Obst, Gemüse und frisches Brot locken die Kundschaft in die Läden. Darüber berichtete vergangene Woche Lucia Theiler in der Sendung «Rendez-vous» von Radio SRF 1. Frische und Qualität seien Lockstoff und Frequenzbringer. Die Schweizer Bauern könnten also stolz darauf sein, dass ihre Produkte am Eingang platziert sind. Dem ist aber nicht so, im Gegenteil.

Herkunft sorgt für rote Köpfe

Vielen Bauernfamilien, vor allem den Obstproduzenten, lupfte es in den vergangenen Wochen den Hut. In den ersten Juliwochen warb Coop in der «Coopzeitung» mehrfach für Kirschen mit Herkunft Schweiz/Türkei. Zwar versichert Coop-Mediensprecherin Sina Gebel gegenüber der «BauernZeitung», seit Juni seien keine Importkirschen im Coop verkauft worden. Besänftigen vermochte dies die Kirschenproduzenten kaum.

Beat Lehner aus Felben-Wellhausen TG sagt: «Die Coop-Leute wussten haargenau, dass es genügend Schweizer Kirschen hat.» Ernst Lüthi, Präsident des Baselbieter Obstverbands, pflichtet ihm bei: «Nicht nur über den späteren Erntezeitpunkt, sondern auch über die Erntemenge waren die Grossverteiler rechtzeitig informiert worden. So etwas darf nicht passieren!» Der Ärger ist dem Obstbauern aus Ramlinsburg BL anzuhören.

Der Schweizer Obstverband (SOV) ging Ende Mai von einer überdurchschnittlichen Grossernte von 2813,8 t aus. Im Vorjahr betrug die Erntemenge 1527 t. Die Ernteaussichten stimmten vor allem die Baselbieter Obstproduzenten zuversichtlich. Sie hatten in den Vorjahren mit Frösten und unterdurchschnittlichen Kirschenernten zu kämpfen.

300 Tonnen in die Biogasanlage

Am Montag in der ersten Juliwoche kamen mehr Kirschen als erwartet auf den Markt. «Die Kirschenqualität war gut», sagt Ernst Lüthi. Am Verkaufspunkt hätten sie neben den Importkirschen jedoch einen schweren Stand gehabt. Hinzu kam das Problem, dass die diesjährigen Kirschen schlecht lagerbar waren. Die lange kalte Regenperiode führte dazu, dass die Kirschen mit Wasser durchzogen waren. Die Läden hätten Abschreiber von bis zu 25 Prozent gehabt, weiss Lüthi. «Wenn man in so einen Strudel gerät, dann summieren sich die Probleme, und man muss einen Schnitt machen», fügt er hinzu.

Als der Verkauf stockte, entschieden die Produzenten und ihr Abnehmer, die Tobi Seeobst AG und die Fenaco, gemeinsam, die schlechtesten Posten vom Markt zu nehmen und nur mit der Hauptsorte Kordia in die Läden zu gehen. Der Schaden wurde geteilt. Die Abnehmer übernahmen einen Teil, und der Rest wurde über einen Rückbehalt auf den mittleren Sorten aufgeteilt. «So kam wieder Schwung in den Verkauf», berichtet Beat Lehner. Die nicht verkauften Kirschen landeten in der Biogasanlage. Schweizweit wurden zwischen 250 und 300 t Kirschen so entsorgt.

Enormer Preisdruck

Der Baselbieter Obstbaupräsident stört sich besonders daran, dass die Produzenten die Folgen in Form von Preisdruck zu spüren bekamen. Sie mussten nicht nur die Überschussverwertung mittragen, sondern auch die Verkaufsaktionen über einen Aktionsbeitrag von Fr. 0.40/kg mitfinanzieren. «So wurde es im Produktzentrum Kirschen/Zwetschgen beschlossen, wo sowohl der Schweizer Obstverband als auch Swisscofel vertreten sind», hält Lüthi fest.

Kritik am Obstverband

Doch dann bricht es aus ihm heraus: «Unsere Früchte werden stiefmütterlich behandelt. Wir verlieren von Jahr zu Jahr Verkaufsfläche. Dafür werden auf 5 bis 10 m2 importierte Tafeltrauben, Pfirsiche oder Nektarinen angeboten.» Wenn Grossernten angekündigt seien, müssten die Grossverteiler Platz für den Abverkauf schaffen, fordert er. Dieser Meinung ist auch Beat Lehner: «Schweizer Früchte sollten nicht neben importierten Früchten platziert sein», findet der Thurgauer.

Dieses Kirschendebakel löste in den sozialen Medien nicht nur Kritik an den Grossverteilern aus, die Vorwürfe richteten sich auch an den Schweizer Obstverband. SOV-Mediensprecherin Chantale Meyer sagt gegenüber der «BauernZeitung»: «Wir verstehen den Unmut, den solche Werbung auslöst. Zumal man dann sofort davon ausgeht, dass auch tatsächlich Kirschen aus dem Ausland verkauft werden.» Dies sei bei der Werbeaktion in der «Coopzeitung» aber nicht der Fall gewesen. Der SOV sei überzeugt, dass man nur durch konstruktive Gespräche weiterkomme und dies für die erforderliche Zusammenarbeit förderlich sei. Schliesslich brauche es alle Akteure am Tisch und das gegenseitige Verständnis.

