Die reduzierte Bodenbearbeitung ist im Gemüsebau noch eine Exotin. Nach wie vor ist dieser in vielen Fällen von intensiver Bodenbearbeitung geprägt. Pioniere wie Reto Minder aus Jeuss im Kanton Freiburg zeigen aber, dass es auch im Gemüsebau pfluglos geht, zumindest bei gewissen Kulturen. Rosenkohl etwa baut er seit fünfzehn Jahren im Strip-Till-Verfahren an.
Erosion aufhalten
Im Seeland, wo intensiv Gemüse produziert wird, sind Bodenerosion, stehendes Wasser nach Regenfällen und eine schwindende Humusschicht grosse Herausforderungen.
Am Inforama Seeland im bernischen Ins wird deshalb zusammen mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) das Potenzial von reduzierter Bodenbearbeitung im Gemüsebau erforscht. Ziel eines mehrjährigen Anbauversuchs ist es, herkömmliche und reduzierte Bodenbearbeitung unter den spezifischen Bedingungen des Seelands zu vergleichen. Ausserdem sollen die langfristigen Auswirkungen dieser Anbausysteme gemessen werden.
Mehrjähriger Streifenversuch
Der Streifenversuch besteht aus vier Gemüsekulturen pro Jahr. Die Fruchtfolge umfasst folgende Kulturen: Kohl – Getreide (Winterweizen) – Karotten – Salat – Eiweisserbsen – Zwiebeln. Jede Kultur wird mit herkömmlicher und mit reduzierter Bodenbearbeitung auf zwei Unterparzellen angebaut um die Produktionssysteme zu vergleichen.
Ingesamt gibt es acht Teilflächen von je 10,5 m × 76 m Grösse, die durch 3 Meter breite Grasstreifen getrennt sind. Der Boden wird über Winter mit Gründüngungen bedeckt, z. B. UFA Lepha (Alexandrinerklee, Phacelia, Sommerwicke, Guizotia) oder Sandhafer für frühe Saat im Herbst sowie Grünschnittroggen für die Spätsaaten.
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Potenzial bei Kohl und Rüebli
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«Eine Reduzierung der Bodenbearbeitung ohne Ertrags- oder Qualitätseinbussen ist bei einigen Kulturen möglich», sagt Camille Minguely. Im Sommer 2020 bezog sie den ersten HAFL-Arbeitsplatz am Inforama Seeland. Dort forscht sie zu ressourcenschonenden Anbauverfahren für den Gemüsebau. Ihre Tätigkeiten sind Teil eines neuen HAFL-Forschungsprogramms, das von der Wyss Academy for Nature finanziert wird.
Kürzlich stellte sie an den Feldtagen Konservierende Landwirtschaft in Witzwil erste Erkenntnisse aus dem Anbausystem-Demoversuch vor. Die Ergebnisse der ersten Versuchsjahre seien ermutigend, besonders für Karotten und Kohl, so Minguely. «Das Strip-Till-Verfahren funktioniert für mehrere Kulturen. Besonders interessant sind die Ergebnisse im Kohlanbau mit Erträgen und Qualität, die vergleichbar sind mit jenen in ‹konventionellen› Systemen.»
Gute Erfahrungen beim Kohl
Hier einige Erkenntnisse aus dem Feldversuch:
Kabis: Die Vorkultur war Grünschnittroggen. Bei der herkömmlichen Bodenbearbeitung kamen der Pflug und die Kreiselegge zum Einsatz. Bei der reduzierten Bodenbearbeitung die Messerwalze, dann Strip-Till. Gepflanzt wurde in beiden Fällen mit der Speedypflanzmaschine. Mit Ausnahme des Jahres 2017 waren die Durchschnittserträge in den Parzellen mit herkömmlicher Bodenbearbeitung höher. Die Ertragsunterschiede beliefen sich auf 50 kg/a im Jahr 2018 und 19 kg/a in 2019. Die beobachteten Ertragsunterschiede sind laut den Forschenden wahrscheinlich auf den höheren Unkrautdruck im reduzierten System zurückzuführen.
Karotten: Vorkultur waren UFA Lepha und Sandhafer. Bei der herkömmlichen Bodenbearbeitung kamen Pflug, Kreiselegge und Dammfräse zum Einsatz. Bei der reduzierten nur die Dammfräse. Gesät wurde in beiden Fällen mit dem dreireihigen Einzelkornsaatgerät. Es konnte kein Unterschied im Ertrag festgestellt werden. Der Verzicht auf Pflug und Egge vor dem Anlegen der Dämme scheine den Ertrag nicht zu beeinflussen.
