Wer jetzt ohne Erkältung durchs Leben kommt, kann sich glücklich schätzen. Andere, die es erwischt hat, setzen auf Hausmittel. Viele schwören auf Ingwer. Gerade wird diese Wurzel, die der Landwirt Stephan Müller anbaut, in der Brunner-Mosterei zu Saft gepresst. Beim Gang durch die Mosterei wird man allein durch den scharfen Ingwergeschmack schier immun gegen die Schnupfenviren. «Ingwerwurzeln kann nicht jeder pressen. Sie sind sehr faserig», erklärt Inhaber Robert Brunner, der mit seinem Bruder Stefan die Mosterei leitet.
Kirschensaft und Birnel
Gepresst und konzentriert wird hier fast alles: Äpfel, Birnen, Himbeeren, Kirschen, Quitten, Bühler-Zwetschgen und vieles mehr.
Das Hauptprodukt ist Birnel, das die Mosterei vor allem für die Winterhilfe produziert. «Was wir suchen und brauchen, sind Birnen», sagt denn auch Robert Brunner.[IMG 2]
Im Kleinen erfolgreich
Schweizweit gehört die Brunner AG bei der Verarbeitung mit rund 1500 t Mostobst pro Jahr zu den Kleinen der Branche. «Wenn wir aber den Ausstoss an Birnenkonzentrat anschauen, haben wir einen Schweizer Marktanteil von einem Drittel», sagt Brunner. Das ist beträchtlich.
Daneben hat sich das Unternehmen als Lohnmosterei einen Namen gemacht und bedient Kunden in der Schweiz und von internationalen Firmen, die sich mit Pflanzenextrakten beschäftigen.
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Ritzen- statt Nischenstrategie
Gleichwohl handelt es sich wohl um Marktnischen? «Nein, nicht Nischen, sondern Ritzen», widerspricht Robert Brunner. Nischen würden allzu schnell von den grossen übernommen, «aber an Ritzen kommen sie nicht ran». Auch wenn Brunner auf Ritzenstrategie setzt, beobachtet er doch ganz genau, was im Mostobstmarkt läuft. Lange Jahre hat er beim Schweizer Obstverband im Produktzentrum Mostobst mitgewirkt. Aber dann hatte er genug.
Rückbehalt für Kriegskasse?
Stein des Anstosses war das Ernteausgleichsystem. Dabei wird den Produzenten ein bestimmter Betrag für die Überschussverwertung abgerechnet. «2020 betrug bei der Mostobsternte der Rückbehalt für Mostäpfel Fr. 13.–und für Mostbirnen Fr. 11.– pro 100 Kilo. Bei so tiefen Preisen lohnt sich das Abernten des Mostobsts für die Bauern nicht», sagt er. Als er dann im Januar die Nistkästen reinigte, sei er teilweise auf einem Teppich von Mostobst gelaufen. Sie selbst aber, die Mosterei Brunner, hätte wegen der tiefen Preise zu wenig Äpfel und Birnen angeliefert bekommen. Stossend sei zudem, dass der Ernteausgleich Jahr für Jahr fällig werde – und zwar auch in Jahren ohne Übermengen, «nur dass sich diese Kriegskasse füllt».
Und weitere Tricks
Auch werde das Rückbehaltsystem seit Jahren umgangen. Beispielsweise im sogenannten passiven Veredlungsverkehr. Schweizer Mostobst wird im Ausland gepresst, konzentriert und wieder in die Schweiz eingeführt. Oder es gebe einen anderen Trick: Im Ausland mische man dem Apfelkonzentrat Apfelaroma mit 25-Volumenprozent Alkohol bei. Das Konzentrat werde zollfrei in die Schweiz eingeführt, rückverdünnt und in «alkoholfreien» Apfelsaft verwandelt. «Das ist keine gute Herstellungspraxis und macht den einheimischen Mostobstmarkt kaputt», sagt Brunner. Trotz Interventionen des Schweizer Obstverbands beim Bund, bei der Zollbehörde und bei den kantonalen Lebensmittelchemikern hätte sich nichts geändert. Die eine dieser Firmen, die das mache, schliesse auf Ende Jahr – «wenn diese Importe wegfallen, ist der Markt wesentlich ausgeglichener», so Brunner.
Es gibt bessere Lösungen
«Ja, ich wüsste schon, wie das jetzige System geändert werden sollte. Aber jeder Ansatz dazu wird im Keim erstickt», sagt er. Seine Lösung wäre, dass bei einer Grossernte, mit der aufgrund der Alternanz alle acht Jahre zu rechnen sei, nur 60% von den Mostereien angenommen werde. Für diese Menge erhielte der Landwirt den vollen Preis. Die übrigen 40 % könne man den Regenwürmern überlassen.
«Die Bauern hätten es in der Hand»
Die Anstrengungen für einen fairen Rückbehalt, die auch von Ruedi Kobelt von der Mosterei in Marbach unterstützt wurden, fruchteten nicht, sodass Brunner dem Produktezentrum Mostobst den Rücken kehrte. «Die Bauern hätten es in der Hand, das jetzige System zu ändern, denn nur mit ihren Beiträgen wird der Ernteausgleichsfonds gespiesen», sagt Brunner.
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Genug ist genug
«Wenn ich 30 Jahre jünger wäre, würde ich eine Veränderung dieses Systems anpacken. Aber mit 63 Jahren habe ich genug getan», sagt er. In absehbarer Zeit würden er und sein Bruder Stefan (64) pensioniert. Sie seien daran, eine Nachfolgeregelung für die Mosterei zu finden – diese möge dann diese Verbandskämpfe austragen. Nicht dass Brunner müde wäre, aber die Jahre haben doch ihre Spuren hinterlassen.[IMG 3]
Nicht nur die Auseinandersetzungen über den Ernteausgleich forderten ihn, sondern auch die 16 Jahre als Grüner Kantonsrat. «Für vieles, was mir persönlich lieb und wert war, hatte ich all die Jahre keine Zeit», sagt er. Die nimmt er sich jetzt: aktiviert den Ritzenturbo, pflegt seinen 1000 m²-grossen Garten und engagiert sich als Präsident im Natur- und Vogelschutzverein Steinmaur.