Beat Lehner beurteilt die Zusammenarbeit mit den Grossverteilern insgesamt als gut: «Sie stehen zu den Schweizer Produkten.» Er pflichtet Lüthi aber bei, der sagt: «Es braucht Fairness im Handel und seitens der Grossverteiler Verantwortungsbewusstsein und Solidarität mit uns Bauern.»


Kommentar
Ernst Lüthi fordert mehr Patriotismus von den Grossverteilern:

«Trotz aller Bekenntnisse der Grossverteiler zu Schweizer Früchten konnte man während der hiesigen Hauptsaison Importkirschen kaufen. Ähnliches ist bei den Zwetschgen zu befürchten, bei denen die Ernte gerade anläuft. Migros und Coop, als grösste Marktpartner der Schweizer Bauern, käme hier eine wichtige Rolle zu, Schweizer Produkte prominent an der Verkaufsfront zu platzieren. [IMG 2] Die Landwirtschaft ist systemrelevant. Das sind Coop und Migros aufgrund ihrer Marktmacht auch. Nur, die Bauernfamilien sind sich dieser Verantwortung gegenüber der Schweizer Bevölkerung bewusst. Bei den Grossverteilern scheint dies immer mehr verloren zu gehen, ebenso wie die Solidarität zur Schweizer Landwirtschaft. Wie sonst ist zu erklären, dass Coop während der Hauptsaison türkische Kirschen beworben hat?Mit sinkendem Selbstversorgungsgrad steigen die Importe. Dadurch verschiebt sich die Priorität der Grossverteiler.

Wir sind auf Importe angewiesen, keine Frage. Aber es geht nicht an, Schweizer Obst an der Ladenfront stiefmütterlich zu behandeln und die Landwirtschaft auf der anderen Seite für die eigene Image-Werbung zu nutzen. Die Schweiz feiert ihren Nationalfeiertag, wobei in vielen 1.-August-Reden von Solidarität die Rede war. Ich finde, Solidarität und etwas mehr Patriotismus würde es auch bei unseren Grossverteilern vertragen - das wäre wahrhaft nachhaltig. 


Interview

Stefanie Giger fragt nach beim Schweizer Obstverband

Was hatte der Schweizer Obstverband gegen die Werbe-Aktionen von Coop für Importkirschen aus der Türkei unternommen?

Chantale Meyer: Wir haben nach Erscheinen der Werbe-Aktion in der Coop-Zeitung ein Gespräch mit dem Detaillisten geführt. Gemäss diesem Austausch wurden im besagten Zeitraum keine Kirschen importiert. Dies haben wir unseren Mitgliedern kommuniziert. Für uns ist entscheidend, dass während der Vollversorgung mit Schweizer Kirschen keine importieren Kirschen verkauft wurden.

Hat der SOV Möglichkeiten, diesbezüglich Einfluss zu nehmen?

Es steht den Detailhändlern frei, Früchte aus dem Ausland zu bewerben – da haben wir keinen direkten Einfluss. Wenn Schweizer Kirschen den Inlandbedarf vollständig decken können, wird kein Importkontingent gesprochen. Hier nehmen wir entsprechend Einfluss im Produktezentrum Kirschen/Zwetschgen.

Viele Produzenten reagierten in den sozialen Medien verärgert über die Bewerbung ausländischer Kirschen und kritisierten auch den SOV. Haben Sie dafür Verständnis?

Wir verstehen den Unmut, der solche Werbung auslöst. [IMG 3] Zumal man dann sofort davon ausgeht, dass auch tatsächlich Kirschen aus dem Ausland verkauft werden. Dies war hier aber nicht der Fall. Wir sind überzeugt, dass man durch konstruktive Gespräche weiterkommt und dies für die erforderliche Zusammenarbeit förderlich ist. Schlussendlich braucht es alle Akteure am Tisch und das gegenseitige Verständnis.

Interview Stefanie Giger


So wird importiert

Geregelt wird der Import von Obst und Gemüse über die Zölle. Wenn keine Inlandproduktion verfügbar ist, sind die Einfuhren frei und unbeschränkt möglich. Bei den Tafelkirschen dauert diese freie Phase von 1. September bis 19. Mai, wobei sie in diesem Jahr auf den 20. Juni verlängert wurde.

Ist inländisches Obst verfügbar, sind Einfuhren nur beschränkt, über Kontingente, möglich – sofern das inländische Angebot nicht ausreicht, die Nachfrage zu decken. Diese sogenannte bewirtschaftete Phase dauert bei den Kirschen vom 26. Juni bis 31. August. Der Zollansatz mit Kontingent beträgt Fr. 3.–/100 kg. Die Händler können aber auch bei Vollversorgung und ohne Kontingent zu einem Zollansatz Fr. 200.– bzw. Fr. 255.–/100 kg importieren.

2024 wurden im ersten und zweiten Quartal über 2000 t Kirschen importiert, davon 95 % im zweiten Quartal. Der Schweizer Obstverband bestreitet, dass Kirschen bei Vollversorgung verkauft wurden.

Importiert wurde in der bewirtschafteten Phase aber trotzdem, und zwar vom 1. bis 25. Juli 21 t Kirschen. Das zeigen die provisorischen Daten vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, aufbereitet vom Bundesamt für Landwirtschaft für die Importregelung.