, die in seinem Gewächshaus zu zahlreich wuchsen. Die daraus entstandene Glace trägt nun seinen Namen: Walters Zitrus. Um ein Produkt erfolgreich zu vermarkten, müsse den Kunden eine Geschichte erzählt werden, raten viele Marketingexperten. Genau das tun Jampens.
Breites Angebot mit bis zu 18 Sorten
Normalerweise von Ende April bis September hat die Gelateria jeweils freitags und samstags geöffnet und es kann zwischen 15 bis 18 Sorten ausgewählt werden. Im Winter kann das Eis freitags in Portionen- oder Einliter-Bechern gekauft werden. Zudem ist Mucks Gelati in ausgewählten Hofläden, Campings und einigen Restaurants erhältlich. Bestellungen können das ganze Jahr über gemacht werden. Für Anlässe jeder Art bietet Muck’s eine Eistruhe mit Portionenbechern oder den bedienten Wagen an. Beliebt sind auch die Vacherintorten, die sie auf Bestellung produzieren. Nicht nur die Glace, auch die Vacherinböden stellen sie in den Ofenhäusern der Umgebung selbst her.
Einblicke für Kunden durchs Fenster
Mitte Mai ist die BauernZeitung in der Gelateria vor Ort. Geplant wäre die Eröffnung der Saison mit dem Offenverkauf gewesen. Doch es herrscht alles andere als Glacewetter. Es ist grau, nur etwa zehn Grad warm und die Bise weht. Jampens beschränken sich daher auf den Verkauf von Bechern. Doch das Wetter stört die Kunden nicht. Es ist ein reges Kommen und Gehen. Die Abläufe beim Verkauf haben Mucks, wegen den Corona-Vorschriften angepasst. Im Verkaufsraum scherzt Muck, unterstützt von Tochter Anina mit den Kunden. Im Verarbeitungsraum, dessen Fenster den Kunden einen Einblick in die Produktion gewährt, bereitet Ursula Jampen extra für den Fototermin frisches Erdbeersorbet zu.
Noch weiter träumen
Doch wie kam es zum Namen Muck? Der Familienname Jampen ist in Müntschemier weit verbreitet. Während der Ausbildung schickte der Chef jeweils Markus Jampen zum Mucken, und meinte damit Jäten. Ausserdem gab es im Dorf einen zweiten Markus Jampen. Ersterer bekam den Übernamen Muck und seine Familie gleich mit.
Es soll im Dorf gar Kinder geben, die der Meinung sind, die Familie heisse wirklich Muck. Der Traum von der Gelateria haben sich Mucks erfüllt. Ein weiterer Traum, der von einem Eiscafé, bleibt. Für das seien sie «dann doch zu weit ab vom Schuss», meint Muck Jampen. Doch wer weiss, welche Geschichten das Leben für Jampens noch bereithält.
Weitere Informationen: www.mucksgelati.ch