Vor dem Winter tut sich in der Führung von Rapsbeständen ein Gegensatz auf: Einerseits soll die Kultur kräftig genug in den Winter gehen. Andererseits aber nicht zu üppig, um grosse Blattverluste bei Kälte zu vermeiden. Ausserdem müssen die Pflanzen nach dem Auflaufen gegen Schnecken und Erdflöhe bestehen. Da Raps für seinen relativ grossen Bedarf an Spurenelementen bekannt ist, stellt sich die Frage, ob er von einer entsprechenden Blattdüngung profitieren könnte – ohne dass er dadurch zu viel Blattmasse bildet.
Bor im Frühling
«Raps braucht in erster Linie Schwefel und Bor», erläutert René Hartmann, Düngerberater bei Landor. Bor sei vor allem für die Blütenbildung wichtig, und eine Gabe (in Form von Bor-Ammonsalpeter über den Boden oder in Form von Blattdünger in einem Zug mit der Bekämpfung des Stängelrüsslers) erfolge daher grundsätzlich im Frühling. «Schwefel kommt bereits bei einer Grunddüngung unter anderem mit Hofdünger zur Rapssaat automatisch in den Boden», fährt Hartmann fort.
Schwefel und auch Phosphat sollen zu einer guten Jugendentwicklung und zur Stärkung der Winterfestigkeit von Raps beitragen. René Hartmann gibt aber zu bedenken, dass Nährstoffe aus dem Bodenvorrat im Herbst generell noch besser verfügbar seien als im frühen Frühling. «Die Bodentemperatur ist höher, und dadurch ist der Boden aktiver», bemerkt er. Das Risiko, dass der Raps zum Beispiel nicht an genug Schwefel komme, sei zu Beginn der Vegetationszeit programmiert und eine entsprechende Düngung zu diesem Zeitpunkt daher sehr wichtig. Zumal jetzt während der Jugendentwicklung des Rapses auch nicht davon ausgegangen werden müsse, dass die Böden zu stark wassergesättigt seien. Dies im Gegensatz zum Frühling 2024, als laut Hartmann viele Kulturen unter Wärme- und Luftmangel im Wurzelraum gelitten haben.
Trotz Regen verfügbar
«Gelegentlich wurde vermutet, der Dünger sei ausgewaschen worden», erinnert er sich. Aber dafür wären nach ihm noch deutlich grössere Wassermengen nötig gewesen. «Ab März haben wir wegen steigender Temperatur kapillare Wirkung mit aufsteigendem Bodenwasser wie auch den Pflanzenbewuchs, der Wasser aufnimmt», so René Hartmann. Dadurch bleiben die gelösten Nährstoffe auch bei hohen Mengen an Frühjahrsniederschlag im Wurzelraum und somit für die Pflanzen verfügbar.
«Mit Blattdüngern kann man korrigieren und kleine Mengen an Hauptnährstoffen und auch Spurenelementen in die Pflanze bringen», betont der Düngerberater. Eine solche Korrektur ergebe zum Beispiel dann Sinn, wenn witterungsbedingt (nass oder kalt) Nährstoffe während einer bestimmten Entwicklungsphase nicht verfügbar seien. Mit dem Weg über das Blatt wird die Pflanze direkt versorgt, die Bodenverhältnisse spielen – bis auf die Befahrbarkeit – keine Rolle. Treten bereits Mangelsymptome auf, kämen Blattdünger aber an ihre Grenzen. Denn um grössere Mängel und fehlende – nicht nur schlecht pflanzenverfügbare – Nährstoffe auszugleichen, sind die Mengen eben zu klein. «Man kann Blattdünger präventiv einsetzen, wenn eine eingeschränkte Verfügbarkeit im Boden (wie etwa Manganmangel in humusreichem Boden) zu erwarten ist», fasst René Hartmann zusammen.
Teuer pro Einheit
Blattdünger sind in der Ausbringung pro Einheit Nährstoff recht teuer und werden möglichst mit Pflanzenschutzbehandlungen kombiniert eingesetzt. Die Produkte lassen sich in der Regel vielseitig mischen (was allerdings vorgängig abgeklärt werden muss). Anders sieht es je nachdem mit Stärkungsmitteln auf Basis von Mikroorganismen aus. Dafür ist im Fall von Bakterien oder zum Beispiel Komposttee die Blattmasse der Kultur zweitrangig: «Beides tut auch dem Boden gut», so René Hartmann. Für Blattdünger mit Nährstoffen oder Spurenelementen empfiehlt er hingegen, mindestens bis zum vierten echten Blatt an der Rapspflanze zu warten.
«Wenn eine Pflanze gelb war, sagte man früher, sie brauche Stickstoff», erinnert sich René Hartmann. Er plädiert dafür, den Bodenzustand und die Verfügbarkeiten der Nährstoffe im Auge zu behalten, Wechselwirkungen zu beachten, Witterung und Bestände zu beobachten. «Mit solcher Beratung kann ich viel bewirken, ohne zusätzlichen Dünger einzusetzen», sagt er zu seinen Erfahrungen.
