Die Motivation der Landwirte, mit der Saatgutvermehrung weiterzufahren, wird zurzeit auf eine harte Probe gestellt.
Störfaktor Extenso
So wird beim Getreide der Extenso-Anbau von Bund und Labelorganisationen gefördert. IP-Suisse, IG Dinkel und Bio Suisse sind beständig auf der Suche nach neuen Produzenten. «Da überlegt sich der eine oder andere Saatgetreideproduzent, rein aus wirtschaftlichen Gründen, auszusteigen. Und ist einer mal ausgestiegen, wird er nicht mehr in die extrem anspruchsvolle Saatgetreideproduktion einsteigen», hält Rüfenacht fest.
Saatgutproduktion: Hohe Anforderungen und viel Aufwand für Zertifizierung
Die Anforderungen an die Saatgutproduzenten sind hoch und detailliert in der Vermehrungsmaterialverordnung geregelt. Die Qualitätsansprüche, um Extenso-mässig Saatgetreide zu produzieren, sind mehr als nur anspruchsvoll.
Saatgetreideproduzenten erhalten etwas mehr
«Wir wollen die Saatgetreideproduktion in diesem Umfeld stärken. Deshalb einigten wir uns in der Branche, die Grossistenpreise ab Vermehrungsorganisation zu erhöhen», hält Rüfenacht fest. Im Schnitt erhalten die Produzenten 10 % mehr für Saatgetreide. In der Klasse Top steigt der Preis von Baretta auf Fr. 109.50/dt. Das sind Fr. 9.50 mehr als im Vorjahr.
«Beim Urdinkel stieg auch der Produzentenpreis. Auch ist die Saatgutproduktion schwierig im Anbau und die Erträge sind tief», erklärt Rüfenacht. Die Nachfrage nach Urdinkel steigt, deshalb sollen auch die Anbauflächen für Saatgut ausgedehnt werden. Zudem ist der Ertrag bei der Sortierung (Ausbeute) gering. «Wir müssen unsere Produzenten für diese Dinkelvermehrungen motivieren. Das geht auch über den Preis», so Rüfenacht.
«Mehr liegt nicht drin»
Nicht vergessen dürfe man, dass bei den Saatgutproduzenten die Produktionskosten genau gleich wie in der gesamten Branche gestiegen seien. Rüfenacht wagt keine Prognose über die zukünftige Entwicklung, vermerkt aber, dass weitere Preiserhöhungen nicht drin liegen würden. [IMG 2]
Alarmierende Situation bei Pflanzkartoffeln und Saatmais
Ist die Situation für Saatgetreide bedenklich, befindet sich die Produktion von Pflanzkartoffeln und Maissaatgut schon fast im Notstand. Um die Anbaufläche für Kartoffeln von rund 11 000 ha stabil zu halten, braucht es 1540 ha Pflanzkartoffeln. Das wurde in den vergangenen Jahren nicht mehr erreicht.
Pflanzfläche erodiert
«Im Schnitt der vergangenen vier Jahre sank die Pflanzkartoffel-Anbaufläche jährlich um 20 ha», sagt Christof Rüfenacht. Für viele Produzenten sei es lukrativer geworden, Speise- und Industriekartoffeln zu produzieren. Zumal dann auch einiges an Stress wegen des Zertifizierungsprozesses wegfällt.
Saatmais und Klimawandel
Saatmais kommt aufgrund der klimatischen Bedingungen unter Druck. Produziert wird er nur in zwei Regionen der Schweiz – im Rheintal und am Genfersee. «Der Hitzesommer 2022 brachte die Betriebe an ihre Grenzen. Trotz Bewässerung gab es zum Teil fast nichts zu ernten, vor allem in der Genferseeregion. Viele Saatmaisproduzenten werfen das Handtuch», sagt Christof Rüfenacht.
Import keine Lösung
Klar könne man die Lücken durch Importe wettmachen. Aber damit setze man die Versorgungssicherheit aufs Spiel, hält Rüfenacht fest und fordert, dass der Bund seinen Teil zum Erhalt der einheimischen Saatgutproduktion beitragen sollte: «Der Einzelkulturbeitrag für Maissaatgut war früher um einiges höher als heute. Mit dem aktuell geltenden Beitrag von Fr. 700.–/ha kann der Landwirt das hohe Produktionsrisiko und die Zusatzkosten nicht abdecken.» Es braucht Anreize zur Saatgutproduktion, denn junge Landwirte, die eigentlich topausgebildet seien, steigen nicht in die Saatgutproduktion ein. Das sei sehr bedauerlich, sagt Christof Rüfenacht abschliessend.