Die Technik fehlt noch
«Die Einbeziehung von Deckfrüchten in Gemüsefruchtfolgen ist anspruchsvoller als im Feldanbau, insbesondere bei gestaffelten Kulturen», sagt Camille Minguely. Es sei notwendig, Arten oder Mischungen zu finden, die an die Aussaat- oder Pflanztermine von Gemüsekulturen angepasst sind. Ein Problem ist auch die noch fehlende Technik. Es gibt noch kaum Maschinen für die Direktsaat bzw. -Pflanzung im Gemüsebau.
Reto Minder musste an seiner Setzmaschine sehr viel selbst umbauen, wie er an den Feldtagen in Witzwil demonstrierte. Ein Knackpunkt sind auch die strengenQualitätsanforderungen des Detailhandels an das Gemüse.
Nur ein Satz pro Jahr
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Salat: Beim Salat sind die Herausforderungen noch viel grösser als etwa beim Kohl, wie die ersten Jahre des Versuchs zeigten. Die Vorkultur war Grünschnittroggen. Im herkömmlichen Anbau kamen Pflug und Kreiselegge zum Einsatz, bei der reduzierten Bodenbearbeitung die Messerwalze und Strip-Till. Gepflanzt wurde in beiden Fällen mit der Speedypflanzmaschine. 2019 zeigte ein Versuch zur Flüssigdüngung unter dem Boden enttäuschende Ergebnisse mit schlechtem Pflanzenwachstum und vielen Schäden. 2020 gab es durchschnittlich 622 Pflanzen pro Are in den herkömmlichen Parzellen. In den Parzellen mit reduzierter Bodenbearbeitung waren es 524/a. Bislang konnte immer nur ein Satz Salat pro Jahr gepflanzt werden, was weit entfernt von der Realität im Gemüsebau ist und die praktizierte Kulturfolge nicht wirtschaftlich macht. Die grössten Herausforderungen bleiben die Unkrautbekämpfung auf den bearbeiteten Streifen, die Stickstoffdüngung und die Abstimmung der Gründüngungen vor den satzweise angebauten Kulturen.
Zwiebeln: 2017 zeigten die erzielten Ergebnisse keinen Unterschied im Ertrag oder in der Qualität zwischen den beiden Anbausystemen. Die grösste Herausforderung ist die Aussaat-Technik. Derzeit werden Versuche mit verschiedenen Sämaschinen durchgeführt.
Mehr Regenwürmer
Nach nur wenigen Versuchsjahren seien die Vorteile der reduzierten Bodenbearbeitung bereits im Anbauversuch sichtbar, zieht Camille Minguely Bilanz: «Insbesondere haben wir bereits einen signifikanten Unterschied in der Regenwurmpopulation zwischen den Blöcken mit reduzierter Bodenbearbeitung und den Blöcken mit konventioneller Bodenbearbeitung festgestellt.» Allein deshalb könnte es sich in Zukunft lohnen, bei jenen Kulturen auf reduzierte Bodenbearbeitung zu setzen, wo das Verfahren funktioniert und wirtschaftlich ist.
Nachgefragt: «Nicht den gleichen Stellenwert»
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Als wie gross schätzen Sie das Potenzial der Direktsaat im Gemüsebau in Zukunft ein?
Camille Minguely: Das Potenzial der Direktsaat wird vermutlich nicht den gleichen Stellenwert haben wie in den Ackerkulturen, insbesondere in den Wurzelgemüsen. Bodenbearbeitung ist ein wichtiges Instrument, um gleichmässige Bestände und Qualität zu erzeugen. Ebenso bleiben exakte Direktsaaten bei Gemüsekulturen mit hohen Saatdichten oder mit einer langsamen Entwicklung eine grosse Herausforderung (z. B. Zwiebeln), da bis anhin auch die passende Saat- und Pflegetechnik fehlt. Aber Mischformen wie z. B. Strip-Till können helfen, einen Kompromiss zwischen Bodenschutz und Pflanzenentwicklung zu haben.
Was sind die grössten Herausforderungen?
Es gibt noch viele Herausforderungen zu bewältigen. Die Grössten sind die Entwicklung geeigneter Aussaat- und Pflanztechniken für Gemüsekulturen, der Pflanzenschutz und insbesondere die Unkrautbekämpfung sowie die Akzeptanz neuer technischer Verfahren durchdie Landwirte.
Sie haben im Sommer 2020 den ersten Arbeitsplatz der Hochschule für Agrar-,Forst- und Lebensmittel-wissenschaften (HAFL) am Inforama Seeland bezogen. Wie haben Sie sich eingelebt?
Ich wurde vom gesamten Team am Inforama in Ins sehr gut aufgenommen. Die Tatsache, dass wir alle auf der gleichen Seite sind, erleichtert uns die Kommunika-tion und Zusammenarbeit. Zunächst definierten wir die Prioritäten für die Praxis, legten die Forschungsthemen fest und teilten die Aufgaben und Verantwortlichkeiten.