Obwohl der Schaden an der Kultur noch schwer einschätzbar ist, rechnet die Branche mit hohen Ertragsausfällen. Die Unwetter der letzten Wochen hätten die meisten Kartoffel-Hauptanbaugebiete getroffen, weiss Christian Bucher, Geschäftsleiter der Branchenorganisation Swisspatat. Simon Werthmüller von Terralog geht davon aus, dass das Seeland am stärksten von den Unwettern betroffen ist. Eine genaue Bilanz über die Erträge wird Swisspatat dann bei der ersten Lagerbestandserhebung Ende Oktober ziehen können.

Die feuchte Witterung begünstigte zudem die Ausbreitung der Kraut- und Knollenfäule. «Die Pilzkrankheit hat sich starkverbreitet und aufgrund der vielerorts nassen Parzellen ist die Applikation von Fungiziden erschwert», bestätigt Christian Bucher von Swisspatat. «Grundsätzlich sind Sorten, welche eine Toleranz oder Resistenz gegen Krautfäule haben – z.B. Sorte Vitabella – beständiger», erklärt Simon Werthmüller. Aber da aktuell der Krautfäuledruck äusserst hoch ist, stelle man in praktisch jeder Parzelle Befall fest, so Simon Werthmüller.

Bedarf ist ungedeckt

Auch wenn noch keine genauen Zahlen zur Ernte 2021 vorliegen, zeichne sich für alle Marktakteure ab, dass die diesjährige Ernte unterdurchschnittlich ausfallen wird, erklärt Christian Bucher von Swisspatat. Es ist deshalb naheliegend, dass für die Versorgung des Marktes Zusatzimporte nötig sein werden. «Die Veredelungsindustrie hat schon seit einigen Wochen Probleme, ihren Bedarf mit inländischer Ware zu decken, da vielerorts eine Ernte von frühen Kartoffeln nicht oder nur sehr erschwert möglich war», weiss Bucher. Daher liegt auf dem Pult des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) nun ein Importgesuch von 20 000 Tonnen Veredlungskartoffeln und 2000 Tonnen Saatkartoffeln, wie Jonathan Fisch vom BLW bestätigt. Auch Speisekartoffeln und Saatkartoffeln werden im Rahmen der Teilzollkontingente eingeführt. Dabei sind die hauptsächlichen Herkunftsländer Deutschland und Holland. Frühkartoffeln werden aus Ägypten und Israel importiert, wie Jonathan Fisch deklariert. Mit der Einfuhr dieser Ware werden die Teilzollkontingente entsprechend erhöht. «Die Gesuche werden derzeit geprüft», heisst es beim BLW. «Wie viel es schlussendlich braucht, um die Ertragsausfälle zu kompensieren, können wir erst nächsten Frühling bilanzieren», betont Christian Bucher von Swisspatat.

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Kleinkalibrige Kartoffeln

Ruedi Fischer, Präsident der Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten (VSKP) bestätigt die spezielle Situation: «Die Speisekartoffel-Importe, die zwischen Mai und Juni realisiert wurden, sind aufgebraucht und die Situation auf den meisten Kartoffelparzellen prekär», so Fischer. Auch die Lagerung wird die Produzenten und Abnehmer herausfordern: «Wenn man nass graben muss, wird es sehr schwierig», bestätigt Ruedi Fischer vom VSKP. «Aber wie sich die Lagerung genau bewerkstelligen lässt, kann noch niemand genau sagen», so Fischer. Durch die Nässe werden die Kaliber tendenziell klein ausfallen, befürchtet er. Simon Werthmüller von Terralog ist sich bewusst, dass vor allem die Unterscheidung von lagerfähigen und nicht lagerfähigen Posten schwierig sein wird.

«Zweifel» muss importieren

Der grosse Schweizer Kartoffelabnehmer Zweifel Pomy-Chips AG rechnet ebenfalls mit hohen Ertragsausfällen: «Im langjährigen Schnitt stammen 95 % der Kartoffeln von unseren 250 Bauern. Das heisst, im langjährigen Schnitt müssen wir aufgrund von Fehlmengen 5 % Kartoffeln importieren. Dies kommt allerdings nicht jedes Jahr vor», so Mediensprecherin Anita Binder. Dieses Jahr wird Zweifel voraussichtlich mehr – also Mengen im zweistelligen Prozentbereich – importieren müssen, bestätigt Binder. Dies hänge von der Höhe des Ernteausfalls und von der verkauften Menge Chips ab.

 

Die verschiedenen Importkontingente

Grundsätzlich kann mit der aktuellen Kartoffelanbaufläche von 11 000 ha die Selbstversorgung sichergestellt werden, heisst es in einer Information der Swisspatat. Gemäss WTO-Verträgen muss die Schweiz einen minimalen Marktzutritt von 5 % des durchschnittlichen Inlandverbrauchs der Referenzjahre 1995 und 1996 gewährleisten.

Das Basis-Importkontingent (minimaler Marktzutritt) ist wie folgt aufgeteilt:

  • Saatkartoffeln: 4000 t
  • Speisekartoffeln: 6500 t
  • Veredlungskartoffeln: 9250 t
  • Kartoffelerzeugnisse: 4000 t

Bei Bedarf – wie gerade aktuell – können von der Branche Zusatzkontingente beim Bundesamt für Landwirtschaft beantragt werden. Innerhalb des Kontingents können die Waren zum tiefen Kontingentszollansatz importiert werden (KZA in der Grafik). Wenn ein Importeur kein Kontingentsanteil besitzt, müssen die Waren teilweise wesentlich höheren Ausserkontingentszollansatz (AKZA in der Grafik) ein-geführt werden. Diese Kontingentsanteile werden entweder anhand der Inlandleistung resp. der Marktanteile zugeteilt oder versteigert. Die Mindestmenge für eine Kontingentsberechtigung liegt allerdings bei 100 Tonnen. Einfuhren zum AKZA sind jederzeit und in beliebiger Höhe ohne Generaleinfuhrbewilligung (GEB) möglich, ausser für die Warenkategorie «Speisekartoffeln», für welche eine GEB ab 2017 obligatorisch ist.